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Akrobaten am Ball

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Training im Günthersburgpark: Beim Schuss über das Netz fliegen die Beine hoch.
Training im Günthersburgpark: Beim Schuss über das Netz fliegen die Beine hoch. © Michael Schick

Beim Footbag jonglieren Spieler eine kleine Kugel mit den Füßen über ein Badminton-Netz. Sie brauchen Sprungkraft und bewegliche Beine, hat unsere Autorin beobachtet.

Von Sandra Müller

Beim Footbag jonglieren Spieler eine kleine Kugel mit den Füßen über ein Badminton-Netz. Sie brauchen Sprungkraft und bewegliche Beine, hat unsere Autorin beobachtet.

Klatsch! Alex landet unsanft auf dem harten Hallenboden. Er verzieht kurz das Gesicht und rappelt sich wieder auf. „Ja, das kommt vor, wenn man sich mit zu viel Schwung das Standbein wegzieht“, kommentiert Stefan den Sturz. Alex steht wieder und setzt erneut zum Sprung an. Diesmal klappt alles. Nach einer halben Drehung in der Luft tritt er mit der Außenseite des rechten Fußes den kleinen Ball und befördert ihn mit einem lauten Knall gegen die Hallenwand. „Schön, schön!“, ruft Flo ihm zu, Simon klatscht anerkennend. In der Mitte der Sporthalle haben Kerstin, Markus und Eurik derweil ein Seil gespannt. Das muss heute als Ersatz dienen, weil das Badminton-Netz verschwunden ist.

Freestyle und Netz

Wer jetzt glaubt, waghalsige Übungen an Hallenwänden, Miniatur-Fußbälle und ein Badminton-Netz ließen sich nicht zu einer sinnvollen Sportart zusammenfügen, der irrt. Die Sportler, die jeden Samstagabend für zwei Stunden die Halle der Fachhochschule Frankfurt besetzen, sind Footbag-Spieler. „Fußsack“ als wörtliche Übersetzung gibt zwar wenig Aufschluss über Sinn und Zweck dieses Sports. Das Synonym „Hackysack“ hingegen dürfte gerade jüngeren Generationen ein Begriff sein: kleine mit Reis oder Kunststoff-Granulat gefüllte Stoffsäcke, die ausschließlich mit Hilfe der Füße bespielt werden dürfen, ergo Footbag!

Mal abgesehen von zahlreichen Unterkategorien gibt es zwei Disziplinen: Freestyle und Netz. Beim Freestyle geht es vor allem darum, den Ball möglichst lange und kunstvoll in der Luft zu jonglieren. Beim Netz ist der Ball etwas größer und praller. Das Prinzip ist ähnlich wie beim Volleyball. Gespielt wird auf einem Badmintonfeld, entweder einzeln oder im Doppel. Nach der Angabe darf der Ball maximal dreimal (beim Einzel zweimal) berührt werden, bevor er wieder auf die andere Seite muss. Fällt er dabei auf den Boden oder berührt ein Körperteil oberhalb des Knies, gibt es einen Punkt für den Gegner. Soviel zur Theorie. In Natura bekommt der unbedarfte Betrachter zuweilen den Eindruck, er wäre in einer Kung-Fu-Schule gelandet. Beine der Sportler fliegen ihren Besitzern förmlich um und über die Ohren, während diese versuchen, den Ball mit ordentlich Schmackes über das ein Meter fünfzig hohe Netz zu schmettern. Wer mitmachen will, braucht Sprungkraft, Beweglichkeit und eine gute „Fuß-Augen-Koordination“, wie Stefan erklärt.

Seit etwa eineinhalb Jahren ist er im Verein aktiv. „Davor habe ich viel Freestyle gespielt und gelegentlich Fußball“, sagt der 29-Jährige. Doch mit Fußball hat Footbag wahrlich wenig zu tun. Wenn überhaupt, erinnert die bunte Musterung der Bälle an die großen Brüder aus Leder. „Footbag ist viel filigraner“, sagt Stefan, „da kommt es auf kleine Gradeinstellungen bei der Fußhaltung an, damit der Ball richtig fliegt.“

Der Kopf spielt mit

Und wie die Bälle durch die Luft sausen können, beim Training inzwischen quer durch die ganze Halle. Kerstin hat sich einen Holzschläger geschnappt, mit dem sie Angaben imitiert. Mit gezielten, kräftigen Schlägen befördert sie den Ball ins Trainingsfeld. Markus nimmt ihn mit der Außenseite des rechten Fußes an. Das sieht akrobatisch aus. Eurik hechtet der Kugel hinterher und erwischt sie mit dem linken Spann. Der Ball fliegt hoch, Markus springt ab, setzt zum Schmettern an – und verpasst den Ball. „Viel zu früh, Mann,“ ärgert er sich über sein Timing. Nächster Ball. Diesmal klappt es. Annahme, Stellen, Schmettern. Kurze Freude, abklatschen, dann wieder neu konzentrieren.

„Beim Footbag ist vieles Kopfsache“, sagt Flo, „es gibt eine hohe Frustrationsschwelle.“ Flo hat den Frankfurter Verein gegründet. Er spielt seit 14 Jahren. Begonnen hat er wie viele auf dem Schulhof. Vor zwei Wochen erspielte er sich in Helsinki zum zweiten Mal den Weltmeistertitel im Doppel. Die Zeit der Frustration ist für ihn vorbei.

Im Training, ob in der Halle oder bei gutem Wetter im Grüneburgpark, profitieren die anderen von seiner Erfahrung. Bei Übungsspielen fliegen öfter mal die Fetzen, zumindest verbal. „Das war aus“, ruft Simon. „Blödsinn, der Ball war vorher schon unterm Netz!“, dröhnt es vom Spielfeld gegenüber.

Na, zumindest in Sachen hitzige Diskussionen haben die Footbag-Spieler mit denen, die die großen Lederbälle kicken, so einiges gemeinsam.

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