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Wohnungsnot in Darmstadt - Jagd auf Geisterhäuser

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Von: Claudia Kabel

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Einsatz der Ghostbusters-Truppe der Postsiedlung in Darmstadt.
Einsatz der Ghostbusters-Truppe der Postsiedlung in Darmstadt. © Postsiedlung

Die Darmstädter Postsiedlung will mit einem neuen Projekt Jagd auf leerstehende Immobilien machen. Doch auch überhöhte Mieten nehmen die „Ghostbusters“ ins Visier.

Darmstadt - Gegen „Horrormieten“ und „Geisterhäuser“ kämpft in Darmstadt seit neuestem eine kleine Truppe aus der Postsiedlung, die sich selbst Ghostbusters nennt. Ganz im Stile der Filmhelden treten auch die Darmstädter in beigen Uniformen mit Protonenpacks auf dem Rücken auf. Bei ihrer Jagd nach Wohnraum, der nicht bewohnt wird, fahren sie in einem weißen Kleinbus vor und vertreiben jedes Profitmonster. Ihre Waffe: das Grundgesetz. Ihr Erkennungszeichen: ein durchgestrichener Geist, der auf den Boden vor den Gebäuden gesprüht wird.

Was wie ein Scherz klingt, ist bitterer Ernst. „Mit diesem augenzwinkernden Projekt wenden wir uns gegen Leerstand von Wohnungen aus Profitgier und Horrormieten“, sagt Bastian Ripper, Sprecher des Vereins Zusammen in der Postsiedlung. Dafür müsse man kein Kommunist sein, sagt Ripper. Schon im Grundgesetz stehe: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“ und „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung […] in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden“. Deshalb halten die Ghostbusters denn auch dem Profitmonster als Waffe ein Grundgesetz entgegen.

Darmstadt: Erster Einsatz der Geisterhausjäger im Verlegerviertel

Der erste Einsatz der Geisterhausjäger ging ins Verlegerviertel. In der Holzhofallee befindet sich ein Gebäude mit 66 Wohneinheiten, von denen viele leer stehen. Das Objekt wird derzeit von Müller und Merkle Immobilien vermarktet. Hier schlugen die Geisterjäger zu, auch um die horrenden Mieten anzuprangern. Mit bis zu 21 Euro je Quadratmeter für eine Ein- oder Zweizimmerwohnung liegen die Preise mehr als doppelt so hoch, wie im aktuellen Mietspiegel der Stadt ausgewiesen ist. Für das preiswerteste Zimmer wird eine Kaltmiete von 585 für 26 Quadratmeter fällig, das teuerste Appartement kostet 870 Euro kalt für 39,6 Quadratmeter.

„Zu teuer für die Zielgruppe, etwa Studierende“, sagt Ripper. Der 2015 von Anwohnenden gegründete Verein setzt sich unter anderem für die Stärkung der nachbarschaftlichen Beziehungen ein. Derzeit leben etwa 11 000 Menschen in der Postsiedlung. Es werde deutlich, wie schwierig es für die Menschen sei, bezahlbaren Wohnraum zu finden, sagt Ripper. „Wir erleben die Verdrängung ganz real.“ Ob es die Familie ist, die wegen Zuwachs eine größere Bleibe suche, oder die Kinder, die erwachsen sind und ausziehen wollen.

Darmstadt: Jeder Einsatz der Ghostbusters soll im Internet veröffentlicht werden

„Die Leute fühlen sich erpresst, das Viertel verlassen zu müssen und verdrängt zu werden“, so Ripper. Darmstadt gehöre zu den Städten, in denen ein Großteil der Menschen mehr als ein Drittel ihres Einkommens für Miete ausgeben müsse. Laut einer Studie der Humboldt-Universität Berlin und der Hans-Böckler-Stiftung sind dies mehr als 56 Prozent aller Haushalte. Jeder fünfte Haushalt zahlt demnach mehr als die Hälfte des Einkommens für Miete. Und während derzeit etwa 2500 Menschen in Darmstadt auf eine Sozialwohnung warten, standen 2014 4,4 Prozent aller Wohnungen leer – das waren fast 3000 Wohnungen.

Darmstadt

Infos: www.postsiedlung.de

Jeder Einsatz der Ghostbusters soll auf der Internetseite des Vereins veröffentlicht werden. Bislang sind zwei Kurzfilme entstanden. Das Projekt habe große Unterstützung erfahren, nicht nur von Initiativen bundesweit, so Ripper. Es gebe Hinweise auf weitere Leerstände. Der nächste Einsatz sei anvisiert. Es handele sich um ein Objekt, dass allein zum Zwecke der Geldanlage erworben worden sei. Wo, ist noch geheim. (Claudia Kabel)

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