1. Startseite
  2. Ratgeber
  3. Medien

Überraschend schön: Woody Allens Amazon-Produktion „A Rainy Day in New York“

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Daniel Kothenschulte

Kommentare

Elle Fanning als Schwärmerin in „A Rainy Day in New York“.
Jetzt im Kino: Elle Fanning als Schwärmerin in „A Rainy Day in New York“ von Woody Allen in Kooperation mit Amazon. © Jessica Miglio/Gravier Productions, Inc/dpa

Woody Allens unglücklicher Deal mit Amazon hat einen überraschend schönen Film hervorgebracht: „A Rainy Day in New York“ – zu sehen nur im Kino.

Der große, kostspieligere Woody-Allen-Film findet nicht im Kino statt. Er handelt von einem schwerreichen Unternehmen, dem größten Handelskonzern der Welt. Sein Präsident hat die besondere Gabe, auch die strengsten Kritiker seiner Arbeitsbedingungen zu bezirzen, trotzdem bei ihm einzukaufen. Der schneidige Glatzkopf namens Jeff Bazos, inzwischen reichster Erdenbürger, ist seit neuerem auch ein Filmmogul.

Wie die alten Hollywoodbosse macht er sich für viel Geld einige der größten Filmkünstler zu eigen. Und wieder kommt ihm sein Talent zupass, die Doppelmoral in den Menschen herauszukitzeln: Sogar den berühmtesten Pessimisten des amerikanischen Films konnte er mit einem Zehn-Millionen-Vorschuss locken. Dabei hat Woody Allen keine Geschichte öfter erzählt als die von der lockenden Versuchung – wo es sich bitter rächt, wenn man ihr nachgibt.

Woody Allen im Kino: Amazon zeigt „A Rainy Day in New York“ nicht

Am Ende entstand ein Film, den die Firma Amazon lieber auf Eis legte, als ihn in den USA zu zeigen. Und den Woody Allen umso stolzer in Europa zeigt, wo man ihn nicht am Computer, sondern nur in den Kinos sehen kann. Was für ein glückliches Schicksal für einen Film, der eigentlich zum „Herunterladen“ bestellt worden ist. Nur mag dieses Happy End niemand besonders genießen.

„A Rainy Day in New York“ gehört zum ursprünglich auf vier Filme angelegten Vertrag zwischen Allen und Amazon. Sein Verschwinden wurde nicht mit mangelnder Qualität begründet. Vor fünfundzwanzig Jahren war Allen nach eingehender gerichtlicher Untersuchung vom Vorwurf entlastet worden, seine minderjährige Tochter missbraucht zu haben. Als dieses Thema im Kontext der MeToo-Diskussion dennoch wieder öffentlich wurde, kündigte Amazon die Zusammenarbeit mit Woody Allen. Drei Hauptdarsteller, Timothée Chalamet, Selena Gomez und Rebecca Hall, kündigten an, ihre Gagen an Wohlfahrtsorganisationen zu spenden.

„A Rainy Day in New York“ im Kino: Woody Allen verklagt Amazon 

Woody Allen hingegen, der seine Unschuld für bewiesen hält und seinen Ruf beschädigt sieht, verklagte Amazon auf eine Schadenssumme von 68 Millionen Dollar; am 9. November kam es zu einer Einigung. Wie viel Amazon schließlich an den Regisseur zahlen musste, blieb ein Geheimnis.

Manche Kritiker, die „A Rainy Day in New York“ sahen – seit zwei Monaten läuft er erfolgreich in Frankreich –, haben nun Schwierigkeiten, beide Filme voneinander zu trennen. Den, den sie vor sich sehen. Und den, den es nicht im Kino gibt. Entlarvt sich Allen, auch wenn er kein Kinderschänder ist, vielleicht wenigstens als MeToo-würdiger Frauenfeind?

Elle Fanning, die ihre Gage übrigens nicht gespendet hat, spielt eine Elite-Studentin, die für die Unizeitung eine Filmreportage schreibt. Mehr Fan als Cinephile, kommt sie zum Interview mit einem alternden Star-Regisseur von Liebesfilmen (Liev Schreiber). Er empfängt sie in Manhattan mit vorgeschobenen Selbstzweifeln, die sie mit ihrer Begeisterung nur zu gern entkräftet. Kein Wunder, dass sich die attraktive junge Frau mit all ihrer Naivität noch mehr Freunde macht: Ein von Jude Law mit angemessener Eitelkeit ausgestatteter Drehbuchautor schüttet ihr bereitwillig sein Herz aus, während ein von Diego Luna verkörperter Filmstar seine schmierigste Verführungskunst an ihr erprobt.

