Prüfstein zur OB-Wahl: Wie schafft Darmstadt die Klimawende?

Darmstadt soll bis 2035 CO2-neutral werden, so will es die Stadt. Die FR hat die zehn Kandidierenden gefragt, welche Schwerpunkte sie als Oberbürgermeisterin oder Oberbürgermeister beim Klimaschutz setzen und wie sie die Menschen motivieren wollen.
2019 hat die Darmstädter Stadtverordnetenversammlung beschlossen, dass der Klimaschutz höchste Priorität hat und man sich klar zu den Pariser Klimaschutzzielen bekennt. 2021 wurde der Maßnahmenkatalog überarbeitet.
Der Klimaschutzplan 2035 beschreibt auf 108 Seiten alle Vorhaben, um die Emissionen in Darmstadt auf netto null zu reduzieren. Unterteilt sind die Maßnahmen in die fünf Handlungsfelder Mobilität, Energie, Öffentlichkeitsarbeit, Wirtschaft und Stadtentwicklung.
Darmstadt räumt dem Klimaschutz „höchste Priorität“ ein
Klar ist, dass all dies viel Geld kostet und die Bürger:innen einbezogen werden müssen. Wie dies gelingen kann und wie das künftige Stadtoberhaupt dabei motivierend lenken will, hat die Frankfurter Rundschau die zehn Kandidierenden für das Oberbürgermeisteramt gefragt.
Ihre zum Teil gekürzten Antworten finden Sie auf dieser Seite. Die Reihenfolge entspricht der des Wahlzettels:
Prüfstein zur OB-Wahl: Wie schafft Darmstadt die Klimawende, Herr Kolmer (Grüne)?

„Der Klimaschutzplan ist meine Handlungsleitlinie“. Die Stadt werde in ihren Liegenschaften und Fuhrparks mit gutem Beispiel vorangehen und, wo es möglich ist, Solaranlagen installieren, sagt der Umweltdezernent. Bis 2030 werde das Photovoltaik-Potenzial komplett gehoben.
Auch eine zügige Wärmeleitplanung soll umgesetzt werden, und Maßnahmen zur Klimaanpassung sollen bei allen Stadt- und Quartiersentwicklungen gelten. Förderprogramme und Beratungsangebote zu PV-Anlagen, Wärmewende und Fassadenbegrünung sollen private Haushalte, Vereine und Unternehmen zum Mitmachen anregen.
Zudem will sich Kolmer als OB über den Hessischen und den Deutschen Städtetag sowie durch Kontakte ins EU-Parlament dafür einsetzen, dass Land, Bund sowie die Europäische Union finanzielle und politische Unterstützung leisten.
Prüfstein zur OB-Wahl: Wie schafft Darmstadt die Klimawende, Herr Benz (SPD)?

„Ohne die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger wird uns die Energiewende nicht gelingen.“ Für mehr Akzeptanz will der SPD-Politiker sorgen, indem er die sozialen Aspekte in den Mittelpunkt stellt. Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit müssten genauso sichergestellt sein wie wirtschaftliche und ökologische Aspekte.
Alles, was man in den Ausbau erneuerbarer Energien stecke, sei am Ende volkswirtschaftlich günstiger als fossile Brennstoffe und Atomkraft. Benz will sich in puncto Solarausbau eng mit der Entega abstimmen. Die Menschen könne man nur motivieren, wenn Klimaschutz im Alltag praktikabel und bezahlbar sei.
Deshalb setzt er auf Ausbau des ÖPNV und günstige Tickets sowie Solarenergie, die bezahlbar ist. Mit den Entscheidungsträger:innen bei Land, Bund und EU will er sich eng vernetzen und sich für die Unterstützung der Kommunen einsetzen.
Prüfstein zur OB-Wahl: Wie schafft Darmstadt die Klimawende, Herr Wandrey (CDU)?

