Ufo-Meldestelle im Odenwald verzeichnet Hunderte Ufo-Sichtungen im Jahr

Eine der bekanntesten Meldestellen für unbekannte Flugobjekte befindet sich im Odenwald. Cenap-Mitgründer Hansjürgen Köhler plaudert aus dem Nähkästchen.
Lützelbach – „Die meisten Ufo-Sichtungen werden beim Rauchen gemacht, wenn die Leute abends auf dem Balkon stehen und in den Nachthimmel schauen“, sagt Hansjürgen Köhler. Er nimmt rund um die Uhr und Tag für Tag Meldungen über ungewöhnliche Sichtungen am Himmel entgegen.
1976 gründete er gemeinsam mit Werner Walter das Centrale Erforschungs-Netz-Außergewöhnlicher-Himmelsphänomene, kurz Cenap. Seit den 1990er Jahren wird die UFO-Meldestelle betrieben und ist inzwischen auch international vernetzt.
Cenap: Mehr als 600 Ufo-Sichtungen im Jahr 2021
Im Schnitt gehen jährlich 300 bis 400 Meldungen aus dem deutschsprachigen Raum ein, 2021 waren es sogar 611 Ufo-Sichtungen, wie das Cenap kürzlich mitteilte. Wer eine ungewöhnliche Himmelsbeobachtung macht und bei der 24-Stunden-Hotline anruft, landet bei Köhler in Breitenbrunn, einem Ortsteil der Odenwaldgemeinde Lützelbach. 2018 - Mitbegründer Walter war 2016 gestorben - zog die Meldestelle von Mannheim dorthin um. Der Himmel sei hier auf jeden Fall dunkler und besser geeignet, um selbst durchs Teleskop zu blicken, sagt Köhler, der sich auch als Hobby-Astronom engagiert. Um den Ursachen der Sichtungen nachzugehen, bemüht er jedoch viel häufiger ein Computerprogramm, das den Verlauf der Himmelskörper simuliert.

Neben Computermonitoren sind in Köhlers Büro Modelle von Ariane-4- und -5-Raketen und Spaceshuttles zu sehen, ein Mini-Hubble-Teleskop schwebt von der Decke, an den Wänden hängen Aufnahmen der Apollo-11-Mission. „Ich bin ein Kind der Mondlandung“, sagt der 65-Jährige und perfektioniert damit das Bild, das man von einem Ufo-Jäger hat. Zwar lernte er trotz seines großen Interesses an Astronomie einen kaufmännischen Beruf. Dennoch ist Köhler für Ufo-Freaks ein „rotes Tuch“, wie er sagt. Denn seine Mission ist die Aufklärung der unbekannten Erscheinungen. Er hält nichts von einem fanatischen Ufo-Glauben, von Verschwörungstheorien und Geschichten über Entführungen durch Außerirdische. Außer Köhler arbeiten noch eine Handvoll weitere Ehrenamtliche beim Cenap mit.
Ufo-Sichtungen: 50 bis 60 Prozent gehen auf normale Dinge am Himmel zurück
„Wir machen Aufklärung, wir vermitteln Leuten astronomisches Wissen“, erklärt Köhler. Auch Vorträge in Sternwarten und bei der Volkshochschule werden gehalten. Obwohl es ein großes Interesse an Astronomie in der Bevölkerung gebe, sei das Wissen darüber „eher mau“, sagt Köhler. So würden etwa 50 bis 60 Prozent der Ufo-Sichtungen auf normale Dinge am Himmel zurückgehen: etwa Sterne, die durch Szintillation, also Lichtbrechung in der Erdatmosphäre, in verschiedenen Farben aufleuchten oder scheinbar tanzen. Der Fixstern Sirius sei da ein Hauptkandidat, der mit seinem weiß-blauen Licht vor allem in den Wintermonaten gerne auffalle. Aber auch Jupiter und Venus verblüfften in den Abendstunden im Sommer und im Herbst am Morgenhimmel die Beobachter:innen mit ihrer Strahlkraft, berichtet Köhler.
Auch Meteoriten beziehungsweise Feuerkugeln würden häufig für fliegende Untertassen gehalten. „Wenn die über halb Europa zischen und für Sekunden die Nacht taghell erleuchten“, dann weiß Köhler bereits nach der ersten Meldung, was ihm in dieser Nacht bevorsteht.
Auch tagsüber werden Ufos beobachtet
Doch auch tagsüber werden Ufos beobachtet. Zum Beispiel in der Urlaubszeit, wenn die Menschen ihre Strand- und Meer-Fotos anschauen. Dann würden mitunter Möwen oder Insekten zu Flugobjekten außerirdischer Besucher avancieren.

