Bunte Liebe gegen braune Hetze

Vielstimmiger Aufruf in Frankfurt zum Widerstand gegen Rassismus und Intoleranz
Nie vergessen! Es ist die Losung, die über der Gedenkstunde auf dem Rathenauplatz mitten im pulsierenden Leben in der Frankfurter Innenstadt steht. Nie sollen die Namen der neun Opfer vergessen sein, deren Leben in einer Nacht drei Jahre zuvor binnen sechs Minuten ausgelöscht wurden. Mitten in Hanau, Zufallsopfer einer Tat, die kein Zufall war. Nie soll diese Tat vergessen werden, die unermessliches Leid über die Familien und Freund:innen der Opfer gebracht hat. Die Namen der acht Männer und einer Frau werden vor und nach einer Schweigeminute in der lärmenden City mehrfach verlesen. Sie stehen „für einen Moment, den es nicht geben sollte“, so umschreibt Hilime Arslaner jene „brutale Hasstat“ vom 19. Februar 2020.
Die Stadtverordnetenvorsteherin mit Wurzeln in der Türkei eröffnet die Kundgebung zum dritten Jahrestag der Mordnacht von Hanau mit rechtsradikalem Hintergrund. Die Opfer: Menschen mit Migrationsgeschichte. „Es ist gut, dass die gesamte Stadtgesellschaft heute hier ist“, sagt Jumas Medoff, der Vorsitzende der Kommunalen Ausländerinnen- und Ausländervertretung (KAV). Denn neben Gedenken und Erinnerung und dem Bekenntnis zur Solidarität mit den Hinterbliebenen gehe es darum, dass die Menschen „in der internationalen Stadt Frankfurt gemeinsam weiterkämpfen“.
Gegen jegliche Form von Rassismus, gegen eine Spaltung der Gesellschaft, gegen Intoleranz und für eine „offene, tolerante, vielfältige Gesellschaft“, sagt KAV-Mitglied Mustapha Lamjahdi, Dieser Gedanke eint alle Rednerinnen und Redner, die OB-Kandidat:innen Manuela Rottmann (Grüne), Mike Josef (SPD) und Uwe Becker (CDU), Daniela Mehler-Würzbach (Linke) und Stadträtin Eileen O’Sullivan (Volt), den Vorsitzenden des Landesausländerbeirats Enis Gülegen und Dieter Bahndorf von der Initiative „Aufstehen gegen Rassismus“. Zum Ausdruck bringen sie den Leitgedanken alle auf ihre persönliche Art.
Mit der Kundgebung auf dem Platz, der einem Mordopfer nationalistisch-antisemitischen Terrorismus gewidmet ist, wollten die KAV als Veranstalter und alle Redner:innen ein starkes Signal gegen Rassismus, Hass und Gewalt aussenden und zur Stärkung der Menschenrechte, der Demokratie und der interkulturellen Verständigung aufrufen. „Wir brauchen eine Gesellschaft, die endlich aufwacht, wir dürfen diese Spaltung nicht zulassen“, wurde mehrfach gefordert. Und das Zusammenstehen für Vielfalt, Akzeptanz und Toleranz.
„Wir tragen Verantwortung für das, was wir tun und was wir unterlassen“, sagte der Imam Ahmad Badaoui. Auch wenn viele Fehler bei der Aufarbeitung der Hanauer Morde gemacht worden seien und „viel Vertrauen zerstört worden“ sei, sagte Mehler-Würzbach. Eileen O’Sullivan rügte die „katastrophale Aufklärungsarbeit“ bei der Aufarbeitung der Morde und sprach vom „Versagen der hessischen Polizei“.
Der Mörder hat keinen Namen an diesem Nachmittag auf dem Rathenauplatz. Einen „feigen, von Hass erfüllten Rechtsterroristen“ nennt ihn Uwe Becker, der Staatssekretär für Bundes- und Europaangelegenheiten. „Das Gedenken ist Mahnung, wir müssen aufstehen, wo immer der Hass aufkeimt.“ Und nicht immer von Einzeltätern sprechen. Es sei das „Klima“, das den Hass schüre, am Anfang stehe immer das Wort. Frankfurt aber sei „bunt und vielfältig und deswegen stark“, es gehe darum, „der braunen Hetze Liebe entgegenzusetzen“. Eine Botschaft, der sich Mike Josef nahtlos anschloss. „Unsere Liebe ist stärker als euer Hass“, dies sei die Botschaft des Tages gegenüber jeglichem rassistischen Gedankengut.
Es sind kaum 100 Menschen auf dem Platz vor der Bühne, mit den zufälligen Passanten, die sich dazugesellen, vielleicht ein paar mehr. Aber viele Tausende, die drum herum auf den Straßen und Plätzen für ein buntes, vielfältiges, gemeinsames internationales Leben stehen.


