Affenpocken-Virus mutiert schneller als gedacht: Das steckt dahinter
Einer neuen Theorie zufolge könnte nicht das Affenpocken-Virus selbst, sondern das menschliche Immunsystem verantwortlich für dessen multiple Mutationen sein.
Berlin – Das Affenpocken-Virus breitet sich weiter aus. Während Großbritannien bereits über 300 Infektionen verzeichnet, sind auch in Deutschland mittlerweile 80 Neuansteckungen erreicht. Grund genug für viele Forscherinnen und Forscher, das Virus genau unter die Lupe zu nehmen.
In einem Artikel für das Online-Wissenschaftsportal Spektrum fasst Lars Fischer aktuelle Hypothesen zum Virus zusammen – und bietet eine Erklärung, warum es sich in kurzer Zeit stark verändert hat. Gesichert ist nämlich: Das Virus ist in den letzten Jahren besonders schnell evolviert. Im Vergleich zum letzten Affenpockenausbruch beim Menschen 2017 hat es sich fünf bis zehnmal so rapide entwickelt, wie bei Pockenviren zu erwarten gewesen wäre.
Affenpocken: Menschliches Immunsystem hat Virus verändert
Laut Fischer erschwert die komplexe Beschaffenheit des Pockenvirus bislang, mit Sicherheit festzustellen, ob neue Ansteckungen wirklich das Ergebnis einer gezielten Anpassung des Virus an den Menschen sind. Die Art und Weise, wie es sich an Zellen binde und in sie eindringe, sei vielfältiger als etwa bei einer Corona-Infektion. Eine verlässliche Aussage darüber, ob das Virus ansteckender geworden ist, sei deshalb noch nicht abschließend möglich.

Stattdessen bringt Fischer eine zweite Möglichkeit ins Spiel. So setzt die Virus-Mutation nicht an der Struktur von Proteinen an, wie es sonst häufig der Fall wäre. Vielmehr weist sie ein sehr spezifisches Veränderungsmuster in den Bausteinen der Virus-DNA selbst auf. Diese äußerst ungewöhnliche Anpassung spricht Fischers Meinung nach eher dafür, dass das Virus-Genom durch eine Abwehrreaktion des menschlichen Immunsystems beeinflusst wurde. Konkret könnte ein antiviraler Mechanismus in Form einer bestimmten Proteinfamilie die Virus-DNA attackiert und so das beobachtete Mutationsmuster erzeugt haben.
Affenpocken: Neue Mutationen als „Virus-Narben“ verstehen
So schrieb der Bioinformatiker Cornelius Römer mit Bezug auf die aktuellen Virus-Infektionen: „Was wir sehen, sind die Überlebenden.“ Nach der Theorie konnten sich eben nur die Viren, die den Angriff durch die körpereigenen Proteine überlebt haben, vermehren. Richard Neher, Biophysiker an der Universität Basel, liefert gleich eine weitere Analogie: „Man sollte die meisten dieser Mutationen wahrscheinlich eher als ‚Narben‘ durch das Verteidigungssystem des Wirts verstehen, statt als virale Anpassung.“
Dennoch schließt Fischer damit, dass es mittlerweile auch Indizien gibt, die für eine zusätzliche aktive Anpassung des Virus an den Menschen sprechen – was wiederum mit einer effektiveren Übertragung assoziiert werde. Wie sich das Affenpocken-Virus weiterentwickelt, kann schlichtweg nicht prognostiziert werden. Für die Forschung gilt es jedenfalls, weiter wachsam zu bleiben. (juf)