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Eine Stadt mit 5000 Inseln

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Mehr als 3000 Ferienhäuser gibt es rund um Västervik in allen Komfort– und Preisklassen.
Mehr als 3000 Ferienhäuser gibt es rund um Västervik in allen Komfort– und Preisklassen. © (dpa-tmn)

Die Schäreninseln vor Stockholm sind bekannt. Als Alternative gibt es 300 Kilometer weiter südlich die Stadt Västervik und ihre wunderschönen Schären. Der „Perle der Ostseeküste“ sind 5000 Inseln vorgelagert. Von Camping- bis Luxusurlaub ist hier alles möglich.

Von allen Seiten strömen sie herbei: Alte und Junge, Frauen und Männer, Teenager und Kinder. In ihren Händen halten sie Eichenlaub und Ginsterzweige, Lupinen und Margeriten. Damit schmücken flinke Hände die Maibaumstange mit den beiden Kränzen. Applaus und Hoch-Hoch-Rufe ertönen von den Zuschauern auf der schwedischen Schäreninsel Idö, als kräftige junge Männer den geschmückten Mittsommerbaum aufrichten. Ein Musikantentrio spielt auf, alle singen Volksweisen und Trinklieder.

Mittsommer wird gefeiert auf Idö, einer der 300 Inseln in den schönsten Schären von Schweden, wie Västerviks Tourismusmanagerin Stine Porsgaard selbstbewusst verkündet. Rund 300 Kilometer südlich der schwedischen Hauptstadt Stockholm breitet sich vor Västervik in der Ostsee auf 70 Kilometern Länge eine wenig erschlossene Welt kleiner und kleinster Inseln aus. Nur die beiden größeren Inseln Idö und Hasselö sind im Sommer durch Schiffslinien mit dem Festland verbunden. Andere sind nur ein paar Quadratmeter groß und ragen als blanke Felsen aus dem Meer.

„Robinson für einen Tag“

In den Buchten liegen versteckte Inselchen, die von Seglern oder Motorjachten angesteuert werden. Nach dem Motto „Ich bin Robinson für einen Tag“ können Wassersportler beim Picknick und beim Grillen auf den Schärenfelsen die Einsamkeit erleben.

„Die Schäreninseln vor Stockholm mögen zwar bekannter sein, dafür sind unsere Schären eben anders“, erläutert Tourismuschefin Porsgaard. „Dort oben haben viele Hauptstädter ihre Sommerhäuschen auf den Inseln. Bei uns sind die allermeisten der 5000 Eilande unbewohnt.“

Die lebendige Kleinstadt Västervik mit rund 21.000 Einwohnern hat für Feriengäste viel zu bieten. Die Liste der Unterkünfte reicht von einigen Stadtherbergen über das feudale Gränso Slott mit Bungalowdorf, Spa-Bereich und benachbartem 18-Loch-Golfplatz bis zum großzügigen Camping- und Feriendorf Lysingsbadet, das vor allem von Familien mit Kindern genutzt wird. Besonders beliebt sind die Ferienhütten und Häuser auf den Inseln oder in einer der zahllosen Buchten an der Ostseeküste. Mehr als 3000 Stuga, kleine Ferienhäuser, gibt es in Västervik in allen Komfort - und Preisklassen, vom Luxushaus bis zur Behelfsunterkunft. Die nobelste Variante wartet mit Seeterrasse und Panoramablick in die Schärenwelt auf.

Die Hochsaison ist kurz

Bescheiden sind die Stuga, die zwar ebenfalls schöne Aussichten bieten, aber keinen Stromanschluss haben, mit Omas Möbeln bestückt sind und die Toilette im Herzhäuschen nebenan haben - wohl nicht jedermanns Sache in den schönsten Wochen des Jahres.

Die Hochsaison ist kurz und entspricht in etwa den schwedischen Schulferien: Am Mittsommerwochenende um den 22. Juni und zwischen 2. Juli und 19. August zieht es die Schweden an die Ostseestrände und in die Schärenwelt. In den ersten Juniwochen und im September ist es weitaus ruhiger in der Ferienregion. Die Mietpreise für Urlaubsquartiere sind dann deutlich niedriger. „In dieser Zeit kommen die Ruhesuchenden zu uns“, erzählt Tourismuschefin Porsgaard.

