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Darmstadt: Die Nachfolge im Betrieb regeln

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Von: Jens Joachim

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Koehler-Trio: Bei der Darmstädter Privatbrauerei hat die Stabübergabe reibungslos geklappt.
Koehler-Trio: Bei der Darmstädter Privatbrauerei hat die Stabübergabe reibungslos geklappt. © Peter Jülich

Eine Studie der Hochschule Mainz belegt eine große Sorglosigkeit bei Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern beim Thema Unternehmensnachfolge. Aber es gibt auch Vorbilder.

Seit dem Jahr 1847 befindet sich die Darmstädter Privatbrauerei in Familienbesitz. Stets wurde die Brauerei von Mitgliedern der Familien Rummel und Koehler geleitet. Seit 2019 führen Christoph und sein Bruder Wolfgang Koehler jun. das Unternehmen in der sechsten Generation.

Ihr Vater Wolfgang Koehler sen. schreibt in seinem „Bierbuch“, das er im vorigen Jahr anlässlich des 175-jährigen Firmenjubiläums herausgegeben hat, er habe den Generationenwechsel zu seinen Söhnen „als fairer, geplanter und intensiver“ als bei seinem Vater und ihm erlebt. „Eine genaue Einarbeitung, eine genaue Arbeitsteilung und eine offizielle Vorstellung – das war mir wichtig“, sagt Koehler. Als Seniorchef loszulassen und sich „abnabeln“, wie Koehler es formuliert, sei aber „gar nicht so einfach“ gewesen.

Unternehmensnachfolge: „Paradebeispiel“ Darmstädter Privatbrauerei

Der Stabwechsel an der Spitze der Darmstädter Privatbrauerei ist nach den Worten von Martin Proba, dem Leiter des Geschäftsbereichs „Unternehmen und Standort“ bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Darmstadt-Rhein-Main-Neckar ein „Paradebeispiel“, wenn es um das Thema Unternehmensnachfolge geht.

Koehler hat sich frühzeitig mit dem Thema beschäftigt und seine beiden Söhne, die dazu bereit waren, die Familientradition fortzusetzen, rechtzeitig auf ihre Führungsaufgaben vorbereitet und ihnen nach und nach Verantwortung übertragen. Und auch der Markenexperte Günther Nessel bestätigt, dass der Generationenwechsel geradezu „genial“ gelungen sei. Das könne man „nicht besser machen“, weil es auch „eine Bereitschaft zum Dialog, aber auch zum Disput“ gegeben habe.

Studie zur Unternehmensnachfolge bei der IHK Darmstadt vorgestellt

Viele Unternehmerinnen und Unternehmer auch in Südhessen scheuen jedoch davor zurück, sich damit zu beschäftigen, wer einmal ihre Firma weiterführen soll. Die Zukunft vieler Unternehmen in der Region sei „ungewiss“. Dies zeigt auch eine aktuelle Studie der Hochschule Mainz, die unter anderem in Zusammenarbeit mit der IHK Darmstadt erstellt wurde.

Die überwiegende Mehrheit – sage und schreibe 80 Prozent – der befragten Unternehmerinnen und Unternehmer, die 55 Jahre und älter sind, hat das Thema der Unternehmensnachfolge überhaupt nicht im Blick. Selbst bei den über 65-Jährigen hat sich nur die Hälfte mit dem Thema auseinandergesetzt.

Unternehmensnachfolge: Fünf bis zehn Jahre Vorbereitungszeit

Nicht jedes Unternehmen sei „für die Ewigkeit gemacht“, aber viele verdienten es „länger zu überleben, als ihre Gründerinnen und Gründer planen“, meint Anna Rosinus, die Professorin für Betriebswirtschaftslehre, Management, Strategie und Entrepreneurship an der Hochschule Mainz ist und die Studie geleitet hat.

Eine Unternehmensnachfolge bedürfe einer sorgfältigen Vorbereitung, weswegen Unternehmerinnen und Unternehmer sich nicht erst dann mit der Übergabe beschäftigen sollten, wenn sie aussteigen wollen oder müssten. Eine Vorbereitungszeit von fünf bis zehn Jahren sollte hierbei eingeplant werden, rät Rosinus.

BERATUNGSANGEBOTE

Zum Thema Unternehmensnachfolge bietet die IHK Darmstadt kostenfreie Sprechstunden, individuelle Beratungen, eine Unternehmenswerkstatt und eine Plattform an, auf der sich Unternehmen präsentieren können, die einen Nachfolger suchen. Über das Suchwort „Nachfolge“ sind die Angebote online unter www.ihk.de/ darmstadt zu finden.

Die Beratungsangebote der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main für Mitgliedsbetriebe sind unter www.hwk-frankfurt-rhein-main.de/ unsere-beratungsangebote zu finden.

Der Verein jumpp – Frauenbetriebe e.V. bietet am Donnerstag, 23. Februar, von 13.30 bis 16.30 Uhr im HUB31 Technologie- und -Gründerzentrum HUB31 in Darmstadt, Hilpertstraße 31, sowie online eine regionale Auftaktveranstaltung des Modellprojekts „AUF – mobile Akademie Unternehmensnachfolge für Frauen“ an. Die Teilnahme ist kostenfrei, Anmeldung unter www.jumpp.de/ auf-auftakt-2023 jjo

IHK in Darmstadt und Mainz unterstützen Studie zur Unternehmensnachfolge

Für die Studie, die von den IHK Darmstadt und Rheinhessen mit Unterstützung einer Initiative der Wirtschaftskammern der Metropolregion Frankfurt/Rhein-Main begleitet wurde, wurden mehr als 30 000 Unternehmer:innen angeschrieben,

Von den 1000 zurückgesandten Antwortbögen waren Rosinus zufolge 521 verwertbar gewesen. Mehr als die Hälfte der Befragten aus diesen verwertbaren Antwortbögen seien über 60 Jahre alt gewesen. Dreiviertel der Umfrageteilnehmerinnen und -teilnehmer waren Männer.

Studie zur Unternehmensnachfolge in Darmstadt präsentiert

Was die Untersuchung auch zeigt: Je kleiner ein Unternehmen ist, desto weniger gibt es konkrete Pläne einer Nachfolgeregelung. Bei den Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten hat sich knapp die Hälfte (46 Prozent) überhaupt keine Gedanken zu einer Nachfolge gemacht, und nur 20 Prozent haben konkrete Pläne.

Das sieht bei Unternehmen mit mehr als zehn Beschäftigten anders aus. Hier geben 45 Prozent an, dass bereits konkrete Pläne existieren. Und je mehr die Unternehmer noch operativ selbst tätig sind, desto weniger finden sie die Zeit für die Nachfolgeplanung. Eine weitere Erkenntnis: Firmen mit einer Historie über mehrere Generationen hinweg – so, wie etwa die Brauereibesitzerfamilie Koehler –, sind besser auf die Nachfolge vorbereitet als Unternehmen ohne eine Familienhistorie.

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