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"Ich bin betroffen und bestürzt"

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Walter Hoffmann könnte als unabhängiger Kandidat für eine zweite Amtszeit antreten.
Walter Hoffmann könnte als unabhängiger Kandidat für eine zweite Amtszeit antreten. © Roman Grösser

Darmstadts Oberbürgermeister Walter Hoffmann hat den Rückhalt in der eigenen Partei verloren. Die SPD will ihn nicht noch einmal nominieren. Im Interview spricht Hoffmann über die Hintergründe, eigene Fehler und seine politische Zukunft.

Herr Hoffmann, wie fühlen Sie sich heute?

Nicht gut. Ich bin ziemlich betroffen, bestürzt und auch ein bisschen traurig über das Abstimmungsergebnis im SPD-Unterbezirksvorstand.

Kam das unerwartet?

Ich habe nach der Diskussion am Donnerstag vergangener Woche mit etwa hundert SPD-Mitgliedern nicht damit gerechnet.

Gab es im Vorfeld Andeutungen, dass es so kommen könnte?

Bei mir sind zumindest keine angekommen. Ich bin davon ausgegangen, dass wir offen und fair diskutieren und dass noch einmal die Argumente abgewogen werden. Aber eigentlich glaubte ich, dass man ein ermutigendes Ergebnis bekommt - sozusagen als ein Stück Aufbruch.

Woran hat es hauptsächlich gelegen, dass es anders kam?

Das zentrale Argument der Diskussion am Montagabend war meine Nichtbereitschaft, als Spitzenkandidat auf der SPD-Kommunalwahlliste zu kandidieren. Ich habe noch einmal versucht zu verdeutlichen, dass dem Charakter einer Oberbürgermeisterwahl eine solche Spitzenkandidatur widerspricht, und dass das meiner Ansicht nach viel mit Ehrlichkeit und Redlichkeit zu tun hat gegenüber dem Wähler. Man kann nicht den Eindruck vermitteln, als wenn ich in die Stadtverordnetenversammlung einziehen würde. Der Wähler wird argumentieren, dass das keine richtige Kandidatur ist, sondern möglicherweise sogar eine Täuschung. Ich muss feststellen, dass dieses Argument nicht gezogen hat, sondern man hat daraus eine Distanz gegenüber der Partei konstruiert.

Theoretisch haben Sie sicher Recht. Aber wäre es nicht doch angebracht gewesen, in dieser besonderen Situation ein Stück auf die Partei zuzugehen?

Ich bin sehr auf die Partei zugegangen. Ich habe der SPD angeboten, einen gemeinsamen Wahlkampf zu führen. Ich habe der Partei angeboten, als sozialdemokratischer Oberbürgermeister in den Wahlkampf zu gehen. Ich habe inhaltliche Zugeständnisse gemacht. Ich habe eine selbstkritische Aufarbeitung anderer Themenstellungen zugesagt. Aber als Spitzenkandidat auf die Liste zu gehen, wohl wissend, dass man eh nicht gewählt werden kann, das habe ich dann doch nicht gemacht.

Haben Sie den Eindruck, dass der Wunsch, Sie sollten die Kommunalwahlliste anführen, nur vorgeschoben war?

Das ist schwierig zu beurteilen. Bei dem einen oder anderen sicher. Das eine oder andere Mitglied hat bestimmt generelle Probleme mit meiner Politik, vielleicht auch mit meiner Person. Dann kommt dieses Argument natürlich auch gut zupass, um sich dahinter ein bisschen zu verschanzen. Ich denke, es ist eine Mischung von unterschiedlichen Begründungen.

Sie hatten versprochen, einen neuen Politikstil einzuführen. Kann es sein, dass die SPD den Eindruck hat, dass Sie am Schluss nicht mehr so offen waren für die Partei?