Deutsche Urlauber sind willkommen in Västervik. Nach den Schweden selbst stellen sie die größte Urlauberzahl vor Gästen aus Dänemark, Norwegen und den Niederlanden. Für die deutschen Gäste haben die Västerviker unlängst ein spezielles Mittsommertraining erfunden. Am Vortag erfahren sie beim Mittsommerlunch und während eines Grillabends mit Gitarrenmusik von Fremdenführern mehr über die Bräuche der Mittsommerfeier, die in Schweden nach Weihnachten als das zweitgrößte Fest des Jahres gilt. Mittsommer-Expertin Susanne Rehorn erläutert den deutschen Urlaubern in Västervik: „Genau seit 50 Jahren feiern wir Midsommarafton, den Mittsommerabend, immer an dem Freitag, der zwischen dem 20. und dem 26. Juni liegt.“

Hering, Kartoffeln, Bier, Schnaps und Erdbeertorte

1953 wurde dieser Feiertag per Gesetz festgelegt, an dem die meisten Geschäfte geschlossen sind und die Schweden zum Feiern mit Verwandten, Freunden und Bekannten aufs Land ziehen. Susanne Rehorn: „Bei uns fahren viele auf die Schäreninsel Idö und tanzen um den Maibaum.“ Diese Bezeichnung des geschmückten Baumstammes habe allerdings nichts mit dem Monat Mai zu tun, sondern gehe vielmehr zurück auf das altertümliche Wort Maja, was soviel bedeute wie „mit Blumen schmücken“, erläutert Rehorn.

Der schwedische Mitsommerabend beginnt bereits am Mittag - bei einem üppigen Mahl mit Hering, neuen Kartoffeln, Bier, Schnaps und anschließender Kaffeetafel mit Erdbeertorte. Wie auf der Schäreninsel Idö sind in Västervik an mehr als 20 Plätzen Urlauber zum Mitfeiern willkommen. Tourismuschefin Porsgaard rät allerdings: „Urlauber sollten sich zuvor bei uns informieren, wo sie mitfeiern können.“ Denn es gebe auch kleine Siedlungen in der Großgemeinde Västervik, wo die Einheimischen an diesem Festtag lieber unter sich bleiben möchten.

Kletterer bezwingen Klippen

Radeln auf der gekennzeichneten Kustlinjen-Route von Loftahammar über die stille Landstraße zum abgelegenen Flecken Flatvarp, eine Kanutour durch die Schären, die Tagesetappe auf dem Tjustleden-Wanderweg, oder an einem der Sandstrände einfach den Tag verbummeln - das Freizeitangebot in Västervik ist groß. Sogar Kletterer reisen ins Schärenland, um eine der hoch aufragenden Klippen zu bezwingen.

Eisenbahnfreunde kommen zur gemütlichen Tour auf der Schmalspurbahnstrecke, über die im Jahr 1879 erstmals Züge durch die tiefen Wälder Smålands dampften. Von Ende Juni bis Anfang September bummeln Triebwagen aus den 1950er Jahren und an den Wochenenden im Juli auch Dampfzüge zwischen Västervik und Hultsfred. Mit einer Distanz von 71 Kilometern zwischen den beiden Orten gilt die Route als längste historische Eisenbahnstrecke in Skandinavien. Darüber hinaus ist sie die erste Bahn, die in Schweden unter Denkmalschutz gestellt wurde.

Vor etwas mehr als 15 Jahren kam Tomas Liew auf die Schäreninsel Sladö und ist seitdem Fischer. „Meine Frau Karina wurde hier geboren, ich stamme aus Västervik“, erzählt der rüstige Pensionär, der einst für das Rote Kreuz in Sri Lanka und Nordkorea unterwegs war. In der Einsamkeit von Sladö - sechs Männer und Frauen, ein Hund und eine Katze leben hier - hat Tomas Liew seine Ruhe gefunden. „Nicht so ganz“, wirft Liew schmunzelnd ein. Zwischen Mai und September nimmt der Fischer nach vorheriger Absprache hin und wieder Feriengäste mit an Bord, um zwischen den kleinen Eilanden die Netze und Reusen zum Fang auszulegen.

Noch wenige Touristen im Oktober

Früh aus den Federn, heißt es für die Gäste am Morgen, wenn sie zusammen mit Tomas die Netze einholen. Strahlend steht die Sonne am tiefblauen Himmel über dem Schärengarten. Kein Windzug regt sich, nachdem tags zuvor ein Gewittersturm die Fluten aufgewühlt hatte. Viel zappelt dieses Mal nicht in den Netzen. Ein paar Plattfische, ein Dorsch und ein Seebarsch haben sich in den Maschen verfangen. Vielleicht liegt es am Wetterwechsel.

Doch Fischer Tomas gerät ins Schwärmen, von den 5000 Inseln vor Västervik. Vom Herbst auf den Eilanden mit stabiler Witterung, den goldgelben Farben des Birkenlaubs und den wenigen Urlaubern, die noch im Oktober in den schönsten Schären Schwedens unterwegs sind. Tomas Liew sagt: „Richtig hart wird es bei uns erst in den Monaten danach. Im Spätherbst und Frühjahr ist die Eisdecke der zugefrorenen Ostsee tagelang nicht dick genug, um darauf mit dem Schneemobil von Sladö bis Västervik zu kommen.“ Der Schiffsverkehr ist längst eingestellt. Dann sind die sechs Menschen, ein Hund und eine Katze ganz auf sich alleine gestellt. Aber das ist eine andere Geschichte. (dpa)

Die wichtigsten Fakten für die Reise nach Västervik:

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