Häufig sorgen aber auch echte Fluggeräte für Aufsehen, wie zum Beispiel die „Starlink“-Satelliten des US-amerikanischen Milliardärs Elon Musk, die vergangenes Jahr mit 242 Meldungen über das Jahr verteilt 41 Prozent der Gesamtzahl der beim Cenap gemeldeten Beobachtungen ausmachten.
Starlink-Satelliten von SpaceX sorgen für zahlreiche Meldungen
Am ersten Abend der Starts der Starlink-Satelliten 2019 ging es los mit 50 bis 60 Lichtpunkten in einer Perlenkette, erinnert sich Köhler. Diese zogen laut der Augenzeugenberichte im gleichen Abstand über den Himmel wie an einer Perlenschnur und verschwanden alle an derselben Stelle. „Ich dachte zuerst, es wäre ein stilles Feuerwerk“, so Köhler. Also Heliumballons mit LED-Beleuchtung, die zu Geburtstagen und Jubiläen in den Himmel geschickt werden. Doch Recherchen zeigten schnell, dass die Windrichtung nicht zu den Beobachtungen passte. 15 Mails aus dem ganzen Bundesgebiet waren da bereits beim Cenap eingegangen. Bald fanden Köhler und sein Team heraus, dass es sich um Satelliten handelte, die von der Sonne angestrahlt wurden und dann im Erdschatten verschwanden.

2020 sei es dann richtig losgegangen mit den Raketenstarts für Starlink, so Köhler. Alle zwei bis drei Wochen seien sie gestartet, um Satelliten ins All zu bringen, und beim Cenap gingen die Ufo-Meldungen ein. Insgesamt 1835 Satelliten schoss Musks Unternehmen SpaceX laut der privaten „Starlink-Statistics“-Website bislang ins All, um ein Satellitennetzwerk aufzubauen, das weltweiten Internetzugang bieten soll.
Auch bei der Deutschen Flugsicherung mit Sitz in Langen gehen regelmäßig Fragen zu den Starlink-Satelliten ein. Anders als beim Cenap wird bei Anrufen von Bürgerinnen und Bürgern zu unbekannten Flugobjekten allerdings nicht nach den Ursachen der Sichtungen geforscht, sondern „nur geschaut, ob ein Objekt auf dem Radar zu sehen war“, sagt Pressesprecherin Ute Otterbein der FR. Ihr sei in den vergangenen Jahren allerdings kein Fall einer Sichtung bekannt, die auf dem Radar erschienen sei.
Ufos melden
24-Stunden-Hotline für Sichtungen: 0151-18736259 oder per E-Mail an cenap-h-koehler@t-online.de
2021 wurde 611 Ufos bei Cenap gemeldet, davon war in den meisten Fällen Satelliten verantwortlich, es folgen Sterne und Planeten und Feuerkugeln.
Außer Cenap engagiert sich auch der Verein Gesellschaft zur Erforschung des Ufo-Phänomens (GEP) in Lüdenscheid dafür, unbekannte Flugobjekte zu identifizieren: www.ufo-forschung.de
Das Aufsteigen lassen von ballonartigen Leuchtkörpern (sogenannten Flug- oder Himmelslaternen, beziehungsweise Skylaternen) ist in Hessen seit 2009 verboten. Ein Verstoß kann mit einer Geldbuße von bis zu 5.000 Euro geahndet werden. Das Auflassen von Kinderluftballon in weniger als 1,5 Kilometern zur Begrenzung eines Flugplatzes ist verboten. Ausnahmen können gebührenpflichtig erteilt werden. Davon unabhängig ist für Aufstiege von Kinderluftballons ggf. die Einholung einer Flugverkehrskontrollfreigabe bei der zuständigen Flugverkehrskontrollstelle erforderlich. Infos dazu erteilt die Deutsche Flugsicherung.
Infos zu Cenap und Ufo-Sichtungen: https://p4-r5-01081.page4.com
Transparenzhinweis: Die Infobox wurde am 26. Januar um die rechtliche Lage zum Steigenlassen von ballonartigen Leuchtkörpern ergänzt. cka
Cenap-Gründer Köhler skeptisch bei Roswell-Absturz und Entführungen durch Aliens
Köhler, der seit mehr als 40 Jahren den Sichtungen nachgeht, ist überzeugt, dass bisher keine außerirdischen Besucher auf der Erde waren. Auch der berühmte „Ufo-Absturz“ von Roswell, der 1947 für Aufsehen sorgte, sei auf einen amerikanischen Spionageballon zurückzuführen. Das habe der Roswell-Report gezeigt.
1999 wurde Köhler vom US-amerikanischen Fernsehsender NBC gebeten, einen in Deutschland tätigen amerikanischen Arzt zu interviewen, der angeblich von Außerirdischen entführt worden war. Leider habe sich das als Betrug herausgestellt: „Der Mann mormonischen Glaubens suchte eine Möglichkeit, seine Ehe wegen ‚Teufelswerk‘ annullieren zu können“, erinnert sich Köhler. Dafür habe er sich sogar mit dem Skalpell Narben am ganzen Körper zugefügt und behauptet, sie stammten von den Untersuchungen durch Aliens. Allerdings hält Köhler es „durchaus für möglich, dass ganz weit da draußen irgendjemand ist“. Die Frage sei, ob diese Außerirdischen überhaupt Interesse hätten, uns zu treffen.

