Der Raps wächst, die Sorge auch

Ölfrucht ist spät dran / Sinkende Preise erwartet
HOCHTAUNUS - Das leuchtende Goldgelb der Rapsblüte, das sich am Wochenende endgültig auf die Felder rund um den Großen Feldberg gelegt hat, stand lange - viel zu lange, wie Landwirt Stefan Wagner vom Bad Homburger Kronenhof sagt - in den Startlöchern. Auf Wagners 75 Hektar umfassendem Ackerland nimmt die goldene Ölfrucht aus der Familie der Kreuzblütler dieses Jahr 15 Hektar ein - 5 Hektar weniger als im vergangenen Jahr. Es gab aber auch schon Zeiten, da waren es 0 Hektar. In Jahren starker Trockenheit macht eine Raps-Aussaat keinen Sinn. Auch im vergangenen Jahr mit seiner extremen Hitze waren Raps-Bauern wie der Betreiber des Kronenhofs pessimistisch. „Im vergangenen Sommer haben wir Landwirte wegen der extremen Trockenheit gar nicht an die Aussaat geglaubt“, sagt Wagner als Vorsitzender des hiesigen Kreisbauernverbandes.
Lange habe man mit der Aussaat gewartet und erst rund vier Wochen später als gewöhnlich im September den Raps ausbringen können. Hessische Landwirte haben nach Angaben des Bauernverbandes vergangenen Spätsommer dann aber doch kräftig ausgesät - und das auf rund 45400 Hektar, etwa genauso viel Winterraps wie 2021 und 2020 - und sogar deutlich mehr als 2019. „Wer das Zeitfenster im September vor dem sehnlichst erwarteten Regen rechtzeitig genutzt hat, dessen Saat ist gut angewachsen und der Raps konnte beim Wachstum wegen des milden Winters gut aufholen“, sagt Wagner.
Durch den Regen hätten sich die Bestände von der Hitze im vergangenen Jahr gut erholt, als es im April ja bereits 30 Grad heiß war. Nun haben der feuchteste März seit mehr als 20 Jahren und der ebenso nasse und kalte April eine Bestellung der Felder mit der Frühjahrs-Aussaat aber erneut zur Lotterie werden lassen - wie bei allen Feldfrüchten. Wegen der Witterung hat auch der Raps noch nicht seine Vollblüte erreicht. Im Norden ist der Raps noch weniger weit gediehen. „Bei der Nahrungsmittel-Produktion sind wir Landwirte nun einmal vom Wetter abhängig. Natürlich sind wir dankbar für den Regen. Die Vegetation hat eigentlich in den kommenden Wochen sehr gute Möglichkeiten, sich prächtig zu entwickeln“, sagt Bauernpräsident Karsten Schmal. Wenn es dann mal wärmer und trockener wird, können die Raps-Pflanzen außerdem vom Wasser im Boden zehren. Doch mit dem Regen ist es so eine Sache: Zu viel davon steigert das Risiko, dass der Raps Pilzinfektionen bekommt.
Die Ernteaussichten seien trotz schwieriger Wetterbedingungen indes positiv. Die nun bereits blühenden Bestände zeigten sich in einer gleichmäßigen Blüte, was trotz allem auf eine gute Ernte Ende Juli hoffen lasse, so Schmal. Im Schnitt werden vier Tonnen Ernte pro Hektar erwartet. 2022 ernteten die Bauern nach Angaben des Statistischen Landesamts 4,17 Tonnen Winterraps pro Hektar. Mehr Kopfzerbrechen als die Ernte bereitet den Landwirten ein Gesetzesvorhaben aus Berlin. Bislang wird das Rapsöl je zur Hälfte zu Speiseöl und Biodiesel verarbeitet. Letzterer wird dann dem Dieselkraftstoff beigemischt. Das soll laut Gesetzentwurf bald nicht mehr möglich sein. Mais, Raps, Soja oder Getreide sollen künftig nicht mehr zu Sprit verarbeitet werden. All dies müsse in erster Linie für die Ernährung genutzt werden, um die Nahrungsmittelknappheit bei Mensch und Tier zu verhindern, heißt es zur Begründung aus dem Bundesumweltministerium.
Mögliches Verbot von Biosprit besorgt Bauern
Weizen und Mais dürften in Zeiten von Krieg und Krisen ab sofort nicht mehr zu Ethanol verarbeitet werden, verlangt etwa auch die Geflügelwirtschaft. Dort verweist man auf die hohe Bedeutung der Ukraine und Russlands als Getreidelieferanten. Für den Fall, dass diese Länder wegfielen, müsse sich auch Deutschland entsprechend vorbereiten.
Das Biosprit-Verbot wäre ein finanzieller Tiefschlag aus Sicht der Landwirte. Eine lukrative Einnahmequelle droht so zu versiegen, und das Mehr an Getreide könnte dazu führen, dass die Preise wieder fallen. Manchen Landwirt wird das gar nicht freuen.
Und die Hoffnungen auf hohe Erlöse durch den Verkauf von Rapsöl - immerhin der Deutschen beliebtestes Speisefett - haben sich für die Landwirte inzwischen auch zerschlagen. Nachdem es im vergangenen Jahr plötzlich kein Sonnenblumenöl wegen des Ukraine-Kriegs mehr zu kaufen gegeben hatte, wurden hohe Preise beim Rapsöl bezahlt; es war das höchste Niveau seit Beginn der Aufzeichnungen. „Man darf aber nicht vergessen, dass wegen der explodierenden Preise auch beim Dünger, Treibstoff und den Pflanzenschutzmitteln die Produktion zu sehr hohen Kosten stattfand“, blickt Schmal zurück. Aktuell fallen die Preise jedoch wieder deutlich.
Raps-Speiseöl hat mit rund 40 Prozent den mit Abstand höchsten Marktanteil. Raps-Landwirte „sind von der aktuellen Preissituation ernüchtert“, so Bauernpräsident Schmal. „Nach 950 Euro pro Tonne 2022 werden derzeit lediglich 450 Euro bezahlt.“