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Ausstellung zum rassistischen Anschlag in Hanau: Wut in der Stimme

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Keine Ausstellung zum Durchhuschen: „Drei Jahre Erinnerung und Aufklärung“. David SchecK (2)
Keine Ausstellung zum Durchhuschen: „Drei Jahre Erinnerung und Aufklärung“. David SchecK (2) © David Scheck

Eine Ausstellung zum rassistischen Anschlag in Hanau zeichnet die Ereignisse, Versäumnisse und den Kampf der Hinterbliebenen nach.

Ausstellungen im Neustädter Rathaus sind weder etwas Neues noch Ungewöhnliches. Und doch trifft beides auf das zu, was dort seit Mittwoch zu sehen ist. „Drei Jahre Erinnerung und Aufklärung“ lautet der Titel der Ausstellung anlässlich des bevorstehenden dritten Jahrestages des rassistischen Anschlags vom 19. Februar 2020.

Sie ist ein Kooperationsprojekt des Ermittlungsinstituts Forensic Architecture/Forensis, der Initiative 19. Februar Hanau, dem Haus der Kulturen der Welt in Berlin und dem Frankfurter Kunstverein mit Unterstützung der Stadt Hanau, des Kulturfonds Frankfurt Rhein-Main und der Bundeszentrale für politische Bildung und war zuvor in Berlin und in Frankfurt zu sehen.

Es sind keine Gemälde, keine Fotografien, wie man sie sonst im historischen Ambiente des Neustädter Rathauses geboten bekommt. Stattdessen handelt es sich um zwei Dokumentationen: Zum einen werden in einer Zeitleiste sowie in Videorekonstruktionen detailliert die Tatnacht und dabei insbesondere die Fehler und Versäumnisse der Polizei thematisiert. Der zweite Teil der Ausstellung zeichnet den Kampf der Angehörigen, Überlebenden und ihrer Unterstützer um Erinnerung und Aufklärung nach.

Aufklärung – das Wort ist nicht nur Teil des Ausstellungstitels, sondern auch zentrales Leitmotiv der Initiative 19. Februar und der Opferangehörigen. Denn „Hanau“ heißt laut der Initiative heute auch: Wer glaubt noch der Polizei, der Staatsanwaltschaft oder einem Innenminister?

Der Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags, das wird auch an diesem Vormittag schnell klar, wird die Hoffnungen der Hinterbliebenen auf restlose Aufklärung und vor allem auf Konsequenzen nicht erfüllen. Die Familien der Opfer sind zur Ausstellungseröffnung gekommen, einige sprechen ein paar Worte. Çetin Gültekin, dessen Bruder Gökhan ermordet wurde, Niculescu Paun, dessen Sohn Vili Viorel am 19. Februar 2020 sein Leben verlor, weil er den Attentäter bis nach Kesselstadt verfolgt hatte – man hört die Frustration, die Wut aus ihren Stimmen, ihre Reden sind eine Anklage. Auch das macht diese Vernissage so ungewöhnlich.

Said Etris Hashemi, dessen Bruder Said Nesar in der Arena-Bar getötet und der selbst angeschossen wurde, sagt, es sei wichtig, dass die Ausstellung nun in Hanau, im Herzen der Stadt, zu sehen sei. Sie zeige „alles, was bisher bekannt ist“. Und nach wie vor komme Neues hinzu. Während er am Rednerpult spricht, kann man ihn in einer Videoinstallation sehen und hören. Wie andere Überlebende und Angehörige spricht er darin die Worte nach, die er vor dem Untersuchungsausschuss in Wiesbaden ausgesagt hat.

Allein dafür, sich diese Videos sowie die detaillierte Rekonstruktion der Ereignisse in der Arena-Bar anzusehen, brauche man eine Stunde, sagt Hagen Kopp von der Initiative 19. Februar Hanau. Doch auch für die sehr umfangreichen Zeitleisten sollten sich die Besucher die nötige Zeit nehmen. Es ist eben keine Ausstellung, durch die man „durchhuschen“ könne wie bei anderen, betont auch Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) bei der Eröffnung.

Sie hätten bereits Anfragen von Schulklassen vorliegen, berichtet Newroz Duman von der Initiative. Und sogar Polizisten hätten ihr Interesse bekundet, sich die Ausstellung anzusehen. Bis zum 18. März haben sie Gelegenheit dazu.

Die Ausstellung „Drei Jahre Erinnerung und Aufklärung“ kann bis zum 18. März täglich im Foyer des Neustädter Rathauses, Am Markt 14–18, von 10 bis 17 Uhr bei freiem Eintritt besichtigt werden. Führungen mit Angehörigen und Überlebenden sind in Planung. Schulklassen und Gruppen können auch außerhalb der Öffnungszeiten einen Termin per E-Mail an info@19feb-hanau.org vereinbaren.

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