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Corona-Protest in Darmstadt: Masken-Gegner an Schule abgewiesen - OB für Hausverbote

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Von: Jens Joachim, Claudia Kabel

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„Querdenker“ und andere Interessierte warten am Mittwoch, 21. Oktober, auf den Bus der sogenannten Corona-Info-Tour auf dem Parkplatz des Merck-Stadions am Böllenfalltor in Darmstadt.
„Querdenker“ und andere Interessierte warten am Mittwoch, 21. Oktober, auf den Bus der sogenannten Corona-Info-Tour auf dem Parkplatz des Merck-Stadions am Böllenfalltor in Darmstadt. © Michael Schick

Die Wortführer der Anti-Corona-Bewegung touren durch Deutschland. Beim Stopp in Darmstadt wollten sie im Klassenraum demonstrieren, wie schädlich der Mund-Nasen-Schutz ist.

Update vom Freitag, 23.10.2020, 18:45 Uhr: Der Darmstädter Oberbürgermeister Jochen Partsch (Grüne) hält Hausverbote an Schulen und Kindertagesstätten für notorische Masken-Gegner für notwendig. Das Stadtoberhaupt äußerte am Freitagnachmittag nach einer Sitzung des Covid-19-Krisenstabs der Stadt, es sei „nicht hinnehmbar“, dass Demonstrierende, die das Nichtanlegen eines Mund-Nasen-Schutzes propagieren, am vergangenen Mittwoch auf das Gelände der Georg-Büchner-Schule vorgedrungen seien.

OB Partsch unterstützt zugleich die Leitungen von Schulen und Kindertagesstätten, ein Hausverbot für Personen zu beschließen, „die derartigen Gruppierungen angehören“. Mit dieser Formulierung sind insbesondere Unterstützerinnen und Unterstützer der „Querdenken“-Bewegung gemeint, die die einschränkenden Corona-Maßnahmen von Bund, Ländern und Kommunen ablehnen. Bereits vor mehr als fünf Monaten hatte der Darmstädter Oberbürgermeister auf einer Kundgebung auf de Karolinenplatz Unterstützende der Bewegung als „verwirrte Geister“ bezeichnet.

Darmstadt: Schul- und Kita-Leitungen sollen Hausrecht durchsetzen

Nach Angaben der Stadt wurden die Leitungen von Schulen und Kindertagesstätten „ermächtigt, das Hausrecht durchzusetzen und die Personen (notfalls mit Hilfe der Polizei) des Geländes zu verweisen“. Vom Krisenstab der Stadt sowie vom Staatlichen Schulamt sei die Empfehlung ausgesprochen worden, das Hausrecht auch anzuwenden, um störungsfreien Unterricht und Betreuung sowie Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten.

OB Partsch: Entschlossen gegen „Querdenker“ und Masken-Gegner handeln

Der Darmstädter OB teilte ferner mit, dass er das Demonstrationsrecht für ein „hohes Gut“ und eine „Errungenschaft unserer freiheitlichen Demokratie“ halte. Wenn aber, wie dies am Mittwoch geschehen sei, „selbsternannte ‚Querdenker‘ und sonstige ‚Masken-Gegner‘ in Schulgebäude einzudringen versuchen und Schülerinnen und Schüler bedrängen und belästigen, müssen und werden wir entschlossen handeln“, äußerte Partsch entschieden.

Die Leitungen von Schulen und Kitas erhalten laut Partsch „hierfür die klare politische und auch rechtliche Rückendeckung durch die Stadt und das Staatliche Schulamt“. Ebenfalls „nicht hinnehmbar“ seien die von den Organisatoren der Bewegung oder in Internetchats auffindbare und ausgesprochene Drohungen und Beleidigungen gegen das Staatliche Schulamt, Schulen und die Polizei. „Diese werden wir in jedem Fall auf strafrechtliche Relevanz hin überprüfen“, kündigte Partsch an. Die Herausforderung durch die Covid-19-Pandemie, so Partsch, sei „insbesondere für die Schulgemeinden schwierig genug“. „Störungen und Belästigungen dürfen und werden wir daher nicht zulassen“, äußerte der OB abschließend.

Corona-Skeptiker machen Halt in Darmstadt

Erstmeldung vom Mittwoch, 21.10.2020, 18:15 Uhr: Gegen die Verwendung von Mund-Nase-Bedeckungen und die angeblich von ihnen ausgehende Gefahr für Kinder und Jugendliche haben mehrere Hundert Menschen am Mittwoch, 21. Oktober, in Darmstadt demonstriert.