Ufo über den Lofoten: „Weißliches Gebilde wie ein Engel, der Richtung Norden flog“
Bei aller Routine gibt es jedoch auch Momente, die Köhlers Blutdruck in die Höhe treiben: Am frühen Abend des 27. September 2021 gingen Meldungen bei ihm ein „von einem weißlichen Gebilde wie ein Engel, der Richtung Norden flog“, berichtet Köhler, und man merkt ihm noch seine Aufregung an. Bilder und Videos wurden ihm gemailt. „Das sah richtig gut aus“, sagt er. Und dann riefen sogar Forschende von der norwegischen Inselgruppe Lofoten an, die von der Weltraumorganisation ESA an ihn verwiesen worden seien, und fragten, ob er ihnen sagen könnte, was das für ein Phänomen sei, dass sie gerade zwischen Nordlichtern beobachtet hätten.
Konnte er. Denn inzwischen war ihm eingefallen, dass er schon mal in den 90er Jahren ein ähnliches Raumfahrt-Phänomen registriert hatte: Es handelte sich um eine Atlas-Rakete, die über Nord-Europa einen Satelliten aussetzte und bei klarem Himmel ein sogenanntes Deorbit-Burn vornahm. „Dabei wird Treibstoff gezündet, und wenn dieser von der Sonne angestrahlt wird, ruft es diesen Effekt hervor“, erklärt der Experte. Das sehe aus wie ein weißes dreieckiges Flugobjekt. Ansonsten seien - neben den natürlichen Vorkommnissen - Heißluftballons, Wetter-, Folien- oder Hochzeitsballons, Privat- und Industrie-Drohnen oder Laserstrahlen von Diskotheken Ursachen von vermeintlichen Ufo-Sichtungen.
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Manchen Sichtungen können nicht geklärt werden
Nur vier der 611 Beobachtungseingänge des vergangenen Jahres habe man nicht aufklären können. Allerdings nicht, weil sie von fliegenden Untertassen herrührten, sondern weil sie wegen fehlender Grunddaten und mangelnden Auskünften nicht klassifiziert werden konnten.
Für Köhler zeigen jedoch all diese Meldungen, dass ein Bedarf an der Arbeit des Cenap besteht. Oft hätten die Menschen schon eine Odyssee hinter sich, bis sie bei ihm landeten. Schade sei deswegen, dass der Verein keinen Nachwuchs finde. Um dennoch künftigen Generationen das Wissen zu erhalten, habe man beschlossen, das Cenap-Archiv nach Schweden zu geben, wo Kollegen ein altes Rathaus als Archiv einrichten wollen. Köhler findet das gut: „Generationen nach uns können dann das Material sichten, und die Arbeit, die wir machten, war nicht umsonst.“ (Claudia Kabel)