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Schulkinder: Weniger Schlaf, mehr Verletzungen

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Von: Pamela Dörhöfer

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Wer nachts nicht ausreichend Schlaf bekommt, kann sich in der Schule schlecht konzentrieren.
Wer nachts nicht ausreichend Schlaf bekommt, kann sich in der Schule schlecht konzentrieren. © Getty

Wissenschaftler der Frankfurt University of Applied Sciences untersuchen den Lebensrhythmus von Schulkindern.

Die Erkenntnis kommt nicht völlig überraschend und dürfte jene bestärken, die seit Jahren einen späteren Unterrichtsbeginn in Deutschland fordern: Kinder, die unter der Woche weniger als acht Stunden schlafen, leiden häufiger unter Konzentrationsproblemen – und außerdem steigt ihr Risiko, sich auf dem Pausenhof, beim Sport, irgendwo sonst in der Schule oder auf dem Schulweg zu verletzen.

Das haben Wissenschaftler des Forschungszentrums Demografischer Wandel der Frankfurt University of Applied Sciences unter der Leitung von Andreas Klocke herausgefunden. Für ihre Analyse werteten die Forscher Daten aus, die sie im Rahmen ihrer Studie „Gesundheitsverhalten und Unfallgeschehen im Schulalter“ erhoben hatten.

Für diese von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung geförderte und noch laufende Studie werden rund 10 000 Schülerinnen und Schüler an etwa 150 weiterführenden Regelschulen seit Besuch der fünften Schulklasse jährlich befragt. Im Fokus stehen erlittene Verletzungen im schulischen Umfeld, der Gesundheitszustand und das Gesundheitsverhalten der Teilnehmer, aber auch mentale Probleme und das Schlafverhalten. Die Wissenschaftler versuchen dabei, jedes Jahr stets die gleichen Schülerinnen und Schüler zu befragen, um deren individuelle Entwicklung verfolgen zu können. Mittlerweile liegen für die ersten vier Erhebungen die Ergebnisse vor.

Eines der markantesten davon: Die mittlere Schlafdauer der Heranwachsenden verringerte sich innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren um satte eineinhalb Stunden. Für die Studie sollten die jungen Teilnehmer angeben, wann sie an Schultagen gewöhnlich abends ins Bett gehen und wann sie am nächsten Morgen wieder aufstehen. Auf diese Weise berechneten die Wissenschaftler dann für jedes Kind die individuelle Schlafdauer an Unterrichtstagen.

Das Resultat: Während Kinder im Alter von etwa elf Jahren (fünfte Klasse) noch durchschnittlich neun Stunden und 45 Minuten pro Nacht schliefen, waren es in der achten Klasse nur noch acht Stunden und 15 Minuten. Auch der Grund dafür ließ sich leicht nachvollziehen: Im Wesentlichen, so erklären Andreas Klocke und sein Kollege Sven Stadtmüller, liege es daran, dass die meisten Schülerinnen und Schüler der fünften Klasse noch vor 21 Uhr schlafen gingen; 57 Prozent gaben das an. Drei Jahre später präsentierte sich ein völlig anderes Bild: Nur noch etwas mehr als sechs Prozent der Befragten lagen bereits um 21 Uhr im Bett.

Zwar gilt laut aktuellem Stand der Wissenschaft, dass es keine allgemeingültige „richtige“ Schlafdauer gibt, vor allem nicht für Erwachsene und auch nicht unbedingt für Kinder. Gleichwohl gelten für sie doch engere Grenzen. So empfiehlt die National Sleep Foundation für den Großteil der Heranwachsenden in der Altersgruppe der Elf- bis 14-Jährigen eine optimale Schlafdauer von mindestens acht Stunden. Während in der fünften Jahrgangsstufe noch 98,5 Prozent der befragten Schülerinnen und Schüler auf diesen Wert kamen, waren es drei Jahre später nur noch rund 70 Prozent.

Das bleibt nicht ohne Folgen: Mehr als jedes dritte Schulkind der achten Klasse, das durchschnittlich weniger als acht Stunden schlief, gab an, an mehr als zwei Tagen in der Woche unter Konzentrationsproblemen gelitten zu haben. Die Mädchen und Jungen, die durchschnittlich länger als acht Stunden schliefen, berichteten seltener von diesen Schwierigkeiten. Nur 24 Prozent hatten damit zu kämpfen.

