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Prüfstein zur OB-Wahl: Wie wird in Darmstadt Wohnen günstig?

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Von: Annette Schlegl

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Auf dem Gelände der früheren Cambrai-Fritsch-Kaserne entsteht das Ludwigshöhviertel. michael schick
In Darmstadt entsteht auf dem Gelände der früheren Cambrai-Fritsch-Kaserne das Ludwigshöhviertel. © Michael Schick

Wohnen ist in Darmstadt sogar teurer als in Frankfurt. Zur OB-Wahl am Sonntag, 19. März, hat die FR die zehn Kandidierenden gefragt, wie es gelingen kann, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und ob Darmstadt noch weiter wachsen soll.

In Darmstadt zu wohnen, ist hip - und richtig teuer. Der Mietspiegel 2022 des Instituts Wohnen und Umwelt belegt, dass die Durchschnittsmiete innerhalb von vier Jahren um 17,4 Prozent gestiegen ist. 10,44 Euro kostet der Quadratmeter in der Kaltmiete demnach aktuell - mehr als in Frankfurt. Vor vier Jahren lag der Quadratmeterpreis noch bei 8,89 Euro kalt.

Die Frankfurter Rundschau hat die Kandidierenden für das Oberbürgermeisteramt gefragt, wie die Stadt regulierend eingreifen kann, damit Menschen mit niedrigen Einkommen bei diesen Mietpreisen nicht auf der Strecke bleiben. Auch zum Zuzug äußerten sich die Bewerber und Bewerberinnen. Ihre zum Teil gekürzten Antworten finden Sie auf dieser Seite. Die Reihenfolge entspricht der des Wahlzettels.

Prüfstein zur OB-Wahl: Wie wird in Darmstadt Wohnen günstig, Herr Kolmer (Grüne)?

Michael Kolmer (Grüne) ist 52 Jahre alt und wohnt in Mühltal. Seit 2021 ist der frühere Leiter des Amts für Wirtschaft und Stadtentwicklung Planungs-, Umwelt-, Klimaschutz- und Mobilitätsdezernent der Stadt Darmstadt.
Michael Kolmer (Grüne), der frühere Leiter des Amts für Wirtschaft und Stadtentwicklung, ist seit 2021 Planungs-, Umwelt-, Klimaschutz- und Mobilitätsdezernent der Stadt Darmstadt. © Rolf Oeser

„Mit mir sind Bauprojekte um jeden Preis nicht zu machen.“ Für Kolmer ist die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum zwar unerlässlich, um den sozialen Zusammenhalt zu gewährleisten. Den Dingen aber einfach freien Lauf zu lassen, hieße, Probleme zu verschärfen – und genau das wolle er nicht, erklärt der Baudezernent.

Am wirkungsvollsten ist seiner Meinung nach die Darmstädter Sozialquote, die festlegt, dass auf städtischen Flächen 25 Prozent der Wohnungen Haushalten mit geringen und 20 Prozent Haushalten mit mittleren Einkommen vorbehalten sein müssten. Das Gleiche gelte bei der Neuaufstellung von Bebauungsplänen.

Bei der Quartiersentwicklung zählt für ihn der Vorsatz „sozial und klimaneutral“. Das heißt, dass Passivhausstandard, PV-Anlagen, Dach- und Fassadenbegrünung zur Auflage gemacht werden. Es gehe darum, die Stadt klug und abwägend weiter zu gestalten.

Prüfstein zur OB-Wahl: Wie wird in Darmstadt Wohnen günstig, Herr Benz (SPD)?

Hanno Benz (SPD), der frühere Partei- und Fraktionsvorsitzende der SPD aus Arheilgen ist 50 Jahre alt und seit drei Jahren als Leiter Public Affairs des Frankfurter Energieversorger Mainova tätig. Er ist der Sohn des früheren OB Peter Benz (SPD).
Hanno Benz (SPD), früherer Partei- und Fraktionsvorsitzender der SPD aus dem Stadtteil Arheilgen, Sohn des früheren OB Peter Benz (SPD). © Rolf Oeser

„Das Problem der höchsten Mieten werden wir nur gemeinsam mit der Region lösen, denn Darmstadt ist keine Insel.“ Der SPD-Politiker will ein „Bündnis für Wohnen“ ins Leben rufen und Kommunen, Wohnungsbaugesellschaften, Gewerkschaften sowie Arbeitgebervertretungen aus Stadt und Umland zusammenbringen.

