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A49-Ausbau
Dannenröder Forst: Klavierklänge kontra A49 und Polizei
- vonJutta Rippegatherschließen
Im Dannenröder Forst gibt Starpianist Levit ein Konzert, während die Polizei weiter räumt.
Dannenrod - Am Freitag rückte die Polizei mit sieben Hebebühnen an, um die Räumung des Baumhausdorfs „Oben“ fortzusetzen. Es war das letzte Dorf und gleichzeitig das älteste im Dannenröder Forst, der seit Herbst vorigen Jahres besetzt ist. Eine große Zahl von Menschen zeigte am Freitag ihre Solidarität. „Heute gibt es sehr viele Proteste im Wald“, sagte Sema, einer der Waldbesetzer, mit dem die Frankfurter Rundschau am frühen Nachmittag sprach. Die Leute machten Musik, sängen Protestlieder und unterstützten mit Durchhalteparolen die Aktivist:innen in den Bäumen.
Sogar ein schwarzes Klavier stand am Vormittag im Wald, direkt dahinter ein Zaun mit Stacheldraht, der die bereits gerodete, kahle Fläche abgrenzte, auf der sich gefällte Bäume stapelten. Begleitet von der Klimaaktivistin Luisa Neubauer und mit Unterstützung von Greenpeace hatte der Starpianist Igor Levit am Vormittag an der Schneise ein Solidaritätskonzert gegeben, das über 18 Funklautsprecher übertragen wurde. „Das war ein sehr eindrucksvoller Moment“, sagte Sema. Ein „Riesenkontrast“ zu dem Radau der Harvester, die einen jahrhundertalten Baum nach dem anderen niedermachten. Zum Piepen der Hebebühnen und dem Kreischen der Kettensägen.
Es sei ein trauriger Anlass, aber „trotzdem ein Geschenk und ein Glück für mich, hier sein zu können“, sagte der Künstler. Sein Instrument stand dort, wo die Trasse der Autobahn 49 entlangführen soll. Er spielte den irischen Folksong „Danny Boy“ in Anlehnung an den „Danni“, wie die Umweltschützer den Dannenröder Forst nennen.
Dannenröder Forst: Aktivist:innen erproben neue Form des Zusammenlebens
Es folgten ein improvisiertes Stück und eines, das ein befreundeter amerikanischer Jazzpianist während der Corona-Beschränkungen im Frühjahr für ihn geschrieben hat. Es trägt den Titel „Trees“, Bäume. „In diesem Moment“, sagte Levit, bekomme es „etwas unglaublich Tragisches“. Traurig fühlt sich auch Sema, der junge Aktivist. Gleichzeitig glücklich, weil er im Waldcamp eine neue Form des Zusammenlebens erproben konnte, die bei künftigen Besetzungen gewiss eine Fortsetzung erfahre. „Hier ist so viel Schönes entstanden.“
Nach vorne schauen ist seine Devise. In den vergangenen Wochen konzentrierte sich alles darauf, die Bäume zu verteidigen. Jetzt geht es wieder um Grundsätzliches. Darum, wie eine für die jungen Leute lebenswerte klimagerechte Welt auszusehen hat. Um drängende Fragen wie die nach einer Verkehrspolitik, für die nicht noch einmal ein Jahrhunderte alter Wald wie ihr „Danni“ fallen muss.
Polizei: Abschluss der Rodungen im Dannenröder Forst steht bevor
Darum, wie es weitergeht, denn es ist ein großes Netzwerk entstanden. „Wir wollen reflektieren, wie die Besetzung gelaufen ist, und neue Erkenntnisse daraus gewinnen.“ Wie vor der Räumungphase wird es viele Workshops geben, Angebote zum Wissenstransfer. Auch wenn die Bäume für die Schneise gefallen seien, werde sich jetzt nicht alles auflösen, sagte Sema. Das Camp im Dannenröder Wald sei bis Ende Februar angemeldet.
Insgesamt müssen für den Weiterbau der A49 zwischen Kassel und Gießen 85 Hektar Wald gerodet werden. Auf Twitter teilte die Polizei am Freitag mit, dass der Abschluss der Rodungen bevorstehe. Im Wald befänden sich noch etwa fünf bis sechs Baumhäuser, sagte ein Umweltschützer, der in einer örtlichen Vogelschutzgruppe aktiv ist. (Jutta Rippegather mit epd)