„Ich möchte meinen technischen Sachverstand einbringen, um die Möglichkeiten der CO2-Reduktion zu nutzen.“ Als Oberbürgermeister werde er den Klimawandel im Rahmen städtischer Möglichkeiten lokal bekämpfen.
Man schaffe die Klimawende bis 2035 nur, wenn es gelinge, bestehende Energieversorgungsnetze wie Fernwärme durch eine Kombination aus Geothermie und Wärmepumpen CO2-neutral zu gestalten. Hier sieht der Ordnungsdezernent den Bausektor als wichtigen Hebel – sowohl in neuen Wohngebieten, die nachhaltig und energetisch gebaut werden müssten, als auch beim Bestandsumbau, wo es Möglichkeiten gebe, etwa mit Stahlmodulbauweise Beton zu sparen.
Entscheidungen müssten für die Menschen transparent sein. Unterstützung anderer politischer Ebenen will Wandrey über den hessischen und den deutschen Städtetag einfordern.
Prüfstein zur OB-Wahl: Wie schafft Darmstadt die Klimawende, Herr Franke (Linke)?

„Das Wachstum der Stadt muss abgebremst werden.“ Denn um die Klimaziele zu erreichen, müsse die Neuversiegelung von Flächen verringert und bald ganz gestoppt werden.
Wichtig seien grünere Plätze, begrünte Fassaden, der Erhalt von Stadtbäumen, das Ende der wirtschaftlichen Nutzung des Ostwalds und die Wiederbelebung des Westwalds. Franke, Geschäftsführer der Linksfraktion im Landtag, will mehr städtische Gebäude mit Photovoltaik ausstatten und private Eigentümer:innen fördern und verpflichten, Solaranlagen zu installieren.
In den Vierteln sollen kleine Heizkraftwerke entstehen und die energetische Sanierung warmmietenneutral gestaltet werden. Er rechne mit der Vernunft der Menschen und hoffe auf ihre Bereitschaft, sich von bisherigen Verhaltensweisen zu lösen. Auf Bundesebene fordert er eine Vermögenssteuer, um kommunale Maßnahmen zu finanzieren.
Prüfstein zur OB-Wahl: Wie schafft Darmstadt die Klimawende, Herr Klötzner (Volt)?

„Akzente setze ich durch die Art und Weise, wie wir den Klimaschutzplan 2035 umsetzen.“ Als OB will der Digital- und Schuldezernent Ämter und Personen in die Lage versetzen, frühzeitig Probleme zu erkennen. Dazu will er zuerst das digitale Monitoring und Controlling von klimaschutzbezogenen Maßnahmen in der Verwaltung aufbauen.
Alle Darmstädter:innen sollen transparent sehen können, wo man stehe, wie Fortschritte aussehen, und welche Herausforderung es gebe. Um Menschen zu motivieren, brauche es ein gemeinsames Ziel und den Glauben, dass man es zusammen erreichen könne. Dafür sei eine gut aufgestellte Verwaltung und Stadtwirtschaft nötig.
Mit Förderprogrammen von Land, Bund und EU könne die Stadt schneller liefern. Deshalb will Klötzner förderfähige Projekte priorisieren und zusätzliches Personal zur Fördermittelakquise einsetzen.
Prüfstein zur OB-Wahl: Wie schafft Darmstadt die Klimawende, Frau Lau (Uffbasse)?

„Bäume, Wald und Grün machen eine Stadt lebenswert.“ Der Walderhalt müsse oberste Priorität haben, um Erholungs- und Schutzfunktion des Ökosystems zu sichern. Die Fraktions-Chefin von Uffbasse will neue Waldkonzepte entwickeln, Bäume und Blühwiesen anpflanzen, versiegelte Flächen vermeiden und Fassadenbegrünung sowie Tiny Forests fördern. Regenwasser müsste intelligent genutzt sowie Ab- und Fernwärme verstärkt eingesetzt werden.
Die Motivation der Menschen alleine werde nicht ausreichen. Lau hält ein CO2-Kontingent für jeden Menschen in Deutschland bedenkenswert, dann könne man innerhalb des vorgegebenen Rahmens sein Leben gestalten. Die Kommunen seien seit Jahren unterfinanziert.
Wenn die Bundesregierung nicht von selbst auf die Idee komme, dass Geld für Klimaschutzmaßnahmen benötigt würde, werde Lau sie vermutlich auch nicht davon überzeugen können.
Prüfstein zur OB-Wahl: Wie schafft Darmstadt die Klimawende, Frau Hesse-Hanbuch (FDP)?