Die Stärkung des Bauvereins sei wichtig, denn er spiele eine zentrale Rolle bei der Schaffung von Wohnungen für kleine und mittlere Einkommen. Deshalb müssten die Gewinne des Bauvereins künftig im Unternehmen bleiben anstatt sie weiterhin auszuschütten. Darmstadt werde weiter wachsen, „schließlich können und wollen wir uns nicht einmauern“.

Aufgabe der Politik sei es, die Folgen des Zuzugs sozial zu gestalten. Man müsse auch die interkommunale Zusammenarbeit ausbauen, um Potenziale zu nutzen, „die bislang brachliegen“. 

Prüfstein zur OB-Wahl: Wie wird in Darmstadt Wohnen günstig, Herr Wandrey (CDU)?

Äußert sich einsichtig: Ordnungsdezernent und CDU-OB-Kandidat Paul Georg Wandrey.
Paul Georg Wandrey (CDU), Ordnungsdezernent der Stadt Darmstadt. © Renate Hoyer

„Bauen muss einfacher, schneller und günstiger werden.“ Nur mit mehr Wohnraum werde Wohnen möglich und bezahlbar, so der CDU-Stadtrat. Es gelte, Flächen schnell zur Verfügung zu stellen, Planungsverfahren zu beschleunigen und auch aktuelle Standards zu hinterfragen.

Technisch lasse sich viel über Stahl- oder Holzmodulbauweise erreichen, die schnell und unkompliziert sei, viel Geld sparen könne und erheblich weniger CO2 erzeuge . Darmstadt werde weiterwachsen, „ob wir das möchten oder nicht“. Es sei wichtig, diese Realität anzuerkennen und vielmehr als Chance denn als Bedrohung zu begreifen. Wandrey will die Stadt nur unter Berücksichtigung der sozialen Struktur und ökologisch verträglich weiterentwickeln.

Er spricht von einer „vernunftgeleiteten Stadtentwicklung“. Die wirtschaftliche Entwicklung dürfe dabei nicht vernachlässigt werden.

Prüfstein zur OB-Wahl: Wie wird in Darmstadt Wohnen günstig, Herr Franke (Linke)?

Ulrich Franke (Linke) arbeitet als Geschäftsführer der Landtagsfraktion der Linken in Wiesbaden. Seit Ende 2017 ist der 54-Jährige, der bei der OB-Wahl 2017 etwas mehr als vier Prozent der Stimmen erhalten hatte, Stadtverordneter in Darmstadt.
Ulrich Franke (Linke), Geschäftsführer der Landtagsfraktion der Linken in Wiesbaden. und Stadtverordneter in Darmstadt. © Linke

„Der Bauverein muss endlich darauf verzichten, den Mietspiegel auszureizen.“ Franke will erreichen, dass der Bauverein die Mieten mindestens fünf Prozent unter dem Mietspiegelniveau belässt und bei Neuvermietungen den Mietspiegel freiwillig anwendet.

Der Bau von mindestens 45 Prozent gefördertem Wohnraum in Neubauprojekten müsse verpflichtend sein. Wenn in einem Stadtteil die Sozialstruktur durch Verdrängung bedroht sei, sollten Milieuschutzsatzungen erlassen werden, um Investoren zu Vereinbarungen bezüglich Miethöhe, Umwandlung in Eigentumswohnungen und sozial tragfähiger Sanierung zu zwingen.

Er plädiert dafür, das Wachstum der Stadt zu bremsen. Die Wirtschaft solle sich auf existierenden Gewerbeflächen weiterentwickeln, die Hochschulstudienkapazität müsse stagnieren, um die Konkurrenz um bezahlbaren Wohnraum nicht zu verschärfen.

Prüfstein zur OB-Wahl: Wie wird in Darmstadt Wohnen günstig, Herr Klötzner (Volt)?

Holger Klötzner (Volt) ist seit Oktober 2021 Dezernent für Bildung und Digitalisierung der Stadt Darmstadt
Holger Klötzner (Volt), Dezernent für Bildung und Digitalisierung der Stadt Darmstadt © privat

„Nachverdichtung und Konvertierung von ungenutzten Büroflächen sind wichtige Hebel, um in Zukunft bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.“ Der Bildungsdezernent will das in Ulm etablierte Prinzip der Baugrundbevorratung für Darmstadt übernehmen. Das heißt: Die Stadt sollte konsequent Baugrund kaufen und nur unter der Bedingung weiterverkaufen, dass dort Wohnbau nach Vorstellungen der Stadt entsteht – etwa sozialer Wohnungsbau.

