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Ehrung für eine starke Frau

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Laudator Peter Löw, Enkel Oliver Rudolf und Eberhardt Schmidt-Gronenberg (von links) platzieren das Schwarze Band vor dem Gedenkfoto von Marliese Bernecker. hillebrecht
Laudator Peter Löw, Enkel Oliver Rudolf und Eberhardt Schmidt-Gronenberg (von links) platzieren das Schwarze Band vor dem Gedenkfoto von Marliese Bernecker. hillebrecht © ahi

Schwarzes Band posthum an Marliese Bernecker verliehen

BAD HOMBURG - Außenstehende könnten diesen etwas anderen Frühjahrsempfang für Karneval halten, wäre es nicht Aschermittwoch und würden nicht alle Schwarz tragen, einschließlich eines schmalen Bandes um den Kopf. Doch es sind keine Indianer in Trauer, sondern jene, die in der Kurstadt im Licht der Öffentlichkeit stehen. Alljährlich kommen sie bei metallisch schmeckendem Heilwasser zu einer deutschlandweit einzigartigen Tradition zusammen: der Verleihung des „Schwarzen Bandes in Samt und Seide“. Hiermit wird seit 50 Jahren eine Persönlichkeit geehrt, die „die Narrheit im Ernst der Zeit erkannt und ihr in Tun und Lassen Rechnung getragen“ hat. Sie darf fortan ein breites statt schmales Band tragen.

Drei Jahre lang musste die Tradition ruhen: 2020, weil kurz zuvor Marliese Bernecker verstorben war - die Witwe des Band-Erfinders Helmuth Bernecker, die nach dessen Tod 2011 seit 2014 den Auserwählten die Trophäe um den Kopf knüpfte. Es folgten zwei Corona-Jahre.

Magistratsspitze noch komplett ungewürdigt

Nun wurde das Schwarze Band posthum an Marliese Bernecker selbst verliehen. Neben der mit einem Trauerflor umrankten HCV-Bütt, die als Rednerpult dient, steht ein Tischchen, auf dem ein Gedenkporträt der Verstorbenen platziert wird. Andächtig legen Peter Löw und Eberhardt Schmidt-Gronenberg, beide im Vorstand der Aktionsgemeinschaft, das Schwarze Band vor das Bild.

Die Händler-Gemeinschaft stieg bereits 1995 als Schirmherrin in die Tradition ein. Doch stets war Marliese Bernecker die treibende Kraft für die Fortführung der Veranstaltung gewesen. Jetzt muss die Aktionsgemeinschaft selbst auswählen.

Lebende Kandidaten und Themen hätte es nach drei Corona- und Krisenjahren nun mehr als genug gegeben. Überhaupt sitzt der gesamte hauptamtliche Magistrat aus OB, Bürgermeister und Stadträtin noch mit schmalen Bändern um die Köpfe - also bis dato ungewürdigt - beisammen und der Kurdirektor noch dazu. Wären nicht der Spar-Etat des Rathauschefs oder die Klimaschutz-Beteuerungen seines Vizes gute Anlässe? Doch als der Rathauschef frühzeitig den Saal verlässt, ist klar: Er wird es nicht.

Die Rückschau von Laudator Peter Löw führt in die richtige Richtung. Sie stammt aus der Feder von Ex-OB Michael Korwisi (Grüne) - der weiß, wie wichtig es Marliese Bernecker war, dass das Schwarze Band weiterhin verliehen wird. Sie habe im Grunde das Katerfrühstück am Aschermittwoch erfunden, denn in ihrer Küche in der Höhestraße 9 hatten sich die Mitglieder des HCV-Elferrats, deren Präsident ihr Mann lange war, seit Mitte der 1950er Jahre immer am Aschermittwoch um 11.13 Uhr zu einem Heringsessen getroffen.

Es werde viel geredet, ohne dass Taten folgen - hier habe Marliese Bernecker die Narrheit im Ernst der Zeit erkannt und mit dem Schwarzen Band Abhilfe geschaffen. 43 Mal habe sie es um die Köpfe der Auserwählten gelegt, von 2014 bis 2019 schrieb sie selbst die Laudatio. Aber viel vorsichtiger als ihr Mann. Sie sei kein Meister des geschliffenen Wortes wie er, und Hochdeutsch könne und wolle sie auch nicht. „Aber ihr ist es zu verdanken, dass das Schwarze Band weiterlebte“, so Löw.

Für die Dankesrede tritt ein junger Mann ans Rednerpult: Oliver Rudolf, Enkel der Verstorbenen. Er dankte den Aktiven der Aktionsgemeinschaft, posthum auch Jörg Hölzer, der 1995 in die Tradition des Schwarzen Bandes eingestiegen war. „Meine Großmutter wäre gerührt und glücklich, hätte sich aber auch gefragt, ob sie das Schwarze Band wirklich verdient hätte“, sagt er. Sie sei eine einzigartige Persönlichkeit gewesen, die nie Angst hatte, ihre Meinung zu sagen - und das auch schon in einer Zeit, in der Frauen nicht viel zu sagen hatten. Nach dem frühen Tod ihres Vaters hatte sie - 1945 geborene Maria Elisabeth Fritz - den Getränkebetrieb ihres Vaters in der Höhestraße mit badischem Weinkontor übernommen. Eine große Verantwortung. Auch daran, dass die Rallye Monte Carlo Historique nach Bad Homburg zurückkam, dass es das Windhundrennen gibt, hatte Marliese Bernecker ihren Anteil. Ob letztlich sie oder ihr Mann die Idee dazu hatte, sei heute nicht mehr nachzuvollziehen, räumt Rudolf ein. „Aber sie ließ den Opa machen.“ Auch später habe sie stets „das wollen wir so“ gesagt und ihrem Willen so mehr Ausdruck verliehen. Daran erinnern sich einige im Saal gut.

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