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Der erste Kühlturm des AKW Biblis ist gefallen

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Von: Annette Schlegl

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Der Kühlturm von Block A des AKW Biblis neigte sich zuerst nach vorne links...
Der Kühlturm von Block A des AKW Biblis neigte sich zuerst nach vorne links © dpa

Einer der vier Kühltürme des stillgelegten Kernkraftwerks Biblis ist verschwunden. Das 80 Meter hohe Bauwerk stürzte kontrolliert in sich zusammen.

Ein Knacksen, ein dumpfes Rumpeln, und dann war der erste von vier Kühltürmen des stillgelegten Atomkraftwerks (AKW) Biblis im Kreis Bergstraße nur noch Geschichte. Am Donnerstag um 11.29 Uhr neigte sich das 15 000 Tonnen schwere und 80 Meter hohe Bauwerk wie geplant kurz nach links vorne und fiel dann binnen fünf Sekunden in sich zusammen. Damit ist der Rückbau des Kernkraftwerks, der seit 2017 im Inneren läuft, nun auch für jedermann nach außen sichtbar. Noch im Februar soll der zweite Kühlturm des Reaktorblocks A fallen, Nummer drei und vier, die zu Block B gehören, aber erst 2024.

Der Kühlturm in Biblis sackt in sich zusammen.
...bevor er dann einsackte © dpa

Die Kühltürme werden nicht gesprengt, sondern statisch geschwächt, damit sie kontrolliert zusammensacken, erklärte RWE-Sprecher Alexander Scholl vor Ort. Das Unternehmen, das einst das AKW betrieb, habe mehrere Varianten geprüft und sich dann für die gezielte Schwächung der Betonstruktur des Turms entschieden. Zum einen, weil dort Hochspannungsleitungen verlaufen, zum anderen wegen der umliegenden Gebäude auf dem Gelände. Unter anderem lagern dort in einer Halle noch 108 Castoren, die mit hochradioaktiven Materialien gefüllt sind.

...und schließlich komplett zusammenbrach.
...und schließlich komplett zusammenbrach. © dpa

Um den Kühlturm zu destabilisieren, hatte ein niederländisches Abbruchunternehmen einige Tage vor dem geplanten Einsturz horizontale, vertikale und diagonale Schlitze in die Betonschale gesägt. Rundherum war eine Sicherheitszone eingerichtet worden, auch ein am AKW-Gelände vorbeilaufender Radweg wurde vorsichtshalber gesperrt.

Ferngesteuerter Bagger hämmerte auf Stützen in Betonwand des Kühlturms des AKW Biblis

Am Donnerstag meißelte dann ein ferngesteuerter Bagger nach und nach sechs entscheidende vertikale Stützen im Stahlbeton des Kühlturms weg. Weit übers Reaktorgelände hinaus war das Hämmern des Meißels zu hören.

„Ab der vierten Stütze wird es spannend“, sagte RWE-Sprecher Scholl. Um 11 Uhr war diese durchgehämmert, um 11.25 Uhr der fünfte Pfeiler. Auf die sechste Stütze klopfte der Bagger, den zwei Operateure im inneren Schutzbereich bedienten, nur vier Minuten lang, dann fiel der Turm. Zurück blieben ein kleiner Rest – das Fundament – und eine große Staubwolke, die sich gen Osten auf anliegende Felder und Wiesen verteilte. Die Wohnbebauung, zwei Kilometer weiter südlich gelegen, bekam dank der günstigen Windrichtung nichts ab.

Beton der Kühltürme des AKW Biblis wird wiederverwendet

Bei dem riesigen Betonhaufen, der vom Kühlturm übrigblieb, handele es sich um konventionellen Bauschutt, der nach dem Abriss des zweiten Turms aufbereitet und als Zuschlagstoff in der Zementindustrie oder als Kiesersatz für die Betonproduktion wiederverwendet werde, sagte Scholl. Die Kühltürme kamen nämlich nie mit Radioaktivität in Berührung, „sie haben nur Wasser gesehen“. Sie waren nur an heißen Sommertagen in Betrieb, um zu vermeiden, dass ein zu warmer oder zu niedriger Rhein mit erwärmtem Kühlwasser belastet wird. In den Türmen wurde das Wasser heruntergekühlt und die Abwärme an die Luft abgegeben – weithin sichtbar als Nebelfahne.

Die Abbruchmasse des AKW Biblis wird auf eine Million Tonnen geschätzt. 2032 soll es aus dem Atomgesetz entlassen werden, das heißt, es gibt dann keine Radioaktivität mehr in den Gebäudeteilen. „Das Ganze ist dann nur noch eine konventionelle Anlage“, sagte Scholl.

Büttelborner wehren sich gegen Deponierung von schwach radioaktivem Bauschutt

Um einen Teil des zurückgebauten Materials aus dem Kontrollbereich des Reaktorblocks wogt derzeit aber ein Streit. 3200 Tonnen spezifisch freigemessener Bauschutt, der nach der Dekontaminierung noch eine minimale Strahlenbelastung von bis zu zehn Mikrosievert aufweist, soll auf der Hausmülldeponie Büttelborn im Nachbarlandkreis Groß-Gerau landen, weil der Kreis Bergstraße seit einigen Jahren keine eigene Deponie mehr hat. 260 Betreiber von öffentlichen Deponien im gesamten Bundesgebiet wurden angefragt, den Bauschutt abzunehmen, alle winkten ab. Private Deponiebetreiber wurden jedoch nicht kontaktiert.

In Büttelborn hat sich eine Bürgerinitiative gegen die Deponierung gegründet. Der Deponiebetreiber und der Kreis Groß-Gerau wollen den Klageweg beschreiten, falls das Regierungspräsidium Darmstadt die Deponierung anordnet.

Landtags-Linke hat für Bauschutt-Lagerung Anhörung von unabhängigen Experten beantragt

Die Linke im hessischen Landtag hat aktuell beantragt, unabhängige Expertinnen und Experten wie den BUND zu der Lagerung von schwach radioaktivem Müll zu Wort kommen zu lassen. So könne geklärt werden, warum keine Alternativen zur Lagerung in Büttelborn ernsthaft geprüft wurden. Nach Meinung der Partei muss eine Lagerung entweder auf dem Kraftwerksgelände selbst oder einer anderen spezialisierten Deponie erfolgen.

So sah der Einsturz des Kühlturms aus, der binnen fünf Sekunden vor sich ging.
So sah der Einsturz des Kühlturms aus, der binnen fünf Sekunden vor sich ging. © dpa

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