Werde nicht gebaut, müsse das Grundstück zum gleichen Preis an die Stadt zurückgehen. Die Stadt behalte somit die Kontrolle über den Preis und darüber, was und wie gebaut werde. Darmstadt sei weltoffen, vielfältig und multikulturell, und das werde mit ihm als Oberbürgermeister auch so bleiben.

Wer Zuzug versuche zu begrenzen, der grenze aus – und das sei nicht seine Lösung. Es sei ihm wichtig, Darmstadt zu einer besonders lebenswerten Stadt zu entwickeln.

Prüfstein zur OB-Wahl: Wie wird in Darmstadt Wohnen günstig, Frau Lau (Uffbasse)?

Kerstin Lau (Uffbasse), die 51-jährige Sozialpädagogin ist Vorsitzende der Stadtverordnetenfraktion der Wählervereinigung Uffbasse. Bei der Direktwahl 2017 erreichte sie mit 12,4 Prozent der Stimmen das drittbeste Ergebnis.
Kerstin Lau (Uffbasse), Vorsitzende der Stadtverordnetenfraktion der Wählervereinigung Uffbasse. © privat

„Wir müssen mehr in die Höhe bauen und uns vom Moller-Maß verabschieden.“ Wohnen müsse, so die Uffbasse-Fraktionsvorsitzende, bezahlbar werden durch Mietpreisbremse, genossenschaftlichen Wohnungsbau, Nutzung des kommunalen Vorkaufsrechts und Aufstockung im Bestand.

Wichtig seien auch Milieuschutzsatzungen in besonders von Gentrifizierung betroffenen Stadtteilen und die konsequente Nutzung der Satzung für bezahlbaren Wohnraum. Modelle der Erbpacht seien bei Nutzungsvergaben dem Verkauf vorzuziehen. Die immense Bedeutung von Frischluftschneisen im Bestand und Bau dürfe hierbei nicht ignoriert werden.

Es könne kein unbegrenztes Wachstum geben, vielmehr sei politisch verstärkt der Blick auf fehlende Infrastruktur zu richten, wie Spielplätze, Sportanlagen, Schulflächen. Lau ist für eine intelligente Nachverdichtung ohne zusätzliche Versiegelungen, um neue Flächen nicht auf Kosten von Wald, Grün und ökologischer Vielfalt zu schaffen. 

Prüfstein zur OB-Wahl: Wie wird in Darmstadt Wohnen günstig, Frau Hesse-Hanbuch (FDP)?

Gerburg Hesse-Hanbuch (FDP) aus Darmstadt ist 57 Jahre alt und arbeitet als Apothekerin.
Gerburg Hesse-Hanbuch (FDP) lebt seit 2021 in Darmstadt und arbeitet als Apothekerin. © FDP

„Eine Gesamtperspektive für Darmstadts Zukunft ist nur gemeinsam mit Einbindung der Umlandkommunen möglich.“ Die bereits begonnene Erschließung des Ludwigshöhviertels, aber auch die künftige Bebauung des Messplatzes, des Marienplatzes oder des ehemaligen Klinikgeländes in Eberstadt seien unbedingt zu beschleunigen, meint die FDP-Politikerin.

Das Kuhnwaldtgelände sollte auch gewerblich genutzt werden, denn nur eine wirtschaftlich potente Stadt könne sich die hohen Investitionen in Bauzuschüsse und in Mietpreisdeckelungen auch leisten. Dabei seien die Rahmenbedingungen für Investoren grundsätzlich so zu gestalten, dass Investitionen auch tatsächlich zustande kommen.

Die faktischen Grenzen des baulichen Wachstums von Darmstadt seien mittlerweile absehbar. Bestehende Gewerbegebiete würden noch Potenzial bieten, um sie effizienter zu nutzen.

Prüfstein zur OB-Wahl: Wie wird in Darmstadt Wohnen günstig, Herr Steiner (Die Partei)?

Mirko Steiner (Die Partei), der 41-Jährige ist als selbstständiger IT-Berater tätig.
Mirko Steiner (Die Partei) wirbt mit dem Plakat „Wer mich nicht wählt, ist Offenbacher“. © Die Partei

„Der Wohnraum in Darmstadt ist bezahlbar, nur eben nicht für Hinz und Kunz.“ Wirtschaft und Einzelhandel in Darmstadt bräuchten dringend Wachstum, und dafür brauche man Einwohner:innen mit guten finanziellen Möglichkeiten, meint das Mitglied der Satirepartei. Natürlich seien nur die prestigeträchtigen Projekte interessant.

