Luftalarm über Uzhhorod: OB besucht ukrainische Schwesterstadt

Darmstadts Oberbürgermeister Partsch besuchte die Ukraine. „Müssen uns an diesem Durchhaltevermögen ein Beispiel nehmen.“ Die meisten Spenden kommen aus Darmstadt.
Oberbürgermeister Jochen Partsch (Grüne) muss die Tränen unterdrücken, als er am Mittwoch vor der Presse von seinem Besuch in Darmstadts ukrainischer Partnerstadt Uzhhorod (russisch Ushgorod) berichtet, „Von allen Reisen als Oberbürgermeister war diese für mich die mit Abstand beeindruckendste und bewegendste“, sagt er.
Anlässlich einer großen Hilfslieferung des städtischen Eigenbetriebs für kommunale Aufgaben und Dienstleistungen (EAD) mit Notstromgenerator, den der Energieversorger Entega gespendet hatte, und Endoskopiegerät vom Klinikum Darmstadt – beides für die Kinderklinik in Uzhhorod – war OB Partsch alleine per Flugzeug in die Stadt im Westen der Ukraine gereist. Der Hilfstransport aus Darmstadt war bereits Tage zuvor aufgebrochen und hatte seine Fracht schon abgeliefert, als Partsch sonntags eintraf.
Während seines dreitägigen Aufenthalts habe es drei Mal Luftalarm gegeben, obwohl die Stadt an der Grenze zu Slowakei und Ungarn nicht von unmittelbaren Kampfhandlungen betroffen sei, erzählt Partsch. Es sei unheimlich gewesen. Auch die freiwilligen Fahrer des EAD, André Jeschke und Torsten Schmidt, berichten von einem mulmigen Gefühl auf ihrer Reise. „Es war das reinste Abenteuer“, sagen sie.
Für Partsch war es vor allem unglaublich zu erleben, mit welcher Kraft und Widerstandsfähigkeit die Menschen dort arbeiten und sich gegen die mutwillige Zerstörung ihres Landes durch das Putin-Regime zur Wehr setzen. „Wir müssen uns alle an diesem Durchhaltevermögen und dieser Widerstandskraft ein Beispiel nehmen“, sagt er. Uzhhorod, eine Stadt mit 120 000 Einwohner:innen, habe derzeit 28 000 Geflüchtete zu versorgen. Zum Vergleich: In Darmstadt seien es etwa 4000 Geflüchtete bei 160 000 Einwohner:innen.
Untergebracht würden die Vertriebenen zum Beispiel in einem Stockwerk einer Grundschule, deren Rektorin jetzt gleichzeitig die Geflüchtetenunterkunft leite. Dort lebten alte Menschen aus Donezk, deren Dörfer komplett zerstört seien und die keine Perspektive auf Heimkehr hätten. Familien mit kleinen Kindern wohnten seit zehn Monaten auf engstem Raum. Einen Physiklehrer aus Cherson habe er getroffen, der auf einem der Schlafplätze mit einem Laptop saß. „Er gibt seinen Schülern, die überall verstreut sind, seit zehn Monaten online Physikunterricht“, sagt Partsch. „Man spürte seine große Traurigkeit.“
Laut dem Uzhhoroder Bürgermeister Bohdan Andriyiv habe Darmstadt bisher die meiste Hilfe gesandt. Allein Entega stellte Generatoren im Wert von 400 000 zur Verfügung, wodurch viele Stromausfälle hätten überbrückt werden können. 70 Prozent der Spenden organisierte der Partnerschaftsverein Uzhhorod-Darmstadt (PVUD) von Wirtschaft und Privatleuten.
Für die seit Beginn des russischen Angriffkriegs auf die Ukraine im Februar 2022 geleistete Unterstützung nahm OB Partsch jetzt im Namen Darmstadts die „Ehrenauszeichnung des Stadtrats von Uzhhorod“ entgegen. Im Gegenzug habe er dem dortigen Stadtrat eine deutsch-ukrainische Fahne überreicht. Man habe vereinbart, künftig in den Handlungsfeldern Wissenschaft, Gesundheit und Wirtschaft weitere Kooperationen anzustoßen. Partsch will hierfür Darmstädter Unternehmen und Institutionen ins Boot holen. Denkbar seien Studierendenaustausche, eine verstärkte Zusammenarbeit auf dem Gesundheitssektor sowie ökonomische Projekte, wenn es an den Wiederaufbau gehe.
„Wir müssen uns in der Produktion unabhängiger von autokratischen Systemen machen“, betont Partsch. In der Ukraine habe er eine immense Zugewandtheit der Menschen zur EU und zu Darmstadt erlebt. Die Leute setzten große Hoffnungen in uns. „Sie kämpfen dort für unsere Freiheit.“
Passionspredigt: Am Sonntag, 12. März, spricht OB Partsch ab 10 Uhr im Rahmen eines Gottesdienstes in der Stadtkirche Darmstadt zum Thema „Der Preis der Freiheit“. Dabei wird er auch auf seine Ukrainereise eingehen.