"Das hält kein Jahr...!": Fremdschämen extrem

Berlin - "Borat" trifft "Bridget Jones" - damit lässt sich die teils derbe und schrille Komödie „Das hält kein Jahr...!“ von Regisseur Dan Mazer auf den Punkt bringen.
Manchmal ist nichts schwerer zu ertragen als zur Schau gestelltes Glück. In „Das hält kein Jahr...!“ bekommen die Neider, die in diesem Fall die Traumhochzeit von Nat (Rose Byrne) und Josh (Rafe Spall) mit Missgunst verfolgen, endlich einmal Recht. Zwar sind die Brautleute ein tolles Paar, gut aussehend, erfolgreich, sexy, doch in Wahrheit könnten Nat und Josh nicht verschiedener sein: Sie stöckelt auf Highheels durch die Businesswelt, während er gemütlich daheim auf dem Sofa sitzt. Er ist Schriftsteller, sie eine echte Macherin. „I give it a year“, wörtlich „Ich gebe dem ein Jahr“, so der englische Originaltitel, sagen Freunde, Bekannte, Verwandte bei ihrer Trauung – und bekommen Recht.
Derbe, schwarze und schrille Komödie
In seinem Spielfilmdebüt knüpft der Brite Dan Mazer dort an, wo andere Filme enden: bei der Eheschließung. Bei ihm allerdings mündet diese nicht, wie man befürchten könnte, in eine niederschmetternde Tragödie, sondern in eine bisweilen derbe, schwarze und schrille Komödie. Schon in den ersten Minuten offenbart sich, dass hier der Produzent der Sasha-Baron-Cohen-Wuchtbrummen „Borat“, „Brüno“ und „Der Diktator“ im Regiestuhl saß. Allein die Rede des Trauzeugen Danny, den Stephen Merchant mit größter komödiantischer Grandezza spielt, ist so peinlich, dass sich selbst Hartgesottene am liebsten unterm Kinosessel verstecken möchten. Fremdschämen zählt zu den wichtigsten Stilmerkmalen des Films. Das trifft auch die Figuren selbst: Da sich ihre Ehe als Fehltritt erwiesen hat, liebäugelt Nat bald mit einem Alternativ-Mann: Guy, dargestellt von Frauenschwarm Simon Baker aus „The Mentalist“, ist ein Vorzeige-Amerikaner, charmant, erfolgreich, gut angezogen und der perfekte Vater für Nats ungeborene Kinder. Als Gatte Josh und Schwarm Guy einmal in Nats Beisein aufeinandertreffen, würde diese am liebsten im Boden versinken: Josh benimmt sich dermaßen daneben, dass ihn Guy nicht für Nats Ehemann, sondern für einen Stalker hält.
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Natürlich bilden einige Gags und Handlungsstränge nur Füllmaterial. Wenn allerdings aus Romantik Slapstick wird oder das Happy End schmalziger gerät als im Sissi-Film, ist das nicht nur komisch: Es entlastet auch den Zuschauer, der sein eigenes Leben tagein tagaus an den ideologischen Hirngespinsten der Gesellschaft messen muss: Traumehe, Traumsex, Traumurlaub, Traumjob, Traumfamilie. Insofern reißt „Das hält kein Jahr...!“ auf stimmige Weise all die schönen bürgerlichen Fassaden ein, hinter denen doch nur Mittelmaß weilt. Das Ganze garniert Mazer mit ein paar erstaunlich einfühlsamen, zugleich aber höchst absurden Szenen, die den Irrsinn des Lebens wunderbar auf den Punkt bringen.
von Katrin Hildebrand