Der „Masterplan 2030+“ sehe für 2035 lediglich 180 000 Einwohner vor, wohingegen er fest mit 3,1415 Millionen plane. Daher müsse Darmstadt das nächste Jahr um rund 230 000 Einwohner:innen wachsen, um auf rund 395 000 zu kommen. Damit läge die Stadt dann mit 3200 Einwohner:innen je Quadratkilometer noch weit hinter Casablanca mit mehr als 10 000 Einwohner:innen je Quadratkilometer. „Man sieht, da ist noch ordentlich Luft!“

Bestehender Wohnraum müsse wirtschaftlich genutzt werden; durch eine Zwangshalbierung aller Zimmer werde doppelter Wohnraum geschaffen.

Prüfstein zur OB-Wahl: Wie wird in Darmstadt Wohnen günstig, Herr Ziemek (WGD)?

Zieht sich als OB-Kandidat zurück und ruft zur Wahl von Kerstin Lau (Uffbasse) auf: Michael Ziemek (WGD).
Michael Ziemek (WGD) hat sich überraschend als OB-Kandidat zurückgezogen. Er ruft zur Wahl von Kerstin Lau (Uffbasse) auf. © Rolf Oeser

„Es muss unterbunden werden, dass Grundstücke oder Gebäude an Investoren verscherbelt werden und dann Luxusappartements mit hoher Rendite entstehen.“ Ziemek sieht das intelligente Verdichten und die verbesserte Abstimmung mit dem Umland als wesentliche Punkte an. Um das Wohnen bezahlbar zu halten, sei ein Vorkaufsrecht der Stadt auf Grundstücke nötig.

Die Verdichtungsstrategie des städtischen Masterplans sei nicht zielführend. Sein Ansatz ist es, an Stellen, die bereits versiegelt sind, nachzuverdichten – etwa am Marienplatz – sowie im Bestand nachzuverdichten. Auch die Nutzung von Flächen in Gewerbegebieten für den Wohnungsbau helfe.

Ein unbegrenztes Wachstum könne es nicht geben, und deshalb müsse man sich die Frage stellen, „wie viel Wachstum wir uns noch erlauben können“.  

Hinweis der Redaktion: Ziemek hat am Freitag, 10. März, seinen Rückzug als OB-Kandidat mitgeteilt. Er steht zwar noch auf den Wahlzetteln, unterstützt nun aber Kerstin Lau von der Wählervereinigung „Uffbasse“.

Prüfstein zur OB-Wahl: Wie wird in Darmstadt Wohnen günstig, Herr Uhl (Freie Wähler)?

Harald Uhl (Freie Wähler) aus Darmstadt ist 65 Jahre alt und als selbstständiger rechtlicher Betreuer tätig.
Harald Uhl (Freie Wähler) ist als selbstständiger rechtlicher Betreuer tätig. © Joachim Henker

„Soweit noch möglich, Flächen nicht an profitinteressierte Bauträger veräußern und möglichst in städtischer Hand belassen.“ Der FW-Politiker ist der Meinung, die Stadt müsse Vorkaufsrechte nutzen und die Mietpreisbindung deutlich mehr umsetzen als bisher. Unter seiner OB-Regentschaft werde das derzeitige ungehemmte Wachstumsbestreben beendet, erklärt er.

Projekte wie Starkenburg-Kaserne, Ludwigshöhviertel, Krankenhaus, Areal Eberstadt und Lincoln-Siedlung würden in den nächsten 10 bis 15 Jahren nach und nach umgesetzt und so umweltschonend wie möglich mit maximalem Erhalt von Grünflächen und Bäumen bebaut.

Freiflächen in der Innenstadt könne man, soweit technisch möglich, begrünen, Brunnen wieder sprudeln lassen. Es gelte Wohlfühlen vor finanzieller Nutzung. Auch Traditionen wie das Heinerfest-Feuerwerk im Herrngarten oder den freien Eintritt beim Schlossgrabenfest will er wiederbeleben. 

Die OB-Wahl in Darmstadt findet am 19. März statt. Eine mögliche Stichwahl ist für den 2. April angesetzt. und

Zum Weiterlesen: Prüfstein zur OB-Wahl: Wie schafft Darmstadt die Klimawende? und Prüfstein zur OB-Wahl: Wie schafft Darmstadt die Verkehrswende?

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