Anschlag von Hanau: „Wir werden weiter kämpfen“

Beim Hanau-Gedenken in der Bildungsstätte Anne Frank fordern die Angehörigen Solidarität und ein Mahnmal auf dem Marktplatz.
Rassismus ist nach wie vor allgegenwärtig. Wir werden ausgeschlossen, getötet, gehasst“, sagt Serpil Temiz Unvar. „Aber ich weiß, dass die Mehrheit der Öffentlichkeit dagegen ist.“ Vor allem junge Leute wollten eine andere Zukunft und müssten unterstützt werden. „Wir haben uns auf den Weg gemacht, damit unsere Kinder nicht umsonst getötet wurden. Wir werden weiter kämpfen, bis keiner mehr wegen seiner Herkunft oder ethnischen Zugehörigkeit ermordet wird.“
Der Saal war voll und die Solidarität groß, als Serpil Temiz Unvar, Mutter der ermordeten Ferhat, am Donnerstagabend in der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt sprach und „zivilgesellschaftlichen Druck“ forderte, damit Politik und Behörden handeln müssen. Drei Jahre nach dem Terroranschlag von Hanau hatte die Bildungsstätte zu einem Gedenkabend eingeladen, der auch dem 2019 verübten Anschlag von Halle galt.
„Wo ist die Gerechtigkeit?“
Bei der von Aisha Camara moderierten und von Özgur Murat und Mehmet Ali Yildirim musikalisch begleiteten Veranstaltung brachten sich auch Jugendliche aus Hanau ein, die sich in der antirassistischen, von Serpil Temiz Unvar aufgebauten Bildungsinitiative Ferhat Unvar engagieren. In ihren Statements und szenischen Dialogen machten sie deutlich, wie weit der Weg zu Bildungsgerechtigkeit ist und was es bräuchte, damit sich etwas ändert. Wie Schüler:innen etwa aufgrund ihres Kopftuchs diskriminiert werden, auch von Lehrkräften. Wie migrantisierten Schüler:innen weniger zugetraut wird. Dass Antirassismus fest im Stundenplan verankert werden und es eine verpflichtende entsprechende Fortbildung geben sollte.
Terror in Hanau
Online-Dossier: Die Frankfurter Rundschau begleitet seit dem rassistischen Anschlag in Hanau am 19. Februar 2020 die Familien - und analysiert die politischen Konsequenzen. Gebündelt im Online-Dossier „Terror in Hanau“.
Multimedia-Reportage: FR-Redakteurin Yağmur Ekim Çay und FR-Redakteur Gregor Haschnik haben mit Hinterbliebenen gesprochen, ihre Geschichte und den Stand der Recherchen aufgeschrieben. Fotograf Michael Schick hat die Menschen porträtiert und die Orte des Geschehens und des Gedenkens in Bildern festgehalten. Crossmedia-Redakteurin Monika Gemmer hat eine multimediale Web-Story mit interaktiven Grafiken produziert.
Die jüdische Poetin und Aktivistin Hanna Veiler beeindruckte mit bewegenden Texten über das „Fremdsein“, die von Schmerz, aber auch von Hoffnung und Widerstandskraft kündeten.
Auch Emis Gürbüz und Niculescu Paun, deren Söhne Sedat und Vili Viorel ebenfalls bei dem rassistischen Anschlag am 19. Februar 2020 getötet worden waren, erhoben ihre Stimmen. „Diesen Schmerz kann man nicht erklären oder beschreiben. Es wird immer mehr, immer mehr“, sagte Gürbüz. „Wo ist die Gerechtigkeit“, fragte sie und kritisierte eine lange Kontinuität rechtsextremer Gewalt in Deutschland sowie mangelnde Konsequenzen nach den Attentaten von Hanau.
„Wenn sie uns schon nicht unsere Kinder zurückgeben können, müssen sie machen, was zu tun ist.“ Niculescu Paun richtete seine Kritik vor allem an die Polizei. Sein Sohn hatte den Attentäter aus seinem Auto heraus beobachtet, verfolgt und dabei mehrfach vergeblich den Polizeinotruf gewählt. Paun betonte, dass die technischen und personellen Probleme beim Notruf in Hanau schon viele Jahre vor dem Anschlag bekannt waren. Und dass niemand Verantwortung übernehme.
Zum Schluss forderten die Angehörigen ein Mahnmal für ihre Lieben auf dem Hanauer Marktplatz. Eigentlich sollte es bereits stehen, doch die Mehrheit der Stadtverordnetenversammlung ist gegen den Marktplatz als Standort, auch weil dort schon das Brüder-Grimm-Denkmal stehe. Stattdessen soll das Monument am Kanaltorplatz entstehen, am Rand des Zentrums. „Wir wollen ein Denkmal auf dem Marktplatz. Unsere Kinder verdienen ein sichtbares Denkmal“, betonte Unvar.