„Ist nicht so schlimm“ – gut gemeinter Rat schädigt die emotionale Kompetenz von Kindern
Ihr Kind dreht wegen einer vermeintlichen Kleinigkeit völlig durch? Das liegt daran, dass es nicht anders kann. Wie sollten Sie dem begegnen?
Ein aufgeschürftes Knie heilt wieder. Eine zerbrochene Banane schmeckt immer noch gut. Verloren gegangene Haarspangen lassen sich ersetzen. Erwachsene wissen, dass solche Dinge nur eine kleine Aufregung wert sind. Kinder sehen das allerdings anders. Und stoßen damit häufig auf Unverständnis. Die kindlichen Gefühle nicht ernst zu nehmen, ist allerdings ein häufiger Erziehungsfehler.
Mayim Bialik erklärt: Jedes weinende Kind braucht Trost
„The Big Bang Theory“-Star, Neurowissenschaftlerin und Unterstützerin der bindungsorientierten Erziehung Mayim Bialik bringt es in ihrem TikTok-Video auf den Punkt.
Sie erklärt: Wer Kinder nicht ernst nimmt, wenn sie sich weh getan haben oder weinen, der stört ihre emotionale Entwicklung. Warum ist das so?
Kindern fehlt die Fähigkeiten, Gefühle richtig einzuordnen
Gefühle sind für Kinder eine ziemlich überwältigende Sache. Ist das, was sie gerade fühlen, Schmerz, Wut oder Frust, weil etwas nicht geklappt hat? Ist das gefährlich oder geht dieses blöde Gefühl gleich wieder weg? Kindern fehlt die Erfahrung, um einschätzen zu können, was gerade in ihrem Kopf und ihrem Körper passiert. Sie können daher nicht anders als lautstark und intensiv zu reagieren. Und das betrifft nicht nur Kleinkinder: Laut des Universitätsspitals Zürich ist das neuronale Netz im Gehirn erst mit etwa 25 Jahren fertig entwickelt. Das heißt, es ist völlig normal, dass auch Schulkinder und Jugendliche aus Sicht von Erwachsenen völlig überreagieren.

Kinder richtig beruhigen, stärkt ihre emotionale Kompetenz
Da Kinder und Jugendliche noch nicht oder nicht ausgereift dazu in der Lage sind, Situationen richtig einzuschätzen, brauchen sie die Hilfe ihrer Vertrauenspersonen. Sagen Eltern nun „Ist doch nicht so schlimm!“, wenn es sich für das Kind gerade sehr schlimm anfühlt, dann passiert folgendes:
- Dem Kind werden die Gefühle abgesprochen.
- Die Emotionen werden von außen korrigiert – gemäß dem, was der Erwachsene denkt, was das Kind fühlen sollte.
- Ergo: Das Kind verliert das Vertrauen in seine eigenen Empfindungen.
Das kann langfristige Folgen mit sich ziehen: Die Heranwachsenden lernen, dass bestimmte Gefühle falsch oder unangebracht sind. Sätze wie „Du brauchst keine Angst zu haben, es tut gar nicht weh“ schaden dem Selbstbewusstsein. Wie viele Erwachsene werden sie irgendwann negative Gefühle nicht mehr aufarbeiten, sondern ignorieren. Das führt oft dazu, dass Menschen nicht für ihre Bedürfnisse einstehen. Ähnlich wie bei der Killerphrase „Stell dich nicht so an“, wird so toxisches Verhalten gefördert und psychische Erkrankungen begünstigt.
Das stärkt die emotionale Kompetenz: gemeinsam mit dem Kind Gefühle zu erarbeiten
Um Gefühle richtig zu verstehen und benennen zu können, brauchen Kinder gute Vorbilder. Empathie lernen sie von Erwachsenen, die es ihnen zeigen: Nehmen Sie das Kind ernst und begegnen Sie ihm auf Augenhöhe. Beschreiben Sie, wie das Kind sich fühlt und bieten Sie Ihre Hilfe an. Wie Sie das Kind unterstützen können, ist dabei eine Typsache. Das eine Kind will darüber reden, was passiert ist, ein anderes braucht eine lange Umarmung, das Dritte will in Ruhe gelassen werden, bis sich die Situation beruhigt hat.
Wichtig ist vor allem, dass Erwachsene die Bedürfnisse des Kindes achten. Dabei kann es durchaus auch mal laut zugehen. Keine Angst, das ist sogar ein gutes Zeichen! Schreit Ihr Kind Sie an, vertraut es Ihnen. Natürlich ist das für Eltern oft dennoch eine enorme Stressprobe. Um zu verhindern, dass Sie mit Ihrem Kind schreien und der Streit eskaliert, können Sie eine dieser Exitstrategien ausprobieren: Gehen Sie zum Beispiel aus dem Zimmer und joggen kurz auf der Stelle oder versuchen Sie es doch mal mit Kopfrechnen, bis die Gefühle sich wieder beruhigt haben. Vielleicht helfen diese Tricks auch Ihrem Kind, sodass die Gefühle beim nächsten Missgeschick weniger stark hochkochen?
Dieser Beitrag beinhaltet lediglich allgemeine Informationen zum jeweiligen Gesundheitsthema und dient damit nicht der Selbstdiagnose, -behandlung oder -medikation. Er ersetzt keinesfalls den Arztbesuch. Individuelle Fragen zu Krankheitsbildern dürfen von unseren Redakteuren und Redakteurinnen leider nicht beantwortet werden.