Bereits zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage reisten die Wortführer der bundesweiten Corona-Skeptiker-Bewegung, Bodo Schiffmann, Samuel Eckert und Wolfgang Greulich, dafür in einem schwarzen Luxusbus an. Mit diesem sind sie derzeit auf sogenannter Corona-Info-Tour durch die Republik unterwegs. Auch Mainz und Mannheim standen am Mittwoch auf dem Programm. Weil man in Darmstadt vergangenen Sonntag so „liebevoll begrüßt worden“ sei, sei man noch einmal gekommen, sagte der Arzt und Schwindelexperte Bodo Schiffmann in weiß-roter Sanitäterkluft. Dann referierte er, dass Masken tragende Menschen häufiger an Covid-19 erkrankten als andere.

Schulen in der Region wiederholt Anlaufziel von „Querdenken“

Zuvor hatte das Publikum, vor allem Anhänger:innen verschiedener „Querdenken“-Initiativen aus Darmstadt, Wiesbaden und Frankfurt, den Bus mit österreichischem Kennzeichen am Bölle-Stadion mit lautem Jubel begrüßt. Mehrere Anwesende äußerten gegenüber der FR ihre Ängste vor den Hygienemaßnahmen. Eine Mutter sagte, sie sorge sich, weil sich ihre Tochter oft schwindelig fühle, aber aus Angst aufzufallen, trotzdem die Maske im Unterricht trage. Auf Plakaten wurde vor einem faschistischen Staat gewarnt. Es ist deshalb nicht das erste mal, dass eine Schule in das Visier der Proteste gerät. Erst vor wenigen Wochen wurde die Darmstädter Anti-Corona-Initiative Querdenker vor einer Schule in Gernsheim gestoppt.

Corona-Proteste in Darmstadt - Kollektive Maskenverweigerung

Die laut Polizei rund 200 Zuhörenden trugen durchweg keine Masken und wurden deshalb vom Veranstalter darauf hingewiesen, dass sie den Hygieneabstand einzuhalten hätten, was mehr oder weniger konsequent umgesetzt wurde. Ursprünglich sei geplant gewesen, dass ein Umweltgutachter den Kohlendioxidgehalt der Atemluft hinter der Maske eines Schülers innerhalb des Klassenraums messen sollte, sagte Chris vom „Querdenken“-Team Darmstadt der FR. Allerdings verweigerte der Schulleiter des anvisierten Georg-Büchner-Gymnasiums den Zugang zum Schulgelände. „Es ist nicht unsere Aufgabe, solche Tests durchzuführen“, sagte Rektor Christof Ganß auf FR-Anfrage.

Darmstadt: „Querdenker“ rufen zu weiteren Protesten auf

Zudem seien ihm bisher aus der Schülerschaft keine Probleme bezüglich Schwindel oder Kopfschmerzen bekannt geworden. Der Stadtschülerinnen-Rat kritisierte die Aktion der „Querdenker“. Diese riefen indes zu weiteren Protesten auf, welche unter anderem am Mittwoch (21.10.) vor dem Landratsamt Groß-Gerau und dem Darmstädter Gesundheitsamt stattfinden sollten.

Schwindelexperte Bodo Schiffmann schwört das Publikum in Darmstadt gegen Mund-Nase-Bedeckungen ein – aber die trägt hier sowieso niemand.
Schwindelexperte Bodo Schiffmann schwört das Publikum in Darmstadt gegen Mund-Nase-Bedeckungen ein – aber die trägt hier sowieso niemand. © Michael Schick

Am Sonntag hatte der IT-Unternehmer Wolfgang Greulich auf dem Darmstädter Messplatz vor rund 500 Zuhörenden „Journalisten und Schmierfinken“, die den Niedergang der Demokratie mit ihrem „Dreck“, den sie schrieben, unterstützten, gewarnt: „Es wird ein neues System geben (…) und mit euch räumen wir als Erstes auf.“ Bei der Veranstaltung am Mittwoch in Mainz verlangte die Polizei einen Hygieneabstand von drei Metern, worauf sie in Internetkommentaren zum Livestream als „Merkel-SS“ beschimpft wurde. (Claudia Kabel)

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