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16 Kommunen in Rhein-Main wehren sich gemeinsam

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Von: Annette Schlegl

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In Rüsselsheim ist vor allem der Stadtteil Bauschheim von der Flugroutenverlagerung betroffen.
In Rüsselsheim ist vor allem der Stadtteil Bauschheim von der Flugroutenverlagerung betroffen. © Rolf Oeser

Ein Anflugverfahren auf den Frankfurter Flughafen, das sechs Monate erprobt wurde, soll nach Meinung von 16 Kommunen wegen des Fluglärms nicht zum Regelfall werden.

Die Bürgermeister von 16 Kommunen im Rhein-Main-Gebiet haben Angst. Sie fürchten, dass ein versetzter Landeanflug auf den Flughafen Frankfurt zum Regelfall wird – und somit mehr als 350 000 Menschen dauerhaft mehr Fluglärm beschert. Sie wehren sich gegen das Anflugverfahren „Segmented Approach“, das seit 1. März ganztägig für Flugzeuge aus Richtung Süden erprobt wurde. Bevor die Fluglärmkommission am 1. Dezember zu dem Thema in Kelsterbach tagt, fordern sie in einer gemeinsamen Mitteilung, das Anflugverfahren nicht in den Regelbetrieb zu übernehmen.

Das Anflugverfahren „Segmented Approach“ wurde ein halbes Jahr lang erprobt und von Lärmmessungen begleitet. Am 6. Oktober lag dann in der Sitzung der Fluglärmkommission ein schriftlicher Bericht der Fluglärmbeauftragten des hessischen Verkehrsministeriums zu den Ergebnissen des Probebetriebs vor.

Abnahme des Fluglärms in den großen Städten kaum wahrnehmbar

Die Bürgermeister der 16 Kommunen sahen sich den Bericht an – und kamen zu einer übereinstimmenden Meinung: Der Fluglärm hat für sie deutlich zugenommen, in den bevölkerungsreichen Städten Offenbach und Mainz aber kaum merklich abgenommen. Vor allem Kommunen im Kreis Offenbach sind von mehr Fluglärm betroffen, dazu noch die Städte Babenhausen und Rüsselsheim sowie die Gemeinden Schaafheim, Nackenheim und Bodenheim.

Segmented Approach

Segmented Approach (segmentierter Anflug) ist ein gekrümmtes Anflugverfahren, bei der sich von Süden kommende Flugzeuge kurz vor dem Flughafen Frankfurt in einem engen Bogen auf die gerade Standard-Anflugroute „einfädeln“.

Die dicht besiedelten Städte Offenbach und Hanau sowie Mainz werden dadurch umflogen.

Das Anflugverfahren gibt es bereits seit 2011. Bis Februar dieses Jahres wurde es jedoch nur für Verspätungslandungen nach 23 Uhr angewandt.

Vom 1. März an wurde Segmented Approach ein halbes Jahr lang auch tagsüber erprobt, und zwar in drei Zeitfenstern von 5 bis 7 Uhr, von 13 bis 18 Uhr und von 20 bis 23 Uhr.

Der Pilot entscheidet selbst, ob er die Landebahn von Süden kommend im Segmented Approach anfliegen will. Der Anflug erfolgt dann per Einzelfreigabe aus dem Tower. ann

Die Menschen in Heusenstamm mussten besonders leiden: Nachts erhöhte sich der Lärmpegel für sie um 2,8 Dezibel, was fast einer Verdoppelung des Lärms entspricht. In Offenbach dagegen nahm er lediglich um 0,3 Dezibel ab. „In Rüsselsheim war der Stadtteil Bauschheim zum ersten Mal von Überflügen betroffen“, sagte Oberbürgermeister Udo Bausch (parteilos) bei einer gemeinsamen Pressekonferenz am Mittwoch im Neu-Isenburger Rathaus. Darüber hinaus sei der Lärm auf Wohngebiete verteilt worden, die nicht mit Schallschutzfenstern ausgestattet sind, so Neu-Isenburgs Bürgermeister Herbert Hunkel (parteilos). Rodgaus Bürgermeister Jürgen Hoffmann (SPD) beschwerte sich, dass die Daten der Rodgauer Lärmmessstation nicht einbezogen wurden – obwohl Minister Tarek Al-Wazir (Grüne) das schriftlich zugesagt hatte.

Anflugverfahren bei normaler Auslastung kaum durchführbar

Laut Markus Bucher, Fluglärmbeauftragter der Stadt Neu-Isenburg, wurde zu Jahresbeginn pandemiebedingt nur wenig geflogen. Deshalb konnten 30 Prozent der Flüge über das gekrümmte Anflugverfahren abgewickelt werden. Dann stieg das Flugaufkommen aber rasant an – und Segmented Approach nahm rasant ab, weil es für die Piloten schwierig ist, sich bei so viel Flugverkehr im engen Bogen in die „Perlenkette“ der Flugzeuge auf der Standard-Einflugroute einzufädeln. „Nur drei Prozent aller Anflüge erfolgen jetzt in diesem Anflugverfahren“, sagte Bucher.

Die Ergebnisse seien also eindeutig, resümierte der Heusenstammer Bürgermeister Halil Öztas (SPD), der für fünf Kommunen in der Fluglärmkommission sitzt: Segmented Approach mache „keinen Sinn“. Bei normaler Auslastung des Flughafens lasse sich das Anflugverfahren nicht in den Betrieb integrieren und führe deshalb auch nicht zu Entlastungen. Er führte auch das Thema Sicherheit an: Wenn der Pilot sein Flugzeug später eindrehe, habe er auch erst später Sicht auf die Landebahn.

Bürgermeister schließen juristische Schritte nicht aus

„Der Lärm sollte an der Quelle reduziert werden und nicht durch Hin- und Herschieberei“, sagte Hunkel. Als da unter anderem wären: die Anhebung des Anflugwinkels, eine echte Lärmobergrenze, die Ausdehnung des Nachtflugverbots auf die Randstunden, leisere Flugzeuge. Leider sei der Flughafenbetreiber Fraport nicht bereit, besonders laute Flugzeuge von der Landung auf dem Frankfurter Flughafen auszuschließen.

„Die Bevölkerung erwartet von uns, dass wir uns für gesunde Lebensverhältnisse einsetzen“, sagte Bausch. Die 16 Bürgermeister ziehen deshalb auch juristische Schritte in Erwägung, falls Segmented Approach in den Regelbetrieb übernommen wird.

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