Das kann durchaus sein. Mir fällt es etwas schwer, das nachzuvollziehen. Es wird ja immer der Vorwurf konstruiert, ich würde mich nicht genügend abstimmen oder rechtzeitig informieren. Wir haben eine Montagsrunde, in der wir uns ständig abstimmen, fast jede Woche. Wir haben zweimal pro Woche im Durchschnitt Arbeitskreise. Es gibt viele bilaterale Gespräche. Ich denke, da läuft viel an Informationen, an Kontakten, an Verbindungen. Ich glaube nicht, dass das ein zentraler Kern der Kritik ist, sondern das ist auch etwas, bei einigen zumindest, konstruiert.

Was vermuten Sie als Kern?

Es ist ein schwieriges Rollenspiel. Man muss ein Oberbürgermeister sein für möglichst viele, möglichst für alle Darmstädter. Das bedeutet, dass man ein bestimmtes Maß an Unabhängigkeit braucht. Das entspricht auch der Philosophie einer Direktwahl. Aber man ist natürlich auch parteilich angebunden. Und diesen Spagat im produktiven Sinne hinzubekommen, da tun wir uns sehr schwer.

Wo würden Sie selbstkritische Töne anschlagen?

Ich glaube, dass ich mich zu sehr auf die Arbeitsteilung Oberbürgermeister, Partei und Fraktion verlassen habe. Im klassischen Sinne macht jeder seine Hausaufgaben und stimmt sich untereinander ab. Aber ich habe manchmal den Eindruck, dass ich alles machen soll oder viele Rollen auszufüllen habe. Das geht nicht. Ich glaube, man muss von Anfang an klar und deutlich sagen, was geht und was nicht. Der Oberbürgermeister muss mehr nach außen gerichtet sein, mehr in der Bevölkerung sein. Er muss mit den unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen in Kontakt treten und kann sich daher weniger um die Partei kümmern. Von daher braucht man auch die richtige Unterstützung und auch Absicherung.

Es gab und gibt sehr populäre Oberbürgermeister, die sich wenig um ihre Partei gekümmert haben. Christian Ude in München, Manfred Rommel in Stuttgart, Petra Roth in Frankfurt. Sehen Sie sich ähnlich?

Sie merken ja, wie selbst zaghafte Ansätze hier in Darmstadt schon sehr kritisch bewertet werden, zumindest aus Parteisicht. Ich denke, dass man die Situation nicht vergleichen kann.

Welche Konsequenzen ziehen Sie persönlich aus dieser Abstimmungsniederlage?

Im Moment ziehe ich gar keine Konsequenzen daraus. Das muss erst einmal aufgearbeitet werden.

Sie könnten auch unabhängig vom Unterbezirksvorstand beim Parteitag kandidieren.

Ja natürlich. Aber da muss natürlich auch die Bereitschaft sein, aufeinander zuzugehen. Im Moment steht dieses Abstimmungsergebnis im Raum. Das muss man erst verarbeiten.

Würden Sie sagen, das Tischtuch ist noch nicht zerschnitten?

Für mich ist das Tischtuch in der Regel nie zerschnitten. Ich denke, dass der Unterbezirksvorstand und andere noch einmal darüber nachdenken sollten, welche Konsequenzen eigentlich eine solche Entscheidung für mich als Person, aber auch für die Partei und letztlich auch für die Stadt Darmstadt mit sich bringt.

Nun ist ja die Entscheidung erst einmal gefallen. Nehmen wir an, es wird ein anderer nominiert. Müssten Sie dann noch ein Jahr als lahme Ente - lame duck, wie die Amerikaner sagen - im Amt verbringen?

Das ist natürlich nicht ganz einfach, aber ich habe heute voll durchgearbeitet. Wir haben alle Termine wahrgenommen, haben eine Menge Sachen positiv bewegt. Ich denke, das darf keine Rolle spielen.

Wäre es auch denkbar, dass Sie als unabhängiger Kandidat antreten?

Diese Möglichkeit gibt es. (ryp)

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