Dicke Erdkabel für den Windstrom
Weitere Leitungen sollen durch den Kreis führen
Hofheim/Kriftel - Der Streit um die Höchstspannungsleitung Ultranet ist noch nicht vorbei und wird wohl auch die Gerichte beschäftigen, da werden erste Pläne für eine weitere Leitung bekannt, die durch den Main-Taunus-Kreis führen soll. Die genaue Strecke steht bisher nicht fest, wahrscheinliche Anknüpfungspunkte sind die Umspannwerke Marxheim und Kriftel. Allerdings handelt es sich bei der Leitung Rhein-Main-Link um Erdkabel.
Genau genommen geht es nicht um eine Leitung, sondern um vier dicke Kabel, bestätigt Jonas Knoop von der Leitungsnetzbetreiberin Amprion GmbH auf Anfrage dieser Zeitung. Ihren Ausgangspunkt haben alle vier Leitungen in Rastede bei Oldenburg in Niedersachsen, wo der Strom von verschiedenen Windkraftwerken in der Nordsee gesammelt werden soll. Die vier Leitungen sollen nach Marxheim, Kriftel, Bürstadt und ins Hessische Ried führen und das Rhein-Main-Gebiet sowie Südhessen mit Windstrom von der Nordsee versorgen.
Eine dieser vier Leitungen, nämlich die nach Bürstadt, ist im Bundesbedarfsplan festgeschrieben, wird also auf jeden Fall gebaut. Die drei anderen tauchen bislang nur im Netzentwicklungsplan auf, der von den Netzbetreibern erarbeitet und von der Bundesnetzagentur bestätigt wird. „Wir rechnen damit, dass auch diese Kabel bald im Bundesbedarfsplan stehen“, so Amprion-Projektsprecher Knoop. Dann hat das Unternehmen den gesetzlichen Auftrag, diese Leitungen zu bauen.
Bedarf vervierfacht sich
Und dann werden alle vier Leitungen mit sehr großer Wahrscheinlichkeit auch durch den Main-Taunus-Kreis führen, denn das wäre die kürzeste Strecke. Diese genießt Priorität, es kann davon aber abgewichen werden. Bei den Kabeln nach Bürstadt und ins Ried wären solche Abweichungen möglich, aber die beiden anderen Leitungen enden im Kreisgebiet, und die Amprion legt es darauf an, die vier Leitungen zu bündeln.
Dies würde den Eingriff in die Flächen und die Natur minimieren, ebenso den Aufwand für Planung, Genehmigung und Bau, erläuterte unlängst Amprion-Vorstand Hans-Jürgen Brick bei einer Veranstaltung im Industriepark Höchst. Nach seinen Worten sollen die Leitungen 8000 Megawatt Strom in die Region bringen - das ist der Bedarf von acht Millionen Menschen. Es geht aber nicht nur um die Privathaushalte - Industrieparkbetreiber Infraserv rechnet damit, dass sich sein Strombedarf im Laufe der nächsten Jahre vervierfachen wird.
Für Hofheim bedeutet dies vor allem, dass die Anlagen in Marxheim unweit der Autobahn-Anschlussstelle immer größer werden. Die Süwag plant bereits den Ausbau des dortigen Umspannwerkes, außerdem soll ein Rechenzentrum entstehen. Für die neue Leitung wird dort voraussichtlich die Amprion GmbH einen Konverter aufstellen.
Die Amprion werde bald auf die Kommunen zugehen und den Bürgerdialog beginnen, so Konzernchef Brick. Nach Knoops Worten sollen die Leitungen in zehn Jahren in Betrieb genommen werden, etwa 2027 müsste mit dem Bau begonnen werden. Genutzt werden soll dabei die Möglichkeit, das Genehmigungsverfahren zu vereinfachen. Bei Ultranet wurde noch über Jahre über eine sogenannte Bundesfachplanung gestritten, in der ein grober Leitungskorridor bestimmt wurde, dem folgt jetzt das Planfeststellungsverfahren. Für den Rhein-Main-Link wird die Bundesnetzagentur einen sogenannten Präferenzraum einfach festlegen, eine öffentliche Beteiligung gibt es erst später im Planfeststellungsverfahren.
Auf die Reaktionen der Kommunen und der Öffentlichkeit kann man gespannt sein. Die Kabel - jedes übrigens 25 Zentimeter stark - werden in etwa 1,50 Metern Tiefe vergraben; nach Abschluss der Bauarbeiten ist von der Anlage nichts mehr zu sehen. Dann kann die Fläche, etwa 35 Meter breit, zum Beispiel landwirtschaftlich genutzt, aber nicht bebaut werden.
Trotzdem ist in anderen Ländern schon Kritik an Erdkabelprojekten aus der Landwirtschaft bekannt geworden. Unter anderem wird eine übermäßige Erwärmung des Bodens befürchtet. Sowohl die Netzbetreiber als auch unabhängige wissenschaftliche Einrichtungen sind damit beschäftigt, diese und andere Auswirkungen der Kabel zu untersuchen.