OB-Wahl-Analyse: Benz siegt in fünf von neun Stadtbezirken von Darmstadt

Der SPD-Politiker Hanno Benz, Sieger der sonntäglichen Oberbürgermeisterwahl, gewinnt in bisher grün und schwarz dominierten Darmstädter Stadtteilen. Dennoch wählten ihn weniger als 20 Prozent der Bevölkerung.
Hanno Benz, der ehemalige Vorsitzende der Arheilger SPD, hat sich in der Oberbürgermeisterwahl insgesamt betrachtet gleich gegen drei amtierende Dezernenten von Grünen, CDU und Volt durchgesetzt. Und das, ohne in jüngster Zeit eine tragende Rolle in der Stadtpolitik gespielt zu haben. Er hatte nach dem schlechten Wahlergebnis der SPD bei der Kommunalwahl 2016 sein Amt als Stadtverordneter nicht angetreten, war nur in Arheilgen SPD-Chef geblieben.
Offenbar konnte Benz mit seinen Themen eine Wählerschaft mobilisieren, die sich schon länger über bestimmte Dinge in der Stadt aufregte. So etwa die Verkehrspolitik, wo gerade zugunsten von Radfahrenden Pop-up-Radwege aus dem Boden gestampft wurden, die Parkraumbewirtschaftung, der Wegfall von Parkplätzen oder der Bau der umstrittenen Lichtwiesenbahn, für die Bäume in einer beliebten Grünanlage gefällt wurden. Da kam die Ankündigung von Benz, er wolle als OB dem bisherigen Verkehrsdezernenten und Kontrahenten Kolmer das Dezernat entziehen, womöglich gerade recht.
OB-Wahl Darmstadt: Gingen Wahlempfehlungen von CDU und Volt ins Leere?
Auch die Funktionalität von Behörden – etwa lange Wartezeiten in der Ausländerbehörde – könnte eine Rolle gespielt haben. Möglicherweise zeigt die niedrige Wahlbeteiligung von 39 Prozent – fast zehn Prozent weniger als beim ersten Wahlgang –, dass die Anhänger:innen von Kolmer davon ausgingen, dieser werde als Favorit sowieso gewählt. Es könnte aber auch sein, dass viele Darmstädter:innen von keinem der beiden Bewerber überzeugt waren und deshalb gar nicht wählen gingen. Daran konnten offenbar auch Wahlempfehlungen der Koalitionspartner CDU und Volt für Kolmer nichts ändern.
Ein Blick in die Zahlen aus den 154 Darmstädter Wahlbezirken, die in neun Stadtbezirke gegliedert sind, zeigt, dass Benz seinen Stimmenanteil nicht nur in den Bereichen behaupten und ausbauen konnte, in denen er bereits stark gewesen war – also Arheilgen, Wixhausen und im Westen – sondern sich auch in Kranichstein durchsetzte, wo zuvor Kolmer einen großen Rückhalt genossen hatte. Eberstadt, wo zuvor CDU-Kandidat Paul Georg Wandrey Stärkster gewesen war, ging ebenfalls an Benz. Den Norden – hier hatte Kerstin Lau von Uffbasse besonders gepunktet – gewann dagegen Kolmer, und außerdem, wie im ersten Wahlgang, die Innenstadt und Bessungen. Im Osten, wo er im ersten Wahlgang vorne gelegen hatte, konnte sich Kolmer nur mit minimalem Vorsprung behaupten. An Benz gingen fünf von neun Stadtteile.
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Es war nicht der erste Versuch der SPD, das Oberbürgermeisteramt, das sie von 1945 bis 2011 besetzte, von den Grünen zurückzuerobern. Bereits 2017 hatte Michael Siebel, heutiger SPD-Fraktionsvizechef, Jochen Partsch (Grüne) herausgefordert. Dieser hatte jedoch damals bereits im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit geholt und war mit Rückenwind in seine zweite Amtszeit gestartet. Es sei immer schwieriger, gegen einen Amtsinhaber zu bestehen, sagte Siebel der FR. Jetzt seien jedoch „die Karten neu gemischt“ worden. Dass Hanno Benz Sohn des Darmstädter Ex-OB Peter Benz ist, der von 1993 bis 2005 die Stadt regierte, hat nach Ansicht von Siebel indes keine wesentliche Rolle gespielt.
Amtsinhaber Jochen Partsch (Grüne), der noch bis Juni tätig sein wird, wirkte am Wahlabend sehr frustriert. Dennoch sei es „kein Fehler“ gewesen, nicht noch einmal anzutreten, sagte er. Er hatte vergangenes Jahr überraschend angekündigt, dass er nicht mehr zur Wiederwahl antrete.
Ehemalige Grünen-Bundestagsabgeordnete: „Meine Angst ist, dass in den nächsten Jahren eher nichts passieren wird.“
Seine Ehefrau Daniela Wagner, ehemalige Bundestagsabgeordnete der Grünen, sagte, mit der Wahl von Benz hätten die Wähler:innen auf „ganz alte Konzepte zurückgegriffen“. Sie befürchte, dass parteipolitische Ziele vor inhaltlichen Zielen stünden. In den vergangenen Jahren habe sich unter Führung der Grünen „wahnsinnig viel“ in Darmstadt bewegt. „Meine Angst ist, dass in den nächsten Jahren eher nichts passieren wird.“
Die Satirepartei „Die Partei“ spielte auf die geringe Wahlbeteiligung an: „Weniger als 20 Prozent der Bevölkerung haben Benz gewählt. Trotzdem reicht das aus, dass er sich OB nennen darf“, sagte Mario Pingel. CDU-Fraktionschef Roland Desch erklärte gegenüber der FR, Grundlage der Arbeit der CDU-Fraktion sei und bleibe der vom CDU-Parteitag beschlossene Koalitionsvertrag mit den Grünen und Volt vom Sommer 2021. Es sei zuvorderst die Aufgabe des neu gewählten Oberbürgermeisters, eine konstruktive Zusammenarbeit im Magistrat und mit den Mehrheitsfraktionen im Stadtparlament zu ermöglichen.
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Transparenzhinweis: Daniele Wagner ist seit 2021 kein Mitglied des Bundestages mehr. Dies haben wir geändert.