„Elan hat stark nachgelassen“

Kurstadt landet im Fahrradklimatest auf dem zweitletzten Platz in Hessen
BAD HOMBURG - Im aktuellen Fahrradklimatest des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) hat die Stadt den zweitschlechtesten Platz unter den Städten mit 50 000 bis 100 000 Einwohnern in Hessen bekommen. Mit der Note 4,21 liegt sie bundesweit auf Platz 78 von 113.
Das erinnert an das blamable Ergebnis von 2018, als die Radler die Kurstadt auf den letzten Platz wählten. Danach kletterte die Stadt in der Wertung etwas nach oben; das Radverkehrskonzept war beschlossen und im Rathaus die Radverkehrsbeauftragte Nina Lassnig eingestellt worden - sie ist nicht mehr für die Stadt tätig.
Bis auf die Frage nach geöffneten Einbahnstraßen - sie wurde mit 2,81 benotet - hat sich die Beurteilung in fast allen Kategorien verschlechtert. Besonders negativ werden die Breite der Radwege (5,08), Ampelschaltungen (4,82), Führung an Baustellen (4,78), Falschparkerkontrolle (4,77), Sicherheitsgefühl (4,64) sowie Konflikte mit Kraftfahrzeugen (4,55) bewertet.
Herbe Kritik an der Verwaltung
Er sei vom Ergebnis nicht überrascht, erklärt der Vorsitzende des ADFC Bad Homburg/Friedrichsdorf, Ralf Gandenberger: „Leider mussten wir feststellen, dass der Elan im Rathaus nach der Kommunalwahl 2021 deutlich nachgelassen hat“, sagt er. „Viele Initiativen des ADFC und der Stadtverordnetenversammlung wurden von der Stadt abgelehnt oder versandeten.“
2021, als die Stadt beim Test im soliden Mittelfeld landete, hatte OB Alexander Hetjes (CDU) angekündigt, der „Anschluss an die oberen Tabellenränge“ sei das nächste Ziel. Der Test sollte ausgewertet und die Kritikpunkte analysiert werden. Seitdem sei „leider kaum etwas passiert“. Zusätzlich zu den Schulnoten, die für vorgegebene Fragen vergeben werden konnten, haben die Teilnehmer des Klimatests 384 Kommentare abgegeben. „Viele Kommentare halten die bisherigen Maßnahmen für Symbolik und attestieren den Verantwortlichen fehlenden Mut für wirkliche Verbesserungen.“
ZUFRIEDENHEITSBAROMETER
Der ADFC-Fahrradklimatest gilt als weltweit größte Befragung zur Zufriedenheit der Radfahrenden.
Der Fahrradclub führt den Test alle zwei Jahre durch, 2022 zum zehnten Mal. Rund 245 000 Radfahrerinnen und Radfahrer haben seit November abgestimmt, 16 Prozent sind im ADFC. 1114 Städte kamen in die Wertung. Zu Bad Homburg gab’s 269 Meldungen.
Die Ergebnisse en detail stehen auf www.fahrradklima-test.adfc.de. ahi
Fahrradpiktogramme sind keine Radinfrastruktur - auch dieser Kommentar las sich oft und: Für den Radverkehr werde zu wenig Platz zur Verfügung gestellt. Autofahrer führen in Einbahnstraßen aggressiv auf Radfahrende zu, und sie überholten zu eng. Auch die Schulwege seien nicht sicher - vor allem jene auf Hindenburgring und Urseler Straße wurden stark bemängelt. Diese seien wie fast alle Radfahrstreifen in Bad Homburg viel zu schmal. Viele Schüler fahren auf der falschen Seite.
Unverständnis sei oft geäußert worden, dass dieses Problem seit vielen Jahren bekannt sei und keine Verbesserung erfolge. Bemängelt wurde auch, dass zentrale Punkte wie die Fußgängerzone und der Bahnhof nicht auf sicheren Wegen erreichbar seien. Es fehle ein Konzept für ein sicheres Radwegenetz.
Einige Teilnehmer forderten die Freigabe aller Einbahnstraßen für Radfahrer in Gegenrichtung. Die Verwaltung müsse Parkverstöße durch Autofahrer viel rigoroser kontrollieren.
Der ADFC selbst, so Gandenberger, habe Vertretern der politischen Parteien und der Stadt die Probleme nahegebracht - „bisher leider ohne großen Erfolg“. Die Stadt wollte sich nicht näher zu den Ergebnissen und den heftigen Vorwürfen äußern. „Wir werden die Ergebnisse auswerten“, sagte Rathaus-Sprecher Marc Kolbe auf Anfrage.
Schlechter als Bad Homburg wurde unter Hessens mittelgroßen Städten nur Wetzlar bewertet. Im Hochtaunus ebenfalls nicht rühmlich abgeschnitten haben Usingen (Gesamtnote 4,56), Königstein (4,51) und Grävenwiesbach (4,48) - sie bilden die drei Schlusslichter hessischer Orte unter 20 000 Einwohner.