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Rassismus auf den Rängen

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Fußballjournalist Pavel Brunßen spricht vor Darmstädter Fans über Rassismus auf den Rängen. Brunßen meint es gebe eine stumme Hierarchie der Diskriminierung – im Fußball wie gesellschaftlich.

Es ist eine Binsenweisheit des Fußballs, dass das Spielgerät rund sei und eine Partie 90 Minuten dauere. Pavel Brunßen gehört zu den Menschen, die den Sport ein wenig komplexer betrachten. Im IB-Fanprojekt in der Erbacher Straße präsentierte er die Anthologie „Zurück am Tatort Stadion – Diskriminierung und Antidiskriminierung in Fußball-Fankulturen“.

Brunßen, 28 Jahre alt, weiß, wovon er spricht. Der passionierte Werder-Bremen-Fan ist nicht nur Mitbegründer und Redakteur des alternativen Fußballkulturmagazins „Transparent“, sondern auch studierter Sozialpädagoge mit Schwerpunkt Rassismus und Diskriminierung. Im Geiste von „Transparent“, das die politische Seite des Anhängertums aufzeigt, steht auch der im März erschienene Sammelband „Zurück am Tatort Stadion“ (Verlag Die Werkstatt). Unter dem evokativen Titel wird in knapp 30 Beiträgen von Journalisten, Soziologen und Angestellten des Fußballbetriebs Ausgrenzung und Intoleranz in Fankurven diskutiert.

Bei seiner Vorstellung im IB-Fanprojekt legt Pavel Brunßen, der als Co-Autor vertreten ist, besonderes Gewicht auf die These, es gebe eine stumme Hierarchie der Diskriminierung – im Fußball wie gesellschaftlich. Als Beispiel zeigt er ein Video der ausgelassenen Aufstiegsfete des SV Darmstadt 98 auf dem Karolinenplatz im Mai dieses Jahres.

Glückselige Spielertraube

Der Clip wurde unter anderem im Internetauftritt des Radiosenders FFH veröffentlicht und zeigt eine glückselige Spielertraube mitsamt Trainer Dirk Schuster, der von den Profis mit dem Gesang „Schuster, du Zigeuner“ bedacht wird.

Die Parole, erklärt Brunßen, beziehe sich wohl auf einen Schmähgesang einiger „Fans“ des Karlsruher SC Wochen zuvor, der hier persifliert wurde – allerdings, ohne ihn in diesen Kontext zu stellen. Trotzdem sei eine größere öffentliche Debatte ausgeblieben.

„Hätten die Spieler stattdessen ‚Neger‘ gesungen, hätte dies ungleich größere Diskussionen ausgelöst“, kommentiert Pavel Brunßen und illustriert damit, was er mit Rangordnung der Diskriminierung meint: Während offenkundiger Rassismus und Antisemitismus in den Stadien und Fankneipen inzwischen weitgehend verpönt und geächtet seien, träfen homophobe, sexistische oder antiziganistische Äußerungen auf weniger Gegenwehr.

Solche und ähnliche Gedankengänge werden in „Zurück am Tatort Stadion“, das sich an eine Wanderausstellung des „Bündnisses aktiver Fußballfans“ anlehnt, ausgebreitet. Während Rassismus im Fußball zur Jahrtausendwende ein stark unterbeleuchtetes Thema war und sich selbst der damalige DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder über zu wenige „Germanen“ auf dem Spielfeld sorgte, sei die Sensibilität inzwischen höher.

Rechtes Gedankengut in Fangruppen gebe es aber nach wie vor, wie zum Beispiel die Großdemo „Hooligans gegen Salafisten“ in Erinnerung rief. Es ist eben eine Binsenweisheit des Kriminalromans, dass die Täter immer wieder zum Tatort zurückkehren. (eda)

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