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Der Linke aus Berlin

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Thomas Völker sitzt gern mit anderen am Tisch. Der Kreisvorsitzende der Linken steht in seiner Hofheimer Wohnung auch am Herd, denn Kochen zählt er zu seinen Hobbys. babs
Thomas Völker sitzt gern mit anderen am Tisch. Der Kreisvorsitzende der Linken steht in seiner Hofheimer Wohnung auch am Herd, denn Kochen zählt er zu seinen Hobbys. babs © babs

Die Kandidaten bei der Landratswahl am 4. Juni / Heute: Thomas Völker

Main-Taunus - Thomas Völker ist ein umgänglicher Typ. Vielleicht liegt es daran, dass er Berliner ist. Anhören lässt er sich das in Hessen eher nicht. „Aber wenn ich in Berlin bin, dann kommt es ganz schnell durch“, sagt er mit einem Lächeln. Auf der Ostseite der Mauer hat der jüngste der vier Kandidaten zur Landratswahl, der für Die Linke antritt, nur drei Jahre vor der friedlichen Revolution das Licht der Welt erblickt. Insofern habe er nicht mehr viel davon mitbekommen, ein Kind der DDR zu sein, meint der 36-Jährige. In einem „sehr politischen Elternhaus“ sei er aufgewachsen. Dass seine Eltern in der SED waren, verschweigt er nicht. Und ja, es habe Auseinandersetzungen darüber und manche harte Frage dazu durchaus auch in seiner Familie gegeben. Im Vergleich zu anderen DDR-Parteien, die in westdeutschen Parteien aufgegangen seien, habe zudem keine die Vergangenheit so gut aufgearbeitet wie die Linke, so Völkers Standpunkt.

Er selbst ist mit 18 Jahren in die SED-Nachfolgeorganisation PDS eingetreten, die sich später in Die Linke umbenannte. Drei Anliegen, die ihm persönlich wichtig sind, und die er bei seiner Partei am ehesten vertreten sieht, zählt er auf: „Der Kampf gegen Armut, kostenfreier Zugang zu Bildung für alle und Antifaschismus - da gibt’s kein Rühren und Ruckeln.“ Letzteres hat tiefe Wurzeln in der Familiengeschichte. Den Erzählungen der Großmutter von politischer und rassistischer Verfolgung ihrer Eltern und Großeltern durch die Nazis ist der Wissenschaftliche Mitarbeiter der Linken-Landtagsfraktion nachgegangen, der europäische Geschichte sowie Friedens- und Konfliktforschung studiert hat. Dass sein Uropa sich schützend vor seine als „Halbjüdin“ von der Rassenideologie der Nazis eingestufte Frau und seine Tochter gestellt habe und zu ihnen und seinen politischen Überzeugungen gestanden habe, die ihn ins KZ brachten, macht ihn für Völker zu „meinem persönlichen Vorbild“.

Die Liebe hat den Berliner nach Hessen gebracht. Wegen seiner Partnerin, die damals noch in Gießen studierte, hatte Völker bereits nach dem Studium ein Stellenangebot bei einer Nicht-Regierungsorganisation in Kasachstan/Kirgistan verworfen und stattdessen 2013 in Thüringen bei der Landtagsfraktion der Linken als wissenschaftlicher Referent zu arbeiten begonnen. Privilegiert sei er seither, sagt Völker, weil er das, was ihm Spaß mache, Politik nämlich, auch noch bezahlt bekomme. Sich zusätzlich ehrenamtlich zu engagieren, werde schon auch erwartet, räumt Völker ein, in dem Maß, wie er es auf kommunaler Ebene tue, aber nicht. Er schätze aber gerade diese Arbeit an der Basis, weil er festgestellt habe, wie sie erde.