Außerdem offenbarte die Studie, dass weniger Schlaf auch das Risiko erhöht, sich im schulischen Umfeld zu verletzen: Bei den Kindern mit einer durchschnittlichen Schlafdauer von mindestens acht Stunden hatten sich innerhalb der letzten zwölf Monate 19,2 Prozent weh getan, beispielsweise beim Schulsport, in der Pause oder auf dem Schulweg. Bei Heranwachsenden mit weniger als durchschnittlich acht Stunden Schlaf liegt der Wert bei 24,6 Prozent und ist somit signifikant höher. „Unsere Daten zeigen ein sehr klares Bild“, bilanziert Studienleiter Andreas Klocke, Direktor des Forschungszentrums Demografischer Wandel: „Zu wenig Schlaf wirkt sich negativ auf die Schulkinder aus.“

Dass fehlende Nachtruhe Kindern und Jugendlichen schadet, ist auch ein Ergebnis des Präventionsradars 2018 der Krankenkasse DAK-Gesundheit. Bei dieser Befragung war der Altersbogen etwas weiter gespannt, eingeflossen sind die Antworten von 9300 Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufen fünf bis zehn in sechs Bundesländern. Es kam heraus, dass sich die Hälfte der älteren Mädchen und Jungen infolge von Schlafmangel tagsüber erschöpft und müde fühlt, zudem seien Kinder mit zu wenig Schlaf gestresster, heißt es in dem Bericht. Neunt- und Zehntklässler schlafen demnach mehrheitlich erst nach 23 Uhr ein. Sie berichteten von im Mittel nur rund sieben Stunden Schlaf pro Nacht.

Eine Ursache für den erheblichen Mangel an Schlaf ist der Krankenkasse zufolge die Nutzung von Bildschirm-Geräten. Kinder und Jugendliche, die angaben, mehr als vier Stunden täglich vor Bildschirmen zu verbringen, schliefen im Mittel deutlich weniger (7,3 Stunden) als diejenigen, die weniger als eine Stunde am Tag Smartphone, Tablet und ähnliche Geräte nutzten (8,9 Stunden). „Die Schüler kümmern sich nachts um volle Akkus bei ihren Smartphones, aber sie laden ihre eigenen Batterien nicht mehr ausreichend auf“, erklärt Andreas Storm, Vorstandsvorsitzender der DAK-Gesundheit.

Die Wissenschaftler der Frankfurt University of Applied Sciences bringen als mögliche Konsequenz ihrer Studienergebnisse einen späteren Unterrichtsbeginn ins Spiel. Schlafforscher plädieren bereits seit Jahren dafür, die erste Stunde auf 9 Uhr zu verschieben. In Deutschland beginnt der Unterricht in der Regel um 8 Uhr, in einigen Bundesländern sogar bereits um 7.30 Uhr. In anderen europäischen Ländern wie Spanien, Frankreich und Großbritannien geht der Unterricht erst um 9 Uhr los.

Etliche Studien aus den vergangenen Jahren scheinen dieser Haltung Recht zu geben, denn sie belegen, dass Schüler mit ausreichendem Schlaf gesünder und ausgeglichener sind, besser lernen können und seltener zu Zigaretten greifen. Besonders hart trifft der frühe Unterrichtsbeginn übrigens Jugendliche in der Pubertät, weil sich mit dem gesamten Körper auch der Schlafrhythmus verändert.

Aber bleiben Kinder und Jugendlichen abends nicht einfach länger wach, wenn sie wissen, dass sie morgens eine Stunde später aus dem Bett müssen - und profitieren dann gar nicht in Form in einer längeren Schlafdauer vom späteren Unterrichtsbeginn? Eine aktuelle Studie aus den USA bestätigte diesen Gedanken nicht. Wissenschaftler der Universität Washington und des Salk Institute for Biological Studies stellten in einer Untersuchung mit Jugendlichen fest, dass die Teenager tatsächlich länger schlafen und nicht später ins Bett gehen, wenn die Schule später anfängt. Im Durchschnitt kamen die Teilnehmer auf 34 Minuten mehr Schlaf pro Nacht.

Das Team der Frankfurt University of Applied Sciences möchte in den verbleibenden beiden Erhebungen für die Studie nun herausfinden, ob ein späterer Unterrichtsbeginn auch das ist, was die Schulkinder selbst wollen. Die Wissenschaftler haben vor, die Schülerinnen und Schüler zu fragen, welche Anfangszeiten sie bei sechs beziehungsweise acht Stunden Unterricht bevorzugen würden. „Wahrscheinlich möchten die meisten Jugendlichen am frühen Schulbeginn festhalten, um am Nachmittag mehr Freizeit zu haben“, vermutet Sven Stadtmüller, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungszentrum Demografischer Wandel.

Es sei aber auch „denkbar“, dass es sich gerade bei Jugendlichen, „die eher zu den Spätaufstehern zählen oder die einen weiten Schulweg zurücklegen müssen“ anders verhalte. Mit Ergebnissen rechnen die Forscher im Juni.  (mit dpa)

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