Crowdfunding für Bildband: Eine kurze Geschichte der Pandemie

Mehr als 50 professionelle Fotografinnen und Fotografen haben ihre besten Reportagebilder aus der Coronapandemie gesammelt –daraus soll nun ein Bildband werden.
Stille Straßen ohne Feiernde. Einsame Wanderungen. Die Angst, mit einem Husten aufzuwachen. An was aus dieser seltsamen Zeit der Corona-Pandemie werden wir einmal zurückdenken? Ein wolkenloser Himmel ohne Kondensstreifen – oder die leer gehamsterten Regale ohne Mehl, Hefe und Toilettenpapier? Vermutlich wird die Erinnerung an diese eigenartigen Zeiten bald verzerrt und verklärt sein, das menschliche Gedächtnis ist da ja trügerisch, und schon jetzt beginnt alles zu verschwimmen.
Dabei scheint die Zeit der Schulschließungen und Reiseverbote doch gerade erst vorüber und liegt doch schon unendlich weit zurück. Für professionelle Fotografinnen und Fotografen war es eine schwere Zeit – „Plötzlich waren alle Aufträge weg“, sagt etwa die freiberufliche Fotografin Valeska Achenbach im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau –, aber auch eine hochinteressante. Motive gab es ja quasi nebenan in Hülle und Fülle.
Der Bad Vilbeler Fotograf Andreas Varnhorn beispielsweise zog gleich zu Beginn der Pandemie durch Frankfurter Einkaufsmeilen wie die Schweizer oder die Berger Straße, sprach mit frustrierten Friseuren und verzweifelten Einzelhändlerinnen und fing die traurige Atmosphäre der Leere in einer Bildreportage ein. Ja, das ist wirklich erst drei Jahre her, man kann es kaum glauben.
Wie Varnhorn und Achenbach ging es vielen Kolleg:innen, die im Berufsverband Freelens organisiert sind. Zahlreiche ergreifende, traurige, witzige, nachdenkliche Aufnahmen haben sie in den vergangenen drei Jahren gemacht. Das ist ein faszinierendes Stück Erinnerung, ja sogar schon ein Stück Geschichte, und es wäre schade, das in den Schubladen verschwinden zu lassen. Mehr als 50 Bildjournalist:innen, viele von ihnen aus dem Rhein-Main-Gebiet, haben sich nun zusammengetan und ihre besten und sprechendsten Fotografien aus der Pandemiezeit ausgewählt.
Das Buchprojekt
Mehr als 50 Fotografinnen und Fotografen, die im Berufsverband Freelens organisiert sind, haben ihre in der Coronapandemie entstandenen Bildreportagen nach besonders starken Stücken durchgesehen. Viele leben im Rhein-Main-Gebiet.
Aus dieser Auswahl soll ein Bildband über die Coronajahre 2020 bis 2022 entstehen. Das Konzept steht, kuratiert wird das Buch vom Kurator Wolfgang Zurborn. Als Erscheinungsdatum ist die Frankfurter Buchmesse im Oktober angepeilt. Beraten wird Zurborn von fünf Foto-Profis, unter anderem von Andreas Varnhorn aus Bad Vilbel und der Hamburger Fotografin Valeska Achenbach, die – wie alle beteiligten Fotograf:innen – ehrenamtlich an diesem Herzensprojekt mitarbeiten.
Weil kein Verlag bereit war, das finanzielle Risiko für den umfangreichen Bildband zu tragen, soll er nun über eine sogenannte Crowdfunding-Kampagne finanziert werden. Das heißt, dass nun unter www.startnext.com/ bildband Sponsor:innen gesucht werden. Das Buch soll etwa 50 Euro kosten, daneben gibt es auch noch die Möglichkeit, einzelne Fotografien als signierte Edition für 100 Euro zu erwerben. Das Geld kommt ebenfalls dem Projekt zugute. Insgesamt 32 000 Euro hoffen die Herausgeber:innen bis zum 19. März sammeln zu können. aph
„Mir ist das ein absolutes Herzensprojekt“, sagt Achenbach. Sie ist eine der fünf Herausgeberinnen für einen geplanten Bildband, für den alle Beteiligten brennen und für den sie und Varnhorn, der ebenfalls einer der Herausgeber ist, nun mittels einer Crowdfunding-Kampagne Geld sammeln (siehe Infobox). „Als wir begannen, über unser Buchprojekt zu reden, wussten wir noch nicht, dass am Ende so eine Kampagne stehen würde“, berichtet Varnhorn, der sich hier wie auch Achenbach ehrenamtlich engagiert. „Uns ist das wirklich wichtig“, betont er.
Alle beteiligten Fotograf:innen verzichten für das Buchprojekt auf ein Honorar, etliche haben signierte Fotografien zur Verfügung gestellt, die verkauft werden sollen. Auch das käme dem Buch zugute. Besonders gefalle ihr die Vielfalt der Arbeiten, sagt Achenbach. „Das sind Geschichten, die teilweise sehr privat sind, die von Leben und Tod erzählen“, sagt sie. Verblüffend sei doch, wie leicht und luftig manche Bilder von einer sehr ernsten Sache erzählten.
Knapp 9000 von erhofften 32 000 Euro sind bei der Sammlung zur Verwirklichung von „Call it Corona“ bisher zusammengekommen. Bis zum 19. März läuft die Frist, dann entscheidet sich, ob dieses Pandemie-Geschichtsbuch verwirklicht werden kann. Falls das Projekt scheitert, werden die Spenden zurückgezahlt. Es wäre jammerschade – denn vergessen sollte man diese Zeit nicht.