Als seine Freundin eine Stelle beim Deutschen Olympischen Sportbund in Frankfurt erhielt, war nach Jahren der Fernbeziehung für beide klar: Irgendwo im Rhein-Main-Gebiet wollten sie nun einen gemeinsamen Hausstand gründen. 2018 erhielt Völker auf eine Initiativbewerbung hin eine Stelle bei der Linken-Fraktion im Hessischen Landtag, und beide fanden eine Wohnung in Hofheim. Für Völker ein Glücksfall, schätzt er doch die Kreisstadt als Wohnsitz mittlerweile sehr. Nicht zuletzt wegen ihrer guten Verkehrsanbindungen, denn aufgrund einer Gleichgewichtsstörung kann der 36-Jährige weder ein Auto lenken, noch aufs Rad steigen. Letzteres ärgere ihn, sagt Völker.

SECHS FRAGEN, SECHS ANTWORTEN

Sechs kurze Zusatzfragen gab’s noch. Die Antworten von Thomas Völker:

Ihr Lieblingsfach in der Schule? Geschichte.

Ihr Vorbild in der Gegenwart? Wüsste ich gerade nicht.

Ihre Social-Media-Affinität auf einer Skala von eins bis zehn? Acht.

Eine aktuelle Lese-Empfehlung? Sehr spannend: Chinas Jahrhundert, herausgegeben von Michael Geiger.

Ihr Lieblingsplatz im MTK? Der Hofheimer Wochenmarkt.

Ein unerfüllter Traum? Ich habe einige. Auf jeden Fall noch die Inka-Ruinen in Lateinamerika angucken.

Als einer, der ständig mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, mit denen er nicht nur seinen Arbeitsplatz als Linken-Referent im Wiesbadener Landtag ansteuert, kennt er sich mit diesen zwangsläufig bestens aus.

Für den MTK der Zukunft nach drei wichtigsten Zielen gefragt, nennt er folgerichtig „einen deutlich besseren ÖPNV mit guten Querverbindungen“. Sein zweites Ziel: Die Schaffung von „mehr bezahlbarem Wohnraum für alle Menschen, die hier leben“. Und drittens will der Kandidat, „dass wir im Bereich Umwelt- und Klimaschutz deutlich vorankommen“.

Als ÖPNV-Nutzer, der auch in den Urlaub gern mit der Bahn fährt, leistet er bereits einen persönlichen Beitrag dazu; er meint aber, er tue auch in anderen Bereichen einiges. So spare etwa der Einkauf auf dem Wochenmarkt eine ganze Menge Verpackungsmüll, hat Völker, der gern für sich und seine Partnerin Teresa kocht, herausgefunden. Die Hausarbeit im wöchentlichen Wechsel zu teilen, sei für den Hofheimer selbstverständlich. Weil das im Wahlkampf so wohl nicht durchzuhalten sei, hat der Kreisvorsitzende der Linken, der zudem Kreistagsmitglied ist, in den vergangenen Monaten schon mal „vorgearbeitet“.

Da auch seine Partnerin ehrenamtlich engagiert ist, aber dabei die Vorstandsarbeit beim TC Kriftel der Politik vorzieht, brauchen gemeinsame Abende gute Planung. Zum Tanzen etwa, wo ihr Faible bei Standard und Latein liegt. Zeit, mal für andere aufzulegen, bleibt dem Hobby-DJ Thomas Völker dagegen kaum noch. „Heute lege ich eher mal bei einer Demo auf als in Clubs“, sagt er schmunzelnd. Als „kommunikativ“ schätzt sich der Linke selbst ein und würde als Landrat genauso agieren wollen. Dabei denkt er etwa an eine Sprechstunde in jeder MTK-Kommune, eine bessere Beteiligung von Bürgern, gerade bei kontroversen Themen, und ein Kinder- und Jugendparlament auf Kreisebene. Ein Lebensmotto, sagt Völker, habe er eigentlich nicht. Am ehesten bestärke ihn aber das Papst Bonifatius VIII. zugeschriebene Zitat: „Wer schweigt, von dem wird angenommen, dass er zustimmt.“

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