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Maischbergers Woche: Moderation wie Lionel Messi als Innenverteidiger

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Von: D.J. Frederiksson

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Maischberger
Sandra Maischberger © WDR/Peter Rigaud

Eine neue Woche, aber eine weitere durchwachsene Ausgabe des experimentellen Maischberger-Konzepts zeigt die gleichen Limitationen des Formats.

von D. J. Frederiksson

Die Suche der ARD nach einem geeigneten Maischberger-Format geht weiter. In dem Experiment „Maischberger. Die Woche“, das die traditionelle „Maischberger“-Sendung seit Juli abgelöst hat, wirft man weiterhin alles an die Wand, und schaut, was kleben bleibt: Ein bisschen Panel Talk, ein bisschen politisches Tiefen-Interview, ein bisschen Zuschauerbeteiligung, ein bisschen persönliches Schicksal, ein bisschen Humor, ein bisschen Nostalgie, ein bisschen Politik. Warum eine Sendung machen, wenn man auch fünf* gleichzeitig machen kann? 

Fehleinschätzung von Talent beim Maischberger-Format

Das wirkt vor allem deswegen reichlich kurios, weil die Stärke der mehrfach ausgezeichneten Talkerin schon vorher auf der Hand lag und sich nun Woche für Woche bestätigt: Maischberger ist eine brillante Interviewerin im politischen Eins zu Eins. Im Tiefeninterview ist sie ausgezeichnet vorbereitet, lässt sich nicht aus der Kurve treiben, denkt schnell, redet schnell und wirkt generell wie die klügste Frau im Raum. Aber ihr bei der Moderation einer Publikumsdiskussion zuzuschauen ist ein wenig wie Lionel Messi als Innenverteidiger zu sehen – eine so offensichtliche Fehleinschätzung von Talent, dass man sich unweigerlich fragt, welcher Trainer (oder Programmverantwortlicher) nur so ignorant sein kann. 

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Wobei selbst das Einzelinterview – wie alle anderen Segmente noch mehr – maßgeblich von den geladenen Gästen abhängen. Der gerade auf einem Umfragen-Hoch fliegende bayerische Ministerpräsident Söder gab seiner Gastgeberin herzlich wenig zu tun – aber dafür trotzdem eine grandiose Show. So sieht es aus, wenn ein Politiker einen selbstgerechten Zen-Zustand erreicht, in dem er nichts falsch machen kann. Söder findet klare und kluge Worte* gegen die AfD („Mit der kann in Deutschland keiner zusammenarbeiten“, „Da ist kein großer Unterschied mehr zur NPD“), manövriert sich mühelos um das „überschätzte“ Thema Maaßen herum („Über ein CDU-Mitglied kann ich als CSU-Mitglied ja ohnehin kein Urteil abgeben.“) und gibt ganz nebenbei noch eine Spitze gegen den letztes Jahr so streitlustigen Kollegen Seehofer mit („Wir Schwesternparteien schonen uns ja neuerdings gegenseitig.“). 

Maischberger versucht, Söder anzugreifen

Um ihn anzugreifen, muss Maischberger schon wirklich tief in den Fundus greifen und eine olle Kamelle aus Söders Tagen als JU-Vorsitzender mit drolliger Frisur rauskramen, der die PDS verbieten wollte. Provozierende Frage Maischeberger: „Meinten Sie das ernst oder wollten Sie nur auffallen?“ Seelenruhige Antwort Söder: „Nö, ich fand das damals schon eine tolle Frisur.“ Da muss sogar die Talkerin lachen. So sieht politische Souveränität aus. 

Der letzte, nur noch halbherzige Angriffsversuch, die ewige Klage über Söders Opportunismus, wirkt in diesen Tagen von unbelehrbaren Idioten wie Trump* oder Boris Johnson* ohnehin schon mehr wie ein Kompliment denn wie eine Beschwerde. Und seine Abwehr lässt ihn ebenso vernünftig wie staatsmännisch erscheinen: Als bayerischer Regierungschef kann er nicht nur seiner Partei folgen, sondern muss und will all seine Mitbürger zufrieden stellen. Und selbst die alte Geschichte vom dazulernenden Politiker kann er halbwegs überzeugend verkaufen: Er wäre ja nicht der einzige, der von den Geschehnissen der letzten Jahre plötzlich den Umweltschutz entdeckt hätte. Er würde eben auch auf die Jugend hören. Und: „Es geht um die Bewahrung der Schöpfung!“ Und, vielleicht gleich noch eine Spitze gegen weniger flexible Politiker: „Alles andere wäre doch ignorant“. So hört sich ein Mann an, der auf das richtige Pferd gesetzt hat und nun seine Gewinne einfährt. 

Journalisten und Kabarettisten - eine Fehlbesetzung

Der Rest der Sendung diese Woche bleibt an Unterhaltungswert leider deutlich hinter diesem Einzelinterview zurück. Vor allem das Panel aus Journalisten und Kabarettisten, das eigentlich einen locker-humorigen Wochenrückblick anzetteln soll, ist dieses Mal eine völlige Fehlbesetzung. Der Komiker Florian Schroeder versucht noch, einige Spitzen zu zünden, gibt aber schnell auf. Die „Panorama“-Moderatorin Anja Reschke kämpft verbissen um Ehrlichkeit und Ernsthaftigkeit, während der bräsige Journalist Jan Fleischhauer sich mit erstaunlicher Zielsicherheit auf die ignorante Seite jeder Debatte stellt. 

Erst kann er nicht an sich halten kann, Greta Thunbergs Segeltörn* kleinlich anzumäkeln, obwohl sowohl Söder als auch Reschke keine fünf Minuten vorher jegliche Kleinlichkeit und jegliches Jammern als albern verwarnt haben. Direkt darauf lobte er Boris Johnson als „den einzigen, der einen Plan hat“. Das könnte lustig sein, ist aber leider ernst gemeint. Es ist der Tiefpunkt eines schrecklich langweiligen Panels. 

Publikumsdiskussion war fürchterlich steif

Die „Boulevard“-Sektion der Sendung war diesmal zeitgeschichtlich und hatte mit der Frau, die vor 30 Jahren über Ungarn aus der DDR flüchtete, zumindest eine faszinierende Geschichte in petto. Dass die Publikumsdiskussion mal wieder fürchterlich steif und konstruiert ausfiel, war dagegen keine Überraschung – dieses Segment hat in den bisherigen Wochen noch nie funktioniert. Und das faktisch einseitige, aber absichtlich provokant formulierte Thema „Sollten wir uns angesichts Klimawandel und Nachhaltigkeit schämen, Fleisch zu essen“, half wirklich auch nicht. Die zunehmend agitierten Wortmeldungen hatten die Wahl zwischen uneinsichtigem Trotz oder erhobenem Zeigefinger – beides keine sehr reizvollen Diskussionshaltungen. Umso mehr wird es Zeit für die Produzenten, sich endlich für eine Sendungs-Art zu entscheiden.

*fr.de ist Teil der bundesweiten Ippen-Digital-Zentralredaktion.

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