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Darmstadt
Kampf gegen den Corona-Blues
- vonClaudia Kabelschließen
Der Umsonstladen des Nachbarschaftsverein in der Darmstädter Postsiedlung bleibt digital geöffnet. Auch andere Angebote passt der Verein dem Lockdown an. Das ZDF dreht eine Doku.
Der hessische Ministerpräsident bedankt sich kürzlich in einem Brief persönlich für das „herausragende Beispiel für ehrenamtliches Engagement“ zu Corona-Zeiten. Das ZDF dreht eine zweiteilige Dokumentation und jetzt erobern auch noch Hunderte Kuschel-Einhörner, -Papageien und -Eulen den Umsonstladen: Der Darmstädter Verein Zusammen in der Postsiedlung lässt sich vom Lockdown offenbar nicht bremsen.
Alles umsonst
Der Umsonstladen in der Bessunger Straße 132 in Darmstadt ist montags und samstags von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Anfragen unter Telefon 06151 / 805 592 3 oder per E-Mail an hilfe@postsiedlung.de.
Bildergalerie: www.postsiedlung.de/blog/2020/12/15/weihnachten-ohne-geld-unser-umsonstladen-to-go-bringt-schoene-dinge-kontaktfrei-vorbei/
Einhörner und andere gespendete Plüschtiere können unter einhorn@postsiedlung.de bestellt werden. cka
Für rund 8000 Bewohner:innen des Quartiers engagiert sich der 63-Mitglieder starke Verein seit vielen Jahren. Zu seinen Projekten gehören preiswerte Mittagstische für alle, die nicht alleine essen wollen, ein regelmäßig stattfindendes Quartiercafé als Treffpunkt, die Krisenhotline für Nachbar:innen, die Quartier-Quiz-Runden gegen den Wohnungsblues oder im Mai eröffnete Umsonstladen. Im Vordergrund stehen Projekte gegen die Einsamkeit, die Stärkung der nachbarschaftlichen Beziehungen und die Förderung des Natur- und Umweltschutzes im Viertel.
Deshalb setzt der Verein auch trotz Lockdown stetig sein ehrenamtliches Engagement fort. Wie Vereinsvorsitzender Bastian Ripper berichtet, wurde zum Beispiel das vorher gemeinsam stattfindende Mittagessen für Senior:innen während des Lockdowns in einen Abholdienst umgewandelt. Auch eine Bio-Kochbox habe man entwickelt. Für kleines Geld kann man sich also entweder das fertige Essen oder die Bio-Zutaten abholen. Etwa 35 Essen gingen pro Ausgabe raus. Dadurch könne es wenigstens zu einem kurzen Kontakt kommen, sagt Ripper, der selbst seit 45 Jahren in der Postsiedlung lebt und dort sogar geboren ist. Etwa ein Drittel der Bewohner:innen sei über 60, viele lebten alleine und die Einsamkeit mache doch einigen zu schaffen.
Genutzt werden die Angebote laut Ripper von mehreren Hundert Menschen. Im Sommer fänden Veranstaltungen nicht nur im Quartierladen, sondern auch davor im Freien statt.
Auch der Umsonstladen, vor dem sich bislang Schlangen bildeten, ist zwar aktuell geschlossen wie alle Geschäfte, wird aber digital weitergeführt. Gerade vor Weihnachten sei er stark nachgefragt gewesen, sagt Ripper. Eine Frau, deren Küche ausgebrannt gewesen sei, habe darüber komplett ausgestattet werden können. Eine Mutter von drei Kindern habe ihre Kinder durch den Umsonstladen reichlich beschenken und ihre neue Wohnung verschönern können. Ein kleiner Teil des mehrere Tausend Gegenstände umfassenden Sortiments auf 200 Quadratmetern Fläche wurde fotografiert und ist auf der Website des Vereins einsehbar. Ein Anruf genüge, dann werde das Wunschobjekt nach Hause geliefert – jedenfalls im Darmstädter Westen, so Ripper. Alle, die weiter weg wohnen, dürfen den Umsonstladen ebenfalls nutzen, müssen sich die Gegenstände aber abholen. Die Regale seien voll. Angeboten wird alles außer Kleidung, Möbel und Großgeräten. Gerade kam eine ungewöhnliche Spende herein: Die Darmstädter Schausteller:innen-Familie Grupe, die seit vielen Jahrzehnten eine große Losbude auf Festplätzen betreibt, hat ihre Stofftiere, die sonst als Preise gewonnen werden, gespendet. Weil keine Märkte und Feste stattfinden, waren die nagelneuen Plüschtiere über. Jetzt vergibt sie der Umsonstladen – natürlich umsonst.
Im November drehte das ZDF mehrere Tage in der Siedlung. Im Zentrum standen die Projekte gegen den Corona-Wohnungsblues und die Lebensgeschichten einzelner Bewohner:innen. Die Doku soll noch im Januar ausgestrahlt werden, so Ripper. Auch der Hessische Rundfunk hatte bereits mehrfach über die gelebte Nachbarschaftshilfe berichtet.