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Bombenentschärfung mit viel Respekt, aber ohne Angst

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Verschiedene entschärfte Bomben und ein Warnschild liegen im Büro des Leiters des Kampfmittelräumdienstes des Landes Hessen.
Verschiedene entschärfte Bomben und ein Warnschild liegen im Büro des Leiters des Kampfmittelräumdienstes des Landes Hessen. © dpa

Dem Kampfmittelräumdienst beim Regierungspräsidium in Darmstadt geht Arbeit auch fast 80 Jahre nach Kriegsende nicht aus.

Im Schnitt ist es alle zwei Wochen so weit: Dem Kampfmittelräumdienst beim Regierungspräsidium in Darmstadt wird eine Weltkriegsbombe gemeldet, die Maschinerie beginnt zu laufen. Zunächst schaut sich ein Trupp die Bombe genauer an – wie groß und in welchem Zustand ist sie? Das Wichtigste: Wie sieht der Zünder aus?

„Das war zum Beispiel letztes Jahr bei dem großen Bombenfund in Frankfurt ein Problem“, erinnert sich Alexander Majunke, seit Juli 2022 der Leiter des für ganz Hessen zuständigen Kampfmittelräumdienstes. Denn die wichtigste Frage konnte zunächst nicht beantwortet werden, da die Bombe mit Dreck verkrustet war und erst vorsichtig gesäubert werden musste.

Das war nicht das Einzige, was den Einsatz damals für Majunke und seine Kollegen ganz besonders gemacht hat. Auch die Auswirkungen waren enorm. So lag die 500 Kilogramm schwere und mit 145 Kilogramm Sprengstoff gefüllte US-Fliegerbombe im dicht besiedelten Innenstadtgebiet, es wurde in einem Radius von einem Kilometer evakuiert, rund 20 000 Menschen mussten ihre Wohnungen verlassen. Für den Fall einer kontrollierten Sprengung standen 500 Tonnen Sand und 46 000 Liter Wasser parat. Majunke machte sich im Beisein eines Kollegen an das Entschärfen des Aufschlagzünders. Hätte das nicht geklappt, hätte die Fliegerbombe kontrolliert gesprengt werden müssen.

„Angst hatte ich dabei nicht, aber wie immer Respekt“, erklärt der Bombenexperte. Er hatte schon in seiner Bundeswehrzeit mit Sprengstoff zu tun gehabt, dem Metier wollte er treu bleiben und ging zum Kampfmittelräumdienst. Im Jahr 2006 entschärfte er seine erste Bombe. „Das war in einem anderen Bundesland.“ Mehr sagt er nicht dazu.

Auch bei anderen Themen wird der 45-Jährige schnell zurückhaltend, schließlich sollen keine Interna verraten werden. Über die ungewöhnlichen Dekoartikel in seinem Büro redet der in Nordhessen lebende Familienvater jedoch gerne. Rechts am Eingang liegen einige kleinere Bomben, dahinter steht ein knallrotes Schild mit der schwarzen Aufschrift „Explosiv“. Auf dem Regal liegen unter anderem Munition und Granaten, alles ist natürlich ungefährlich.

Doch Majunke beschäftigt sich nicht nur mit dem Entschärfen von Bomben, sondern zum Beispiel auch mit der Auswertung von Luftbildern. Denn es gibt immer mehr Anfragen von Bauherren, die wissen möchten, ob auf ihrem Grundstück gefährliche Hinterlassenschaften aus dem Zweiten Weltkrieg liegen könnten.

Die Suche vor Ort übernehmen die Mitarbeiter:innen von privaten Kampfmittelräumdiensten. „Sie sammeln zum Beispiel Munition ein und informieren die staatlichen Stellen, wenn eine Bombe gefunden wurde“, berichtet der Ausbildungsleiter der Sprengschule der Deutschen Feuerwerker Ausbildungs- und Beratungsgesellschaft im rheinland-pfälzischen Bad Marienberg, Siegfried Illgner. Weitere Schulen gibt es bundesweit in Sachsen, Bayern und Mecklenburg-Vorpommern.

