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„Alles wird immer enger geschnürt“

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Von: Gregor Haschnik

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Beschäftigte in sozialen Berufen kämpfen für bessere Arbeitsbedingungen

Sie arbeiten in Schulen, Jugendämtern, Flüchtlingsunterkünften, Seniorenheimen, Familienberatungsstellen und vielen weiteren Einrichtungen, mit Menschen in allen Altersgruppen und Lebenslagen: Sozialarbeitende seien Brückenbauer:innen für die Integration in die Gesellschaft und sorgten dafür, dass diese „funktioniert“, sagt Verdi-Gewerkschaftssekretärin Kristin Ideler. Eigentlich müssten sie wie Ingenieur:innen bezahlt werden. Doch die Arbeitsbedingungen und Gehälter entsprächen bei weitem nicht der enormen Bedeutung und Komplexität der Aufgaben. Zu den Folgen gehöre ein gravierender Fachkräftemangel.

Deshalb ruft Verdi die Sozialarbeiter:innen im Rahmen der Tarifrunde Sozial- und Erziehungsdienst für Montag zu einem Streik und einer zentralen Kundgebung in Kassel auf. Vor Ort rechnet die Gewerkschaft mit 500 Teilnehmenden. Die Beschäftigten der anderen Felder, darunter die Behindertenhilfe, werden im Laufe der Woche mit eigenen Aktionen folgen.

Die Zahl der Sozialarbeitenden in Hessen, die im öffentlichen Dienst tätig sind und nach Tarif bezahlt werden, beziffert Verdi auf etwa 4200. Mittelbar würden hier aber um die 15 000 Fachkräfte von einem guten Abschluss profitieren, weil sich zum Beispiel freie Träger am Tarif orientieren. In den Verhandlungen fordert Verdi bessere Arbeitsbedingungen, Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel und die Einstufung in höhere Entgeltgruppen.

Bislang habe sich die Arbeitgeberseite, die die Forderungen für zu hoch hält, allerdings kaum bewegt, erklärt Gewerkschaftssekretär Stefan Röhrhoff und spricht von einer „völligen Ignoranz“ vor allem in Bezug auf die Personalnot.

Welche Folgen die Bedingungen in der Praxis haben, haben Sozialarbeitende am Freitag in einem Pressegespräch erzählt. Jörg Schneider, der seit rund 20 Jahren in der Schulsozialarbeit tätig ist, berichtete von einer auch aufgrund der Corona-Pandemie sowie des Ukraine-Kriegs stark gestiegenen Belastung. Viele Schüler:innen seien in der Pandemie beispielsweise zu Hause vereinsamt, hätten psychische Probleme gehabt. Da brauche es genug Zeit, um sie zu besuchen und zu unterstützen.

Schneiders Kolleg:innen äußerten sich ähnlich: Alles werde immer enger geschnürt, irgendwann bleibe die Luft weg. Viele hielten das oft hohe Arbeitspensum und den damit einhergehenden psychischen Stress nicht aus und hörten bald wieder auf, sagte Sandra Krause-Ackermann, die sich in Wiesbaden um Kinder- und Jugendschutz kümmert. Die hohe Fluktuation sei auch deshalb problematisch, weil Beziehungsarbeit Kontinuität brauche. Und wenn aufgrund von Personalwechseln oder -mangel wichtige Informationen über gefährdete Kinder untergingen, könne dies sogar fatale Folgen haben.

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