Geo-Naturpark: „Der Anspruch der Menschen an Wanderwege ist gestiegen“

Immer häufiger werden Wanderwege als Themenpfade angelegt. Die Geschäftsführerin des Geo-Naturpark Bergstraße-Odenwald Jutta Weber erklärt im Interview warum. Zwei neue Wege führen zu Quellen und Geistern.
Immer häufiger werden Themenpfade angelegt. Erst dieser Tage hat der Geo-Naturpark Bergstraße-Odenwald zwei neue Pfade, den Quellenweg in Neunkirchen und den Sagenpfad in Fränkisch-Crumbach, eröffnet. Reichen normale Wanderwege nicht mehr aus?
Der Anspruch hat sich definitiv verändert. Eine Kombination aus Information und Unterhaltung – das sogenannte Edutainment – ist sehr willkommen und sehr gewünscht. Das heißt, man genießt den Aufenthalt in der Natur und zugleich ist man interessiert zu erfahren, durch welchen Wald laufe ich jetzt eigentlich? Wie heißt die Quelle, die hier entspringt? Was sind das für Steine und Pflanzen? Wie ist die Landschaft entstanden? Alle diese Fragen sind virulenter als früher.
Also geht es nicht nur darum, Natur zu konsumieren?
Wir freuen uns natürlich, wenn wir die Menschen für unsere Natur und Landschaft begeistern können. Und ihnen auch vermitteln können, warum es wichtig ist, diese zu erhalten. Denn nur das, was man kennt und versteht, ist man bereit zu schützen und zu bewahren. Schließlich sind wir ja auch eine Region, die sich der Globalen Agenda 2030 mit ihren Nachhaltigkeitszielen verschrieben hat. Und letztendlich liegt es an jedem von uns, vor Ort sein kleines Stückchen beizutragen, und so können wir die Vielfalt schützen, können das Klima schonen und können uns ordentlich draußen verhalten, ohne etwas zu zertrampeln und kaputtzumachen.
Das ist vermutlich nicht nur für Kinder wichtig zu lernen ...
Genau – deshalb sind unsere Geopark-Ranger auch darauf trainiert, von der Kindergartengruppe bis zur Seniorengruppe alle Zielgruppen bei ihren Führungen zu bedienen. Denn es ist uns wichtig, den Menschen die Natur nicht nur passiv nahezubringen, sondern sie auch zu begleiten, den Kindern Dinge zu vermitteln, die sie auch als Erwachsene nicht mehr vergessen.
Hierfür sind Pfade zu lokalen geschichtlichen oder landschaftstypischen Themen naheliegend. Wer denkt sich die aber aus?
Es gibt Ideen, die in den Kommunen entstehen, andere Ideen tragen wir an die Kommunen heran. Wichtig ist, dass wir alles gemeinsam machen. Es ist eine Kombination von lokalem Wissen und fachlichem Know-how, das wir einbringen.
Wie viele Wanderwege und Geopfade betreibt der Naturpark?
Wir haben derzeit über 5000 Kilometer markierte Wanderwege. Das sind zum Teil Rundwege, die von unseren 250 Naturparkparkplätzen ausgehen und Rundwege, die in den Kommunen starten. Außerdem haben wir über 30 Geopark-Pfade.
Und wer hält diese Tausende Kilometer Wege in Schuss?
Zur Person
Dr. Jutta Weber, Jahrgang 1961, ist Geschäftsführerin des Geo-Naturparks Bergstraße-Odenwald.
Sie studierte Geologie und Paläontologie an der Universität Köln und arbeitete nach ihrer Promotion als Wissenschaftlerin und Gutachterin. 2002 wechselte sie in den Naturpark, wo sie dessen Entwicklung zum international ausgezeichneten Unesco Global Geopark maßgeblich prägte.