Woody Allen und Amazon mit „A Rainy Day in New York“: Erstklassige Besetzung im Kino

Ist die von Elle Fanning archetypisch porträtierte Fan-Journalistin aus reichem Hause nun ein frauenfeindliches Klischee? Oder ist es nicht eher die männliche Unterhaltungs-Prominenz, die hier als Gockel vorgeführt wird? Was wurde Marilyn Monroe nicht zu Lebzeiten für den überwiegenden Teil ihrer Filmrollen kritisiert. 

Doch ebenso wenig wie ihre Blondinen bei Billy Wilder bloße „Dummchen“ blieben, bedient Fannings Rolle lediglich ein Vorurteil. Sie ist wunderbar, und wer ihr die Distanz, die sie dieser Rolle beigibt, nicht zutraut, ist selbst ein Frauenfeind. Einem 84-jährigen Woody Allen muss man die Arbeit mit Versatzstücken in der Komödie ebenso wenig erklären wie seiner wieder einmal bis in die kleinsten Nebenrollen erstklassigen Besetzung.

Timothée Chalamet, die wunderbare Entdeckung aus „Call Me By Your Name“, spielt Fannings männlichen Counterpart mit der gleichen gesegneten Naivität. Der Hobby-Pianist hat seine Freundin nach Manhattan begleitet, um sie in seine eigene Traumwelt einzuweihen, die der edlen Piano-Bars, wo der gute Cocktail-Jazz gespielt wird. Sanfter Regen, durch den in Vittorio Storraros immer etwas zu hübschen Kamerabildern immer wieder Sonnenstrahlen blitzen, wäre die perfekte Kulisse – verlöre er seine Begleiterin nicht so schnell an die Filmmischpoke.

Amazon-Produktion „A Rainy Day in New York“: Einer der besten Filme von Woody Allen im Kino

Wieder einmal erzählt Woody Allen also von scheinbar glücklichen Paaren, die erst lernen müssen, sich besser zu trennen. Wofür im Idealfall ein paar Stunden reichen – und die rechten Zufallsbegegnungen.

Der junge reiche Jazzfan, der wie Erroll Garner spielt und auf den Namen Gatsby hört, ist ein melancholischer Glückspilz: Erst lernt er bei einer spontanen Statistenrolle bei einem Filmset von einer umwerfend schlagfertigen jungen Schauspielerin (Selena Gomez) das Küssen. Und dann gewinnt er noch eine Unsumme bei einem Pokerspiel. Dass er den Gewinn dann für ein Escort-Girl ausgibt, das er in platonischer Absicht zur Party seiner Eltern mitnimmt, macht immer noch keinen frauenfeindlichen Film daraus. Nur ein liebevoll-absurdes Spiel mit allen Zufällen, die sonst für plausible Filmhandlungen streng verboten sind. Nur in Woody Allens Komödien der letzten zwei Jahrzehnte sind sie geradezu obligatorisch.

Nein, „A Rainy Day in New York“ ist einer der besten Allen-Filme dieser späten Phase. Auch die drei Stars, die ihre Gagen (die gewiss nicht allzu hoch gewesen sind) für MeToo-nahe Organisationen gespendet haben, werden eines Tages wissen, was sie an diesem Film haben. Und wenn wir dann doch den zweiten, unsichtbaren Film dahinter ausmachen, den vom Milliardär, der sich einen Künstler kauft, nur um dessen Werk am Ende für sehr viel Geld zu begraben, wird er fast noch etwas schöner.

Von Daniel Kothenschulte

A Rainy Day in New York. USA 2016 (Drehzeit), 2019 (veröffentlicht). Regie: Woody Allen. 95 Min.

Der Regisseur Woody Allen sieht sich Missbrauchsvorwürfen ausgesetzt. Schauspieler Christoph Waltz übernimmt trotzdem eine Rolle im neuen Film.

Auch interessant

Kommentare