Ein Schreiben, das den Kreistag spaltet
Heftige Debatte über Offenen Brief von Bürgermeistern und Kreisspitze zur Flüchtlingssituation
Main-Taunus - Schärfer als gewohnt wurde der Ton im Kreistag, als es um den Offenen Brief der Kreisspitze und der Rathauschefs aus dem Main-Taunus-Kreis zur Flüchtlings-Situation ging. In diesem hatten die Unterzeichner deutlich gemacht, dass man sich am Limit sehe und es von Bund und Land Maßnahmen brauche. Am rechten und am linken Rand hatte das Schreiben ein Echo ausgelöst, das in je einen Antrag gemündet war.
Die Linke verlangte eine Distanzierung des Kreistags von Aussagen des Briefes, die ihrer Ansicht nach „die Verantwortung für diese Situation den schutzsuchenden Menschen“ zuschöben. Die AfD forderte dagegen den Kreistag auf, sich „vollumfänglich solidarisch“ mit den vorgebrachten Forderungen und Positionen zu erklären.
Nach Ansicht von Linken-Sprecher Thomas Völker haben die kommunalen Spitzenvertreter „der Stimmungsmache von Rechtsaußen ein großes Geschenk gemacht“. „Das gezeichnete Bild von hier unrechtmäßig lebenden Menschen, welche die Integration Schutzberechtigter hemmen, wird der komplexen Sachlage nicht gerecht“, hatten auch die Vertreter des Runden Tisches geurteilt. Dass Völker im Kreistag aber von „blankem Populismus“ und „rassistischen Vorurteilen“ sprach, ließ die Stimmung vor allem bei der Union hochkochen.
AfD-Sprecher Hendrik Lehr las als nächster Redner zunächst die Liste der Unterzeichner vor. Dass die „politische Elite“ des MTK diesen Hilferuf verfasst habe, nannte der Fraktionschef „völlig richtig“. Und dass der folgende Flüchtlingsgipfel etwas gebracht habe, das behaupte außer Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) „nicht eine Person“.
Die SPD hatte einen Änderungsantrag zum Antrag der Linken eingebracht. Dieser solle, so Sprecher Philipp Neuhaus, die „Diskussion versachlichen“, indem er vom Kreis eine Darstellung der aktuellen Situation im Haupt- und Finanzausschuss einfordere. Zudem müsse es möglich sein, Sorge zu äußern, ohne im Kreistag als Rassist beschimpft zu werden.
„Nicht Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“ stünden hinter dem Offenen Brief, er sei vielmehr verfasst worden, „weil wir uns unserer Fürsorgepflicht ganz bewusst sind“, wehrte sich Hattersheims Bürgermeister Klaus Schindling (CDU). Den Vorwurf der Linken, mit dem Brief vom eigenen Versagen beim Sozialen Wohnungsbau abgelenkt zu haben, konterte Schindling für sich mit Verweis auf die 1800 Wohnungen der Hattersheimer Wohnungsbau. „Strikt zurück“ wies Schindling die AfD-Forderung nach einem politischen Votum des Kreistags. Gebraucht würden vielmehr jetzt „Lösungen von Bund und Land.“
Landrat Michael Cyriax (CDU) befand, man müsse „mit Maß und Mitte“ auf ein Problem hinweisen können, ohne in „eine Rassismus-Ecke gestellt zu werden“. Dass der Kreis in den vergangenen Jahren rund 8700 Geflüchtete aufgenommen habe, sei „eine riesige Leistung“. Wenn wöchentlich in Hessen 1000 weitere Menschen ankämen, könne das aber nicht gutgehen.
„Wo sind wir denn, dass man die Wahrheit in diesem Land nicht mehr sagen darf“, machte sich dann noch FDP-Fraktionschef Dirk Westedt, als Bürgermeister von Hochheim ebenfalls Brief-Unterzeichner, Luft.
Der AfD-Antrag erhielt keine Unterstützung. Der Änderungsantrag der SPD zum Linken-Antrag wurde in Teil I abgelehnt. Zustimmung erfuhr Teil II: Dem Kreistag soll nun ausführlich über die Situation der Geflüchteten-Unterbringung und -Integration berichtet werden.