Sie ist Mitglied in diversen wissenschaftlichen Gremien sowie Komitees des Unesco-Programms der Globalen Geoparks. Für die Unesco berät und überprüft sie Geoparks weltweit. cka
Wir haben zu unserem festen 20-köpfigen Team noch ehrenamtliche Unterstützerinnen und Unterstützer, zum Beispiel 160 Wegemarkierer, die mindestens einmal im Jahr alle Wege kontrollieren, ob alles in Ordnung ist.
Sämtliche Wege sind auf Karten abgebildet ...
Wir unterhalten ein Set von 21 Wanderkarten im Maßstab 1:20 000, die alle zwei bis drei Jahre aktualisiert werden. Das heißt, es existiert in der ganzen Region eine einheitliche Markierung, die sich in der Landschaft, auf den Parkplatztafeln und in unseren Wanderkarten findet.
Seit Corona hat man das Gefühl, die Menschen strömen in die Natur. Wie ist Ihre Beobachtung?
Grundsätzlich kann man sagen, dass das Interesse an Natur, am Draußensein und am Bewegen im Freien in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Im Rahmen der Corona-Pandemie haben wir einen ganz starken Anstieg an Interesse für Wanderkarten und Wandertouren beobachtet und unsere Wanderparkplätze waren ebenfalls sehr stark frequentiert.
Aber viele wollen ja auch mit dem Rad in die Natur ...
Auf das Radfahren hat es genauso wie auf das Wandern einen unheimlichen Run gegeben. Auch das Thema Mountainbike hat unglaublich an Fahrt gewonnen. Da zahlt es sich aus, dass wir seit über zehn Jahren unser Streckennetz entwickelt haben. Wir haben jetzt 41 Mountainbike-Rundrouten, die gemeinsam mit Kommunen, Jägerschaft, Naturschutzbehörden und Eigentümern entwickelt wurden. Sie sind offiziell und legal und damit leisten wir einen Beitrag zur Besucherlenkung. Denn was wir nicht wollen ist, dass die Natur kreuz und quer und wild von jedem begangen und befahren wird – ohne Rücksicht auf Verluste und auf andere Nutzergruppen.
Der Geopark ist nicht nur auf kommunaler Ebene vernetzt, sondern auch international. Was ergibt sich daraus?
Mount Lushan in China ist unser langjährigster Partner. Der Austausch findet in der Umweltbildung, gemeinsamen Vorhaben oder gegenseitigen Hospitationen von Mitarbeitenden statt. So haben wir gemeinsam mit dem Internationalen Waldkunstverein in Darmstadt den allerersten Waldkunstpfad in China entwickelt – im Geopark Lushan. Eine Tafel in Darmstadt informiert über die dortigen Kunstwerke. Und im Besucherzentrum des Welterbes Grube Messel, dem nördlichen Eingangstor zum Geo-Naturpark, haben wir gerade eine Ausstellung zum Klimawandel mit dem Unesco Global Geopark Lesbos, ebenfalls langjähriger Partner. Daneben haben viele weitere Aktivitäten während der Pandemie auch online stattgefunden – sogar die Eröffnung einer neuen MTB-Strecke …
Digitalisierung spielt also auch beim Wandern eine Rolle?
Viele Pfade haben schon Audioguides, wie der Sagenpfad, der jetzt eröffnet wird. Auch im Internet haben wir einen Youtube-Channel eingerichtet. Einige Digitalprojekte sind noch in Vorbereitung. Wir merken, dass das immer gefragter ist. Natürlich sind unsere Pfade und Mountainbike-Trails (MBT) auch als GPS-Daten herunterladbar. Interview: Claudia Kabel
Auf den Spuren des Wassers: Ein weiterer neuer Themenpfad im Geo-Naturpark führt zu den Ursprüngen von vier Flüssen, die in Main und Rhein münden. Auch ein neuer Pfad rund um die Ruine Rodenstein zum Thema „Geister und Sagen“ wurde eröffnet.