Ja, aber das habe ich jeden Tag. Das wird sich nie ganz vermeiden lassen, das gibt es bei jedem Verkehrsmittel. Mein Ziel ist es, solche Konflikte durch mehr Platz fürs Rad und eine Kultur des rücksichtsvollen Miteinanders zu minimieren.
Wiesbaden ist das dritte Mal hintereinander Schlusslicht beim ADFC-Fahrradklimatest. Beim Thema Sicherheit vergaben die Wiesbadener die Note 6.
Weil Radverkehr in der Innenstadt noch nicht etabliert ist und wie ein Fremdkörper wirkt. Es gibt eine hohe Verkehrsdichte, es fehlen Radwege und Radstreifen und eine Baustellenbeschilderung. Wenn ich von der Wilhelmstraße in die Friedrich-Ebert-Allee fahre, fühle ich mich nicht wohl, zu viel Autoverkehr.
Wie wollen Sie das verbessern?
Es soll mehr Radwege geben, die Radspuren auf der Straße werden dick markiert, so dass sie nicht zu übersehen sind. Es wird auch bessere Radwegeschilder geben, das erste habe ich letzte Woche eingeweiht. Das bedeutet hier und da auch weniger Parkplätze, die Busspuren sind für den Radverkehr schon freigegeben, aber das fühlt sich für die Radler auch nicht gut an. Auf beiden Ringen ist einfach zu viel Autoverkehr. Vieles dauert, bis es wirkt, aber wir fangen jetzt an, mit einem Sofortprogramm „500 neue Fahrradabstellplätze“.
Bis vor Kurzem waren Sie Dezernent in Hanau. Welche Erfahrungen bringen Sie mit?
In Hanau habe ich mich intensiv mit dem Bau und der Markierung der Radwege beschäftigt, obwohl die Stadt nicht viel Geld hat. Als die Mittel aus dem Kommunalen Investitionsprogramm des Landes kamen, holten wir die Pläne aus der Schublade. 2,6 Millionen Euro haben wir dafür erhalten.
In Wiesbaden möchten Sie 2,9 Millionen Euro im Jahr für Radwege ausgeben.
Ja, es ist erfreulich, dass die Kooperation aus SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen den Ernst der Lage erkannt hat und die Mittel derart aufstockt. Jetzt geht es um die Planung, die Abstimmung mit den Ortsbeiräten und im politischen Raum.
Wie soll ein Fahrradwegesystem in Wiesbaden aussehen?
Ein Radwegesystem soll breite und komfortable Radwege für alle Nutzergruppen anbieten. Die Wegeverbindungen sollen schnell und direkt zu den Zielen führen und eine hohe Sicherheit erreichen. Dafür werden wir in den nächsten zwei Jahren die Weichen stellen.
Wiesbaden ist hügelig, wie soll man da Rad fahren?
E-Bikes sind eine grandiose Erfindung und kein Nischenprodukt mehr. Das Argument Topografie ist nicht mehr stichhaltig. Und innerhalb des Zweiten Ringes, aber auch in Quartieren wie Biebrich oder Kastel, gibt es viele Verbindungen ohne Steigungen.
Rechnen Sie mit Widerstand?
Ja, wir müssen über die Parkplätze reden. Manche Überprivilegierung des Autoverkehrs müssen wir zurückdrehen. Es ist doch ein Irrsinn, dass etwa in der Wilhelmstraße, der Hauptverkehrsader, bis 13 Uhr eine von vier Spuren durch Parkplätze belegt ist und es zu Staus kommt.
Sie haben in Hanau ein neues Parkkonzept ausprobiert.
Ja, die Stadt kann dort die Parkhäuser selbst bewirtschaften, weil sie Eigentümerin ist. Das vereinfacht die Sache. Es geht darum, durch ein durchdachtes Parkgebührensystem eine Lenkungsfunktion hinzubekommen. Die Parkplätze unter dem Marktplatz sind am teuersten, nur morgens früh nicht. Die Parkplätze am Rande der Stadt sind billiger, damit lässt sich das Angebot lenken und eine bessere Auslastung herbeizuführen.
Wie lässt sich das auf Wiesbaden übertragen?
An den Straßenrändern können wir das lenken, etwa, indem wir in der Innenstadt vor allem Kurzzeitparker zulassen. Längeres Parken sollte auf die Parkhäuser gelenkt werden. Wer kurz etwas erledigen möchte, kann parken, langes Stehen geht nicht. In Hanau haben wir die Höhe der Parkgebühren mehrmals verändert, bis wir ein System hatten, das passte.
Sie sagten, es gebe in der Verwaltung nicht genug Manpower, um die Radwege zu planen.
Das ist ein strammes Arbeitsprogramm. Für den öffentlichen Dienst ist es zunehmend schwieriger, Fachleute zu bekommen. Es ist aber hilfreich, dass sich die Kooperation dazu bekannt hat, den Radverkehr mit einem eigenen Radfahrbüro zu stärken, etwa nach Frankfurter Vorbild.
Wiesbaden möchte auch seinen Busverkehr umstellen.
Die Geschäftsführung der ESWE -Verkehrsgesellschaft hat neue Strategien für einen emissionsfreien ÖPNV ausgearbeitet, wonach die Dieselbusse durch Elektrobusse ersetzt werden sollen. Innerhalb von sechs Jahren werden mehr als 200 Busse ausgetauscht, die ersten 2019. Und ein Netz an Car-Sharing und Leihfahrrädern ergänzt die Buslinien.
Und dann ist da die Citybahn.
Wir wissen jetzt, dass die Citybahn von Bund und Land gefördert werden kann. Auch der Nutzen wurde positiv bewertet. Das ist der Sachstand. Nun folgen die Planungen zur Trassenführung, dem verkehrlichen Nutzen für Wiesbaden und Mainz.
Was bedeutet das?
Die Verkehrsmatrix soll überprüfen, wie die Menschen die Citybahn nutzen würden. Die geringeren Unfälle, Reisezeiten, geringeren Luftschadstoffe, Nutzerzahlen, all das ist ein volkswirtschaftlicher Nutzen und lässt sich monetär bewerten. Die Kosten werden dem Nutzen gegenübergestellt. Ab einem Quotienten von eins ist die Citybahn förderfähig.
Sind Busse nicht viel billiger?
Nein, den Platz haben wir auf den Straßen gar nicht. Wiesbaden wird bald mehr als 300 000 Einwohner haben. Dazu kommt ja, dass wir in der Innenstadt, auf dem Ersten und Zweiten Ring, viel Durchgangsverkehr haben. Leute aus Taunusstein etwa fahren nach Mainz oder zum Flughafen zur Arbeit und müssen durch Wiesbaden durch. Taunusstein will auch wachsen, die Verkehre werden wachsen. Wenn wir Staus und Luftverschmutzung vermeiden wollen, müssen wir nach Alternativen suchen.