Wie viele Bomben sich immer noch im hessischen Boden befinden, ist nicht bekannt. Die Zahl der gefundenen Blindgänger hat sich seit Jahren kaum geändert, letztes Jahr waren es 24 gewesen. Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 10 bis 30 Prozent der im Krieg abgeworfenen Bomben nicht explodiert sind. Dass sie nun schon seit fast acht Jahrzehnten in der Erde liegen, macht die Arbeit der Bombenentschärfer riskanter.

Der Sprengstoff ist unter Umständen noch gefährlicher geworden, zudem setzt die Korrosion dem Material zu. Besonders schwierig wird die Entschärfung, wenn der Zünder nicht mehr richtig zu erkennen ist. Zudem sind Selbstdetonationen zwar äußerst selten, aber möglich. So explodierte im Sommer 2019 nahe Limburg eine Fliegerbombe, die vier Meter tief im Boden lag. Sie riss ein riesiges Loch in den Acker, verletzt wurde niemand.

Auch die Bombenentschärfungen gehen in aller Regel glimpflich aus, selbstverständlich ist das trotzdem nicht. „Im Jahr 1990 sind der damalige Leiter des Kampfmittelräumdienstes und sein Stellvertreter beim Versuch, eine Fliegerbombe zu entschärfen, ums Leben gekommen“, sagt Majunke. Er selbst sei bei den Entschärfungen hochkonzentriert, fühle sich wie in einem Tunnel. „Wie groß die Anspannung war, merke ich erst, wenn alles vorbei ist.“

Alexander Majunke, Leiter des Kampfmittelräumdienstes des Landes Hessen beim Regierungspräsidium Darmstadt, steht im Hof des Regierungspräsidiums mit einer zu Schulungszwecken entschärften und entleerten Brandbombe.
Alexander Majunke, Leiter des Kampfmittelräumdienstes des Landes Hessen beim Regierungspräsidium Darmstadt, steht im Hof des Regierungspräsidiums mit einer zu Schulungszwecken entschärften und entleerten Brandbombe. © dpa
Alexander Majunke erläutert die Funktionsweise eines amerikanischen Langzeitzünders.
Alexander Majunke erläutert die Funktionsweise eines amerikanischen Langzeitzünders. © dpa
Verschiedene Zünder von entschärften Bomben liegen im Büro des Leiters des Kampfmittelräumdienstes des Landes Hessen beim Regierungspräsidium Darmstadt.
Verschiedene Zünder von entschärften Bomben liegen im Büro des Leiters des Kampfmittelräumdienstes des Landes Hessen beim Regierungspräsidium Darmstadt. © dpa
Alexander Majunke, Leiter des Kampfmittelräumdienstes des Landes Hessen beim Regierungspräsidium Darmstadt, im Hof des Regierungspräsidiums.
Alexander Majunke, Leiter des Kampfmittelräumdienstes des Landes Hessen beim Regierungspräsidium Darmstadt, im Hof des Regierungspräsidiums. © dpa
Schlagbolzen für den Zünder einer Bombe, die im Hintergrund zu sehen sind.
Schlagbolzen für den Zünder einer Bombe, die im Hintergrund zu sehen sind. © dpa
Alexander Majunke, der Leiter des des beim Regierungspräsidium Darmstadt angesiedelten Kampfmittelräumdienst des Landes Hessen, sitzt hinter einem Zünder einer Bombe, die im Jahr 2017 in der Wismarer Straße in Frankfurt entschärft wurde.
Alexander Majunke, der Leiter des des beim Regierungspräsidium Darmstadt angesiedelten Kampfmittelräumdienst des Landes Hessen, sitzt hinter einem Zünder einer Bombe, die im Jahr 2017 in der Wismarer Straße in Frankfurt entschärft wurde. © dpa

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