„Darmstadt hat sich zur Klimaneutralität und zur Umsetzung der Ziele für eine nachhaltige Entwicklung verpflichtet. Dies unterstütze ich, und es ist eine große Anstrengung.“ Es gelinge nicht ohne die Einbindung der Stadtwirtschaft und der privaten Wirtschaft. Dafür brauche es aber „eine gesamthafte strategische Umsetzungsplanung“, die alle Bürger:innen überzeugt, sagt die FDP-Politikerin.
Dies will sie mit einem „integrierenden Politikansatz“ ändern. EU, Bund, Land und Kommune müssten sich bei der Klimaschutzpolitik ergänzen, und die Stadt müsse Förderprogramme übergeordneter Ebenen nutzen. Nachhaltigkeit müsse ökologisch, ökonomisch und sozial sein.
Ohne Arbeitsplätze, auf denen Menschen ihr Einkommen erwirtschaften, mit dem sie gut leben, und aus dem sie ihre Steuern zahlen, könne der Staat nicht in den Klimaschutz investieren.
Prüfstein zur OB-Wahl: Wie schafft Darmstadt die Klimawende, Herr Steiner (Die Partei)?

„Als Oberbürgermeister sind nur die prestigeträchtigen Projekte interessant, die werde ich gerne persönlich einweihen, eine tolle Rede halten und mir anschließend auf die Schulter klopfen lassen bei einem Glas Champagner.“
Als Oberbürgermeister habe man auch eine Vorbildfunktion. Sprich: Öfter mal den SUV oder den Sportwagen stehen lassen und mit dem Dienstwagen auf die Arbeit chauffieren lassen. Wenns Wetter passe, auch mal das Dienstfahrrad nehmen, sagt der Beisitzer im Darmstädter Kreisverband der Satirepartei Die Partei.
Man brauche in Darmstadt überzeugende Projekte, von denen viele Unternehmen und ihre Mitarbeiter:innen profitieren könnten, und bei denen Verzögerungen im Jahrzehntebereich und Mehrkosten im Milliardenbereich kein Hindernis darstellten. Gerne sei man in Darmstadt auch mal der „Versuchslapping“, wenn es gut aussehe und keinen Lärm mache.
Prüfstein zur OB-Wahl: Wie schafft Darmstadt die Klimawende, Herr Ziemek (WGD)?

„Die Bereiche Wohnen und Hauswärme stehen im Vordergrund.“ Um die Klimaziele zu erfüllen, müsse die Wärmetechnik auf klimaneutrale Technik umgebaut werden. Außerdem setzt der Beisitzer der Wählergemeinschaft Darmstadt auf den Ausbau kommunaler Fernwärme, Photovoltaikanlagen und die Erweiterung des ÖPNV, ergänzt durch Sammeltaxis, Rufbusse, Car- und Bike-Sharing und sichere Rad- und Fußwege.
Um das Stadtklima zu verbessern, soll der Fokus auf Entsiegelung sowie Erhalt und Erweiterung von Grünflächen liegen. Die Verkehrswende müsse sozial verträglich organisiert werden. Lösungsansätze mit festen Beträgen bis hin zu einem kostenlosen ÖPNV seien zu überdenken. Darmstadt müsse partizipative Geschäftsmodelle für die dezentrale Erzeugung, Speicherung und Verteilung von regenerativer Energie schaffen und fördern.
Ziemek hat am Freitag, 10. März, seinen Rückzug als OB-Kandidat mitgeteilt. Er steht zwar noch auf den Wahlzetteln, unterstützt nun aber Kerstin Lau von der Wählervereinigung „Uffbasse“.
Prüfstein zur OB-Wahl: Wie schafft Darmstadt die Klimawende, Herr Uhl (Freie Wähler)?

„Ich sehe nicht dass ein Oberbürgermeister / Magistrat die Bürger bevormunden sollte, und - wie derzeit praktiziert - durch Verdrängung und Klientelpolitik politische Ziele unter dem Deckmantel des Klimaschutzes den Bürgen verkauft werden.“
Man lebe in einem freien Land, jeder müsse sich seiner Verantwortung bewusst sein und solle danach handeln, sagt der Kandidat der Freien Wähler. Es würden Lösungen und Ideen angeboten, die jeder für sich annehmen und nutzen könne. Bei einer gelebten und richtig umgesetzten Bürgerbeteiligung könnten auch Ziele für die Umwelt zusammen erarbeitet und erreicht werden.
Der städtische Klimaschutzplan 2035 ist unter www.darmstadt.de zu finden.
Die OB-Wahl in Darmstadt findet am 19. März statt. Eine mögliche Stichwahl ist für den 2. April angesetzt.
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