1. Startseite
  2. Politik

In der Türkei kocht es: Bündnis gegen Erdogan bricht zusammen

Erstellt:

Von: Bedrettin Bölükbasi

Kommentare

Im türkischen Oppositionsbündnis rumort es ordentlich.
Im türkischen Oppositionsbündnis rumort es ordentlich. © Twitter/kilicdarogluk

Der Streit um den Kandidaten in der türkischen Opposition spitzt sich immer weiter zu. Das Bündnis gegen Erdogan bröckelt nun tatsächlich.

München – Um Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan bei der Türkei-Wahl 2023 besiegen zu können, hatten sich sechs Oppositionsparteien zu einem Bündnis, dem sogenannten „Sechser-Tisch“, zusammengeschlossen. Doch in der Allianz kracht es nun ordentlich. Der zweitgrößte Partner trennt sich.

Der Sechser-Tisch, der auch als „Millet Ittifaki“ (zu Deutsch: Bündnis der Nation) bezeichnet wird, steht schon seit Monaten in der Kritik, da er sich nicht auf einen Kandidaten einigen kann. Im Gegenzug steht der Kandidat des gegnerischen „Cumhur Ittifaki“ (zu Deutsch: Volksallianz) schon längst fest: Der amtierende Präsident Erdogan. Die Wahl soll am 14. Mai stattfinden.

Türkei-Wahl 2023: Opposition kann Streit um den Kandidaten nicht beilegen

Beim Streit in der Opposition geht es darum, wer als gemeinsamer Kandidat gegen Erdogan antreten soll. Die zwei größten Parteien des Bündnisses, die CHP und die Iyi-Partei, können sich bislang aber nicht einigen. Inzwischen handelt es sich um weit mehr als nur eine einfache Meinungsverschiedenheit. Die Iyi-Partei unter Parteichefin Meral Aksener verlässt das Bündnis.

Im Oppositionslager stechen gleich drei Namen hervor. Während die Iyi-Partei unter Parteichefin Meral Aksener aufgrund ihrer großen Beliebtheit den Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu oder Ankaras Bürgermeister Mansur Yavas (beide CHP) als mögliche Kandidaten für das Bündnis vorsieht, fordert ein nicht gerade unbeachtlicher Teil der CHP Parteichef Kemal Kilicdaroglu als Kandidat bei der Wahl. Alle fünf Bündnispartner außer der Iyi-Partei sind mit Kilicdaroglu einverstanden.

Wahlen in der Türkei: Oppositionsbündnis gegen Erdogan bricht zusammen

Dass ihren Bedenken keine Beachtung geschenkt wird, will sich die Iyi-Partei wohl nicht länger bieten lassen. Auf einer mit Spannung erwarteten Pressekonferenz nach einer Parteiversammlung verkündete Aksener am Freitag (3. März), man befinde sich in einer „Zwickmühle“. Sie warf dem eigenen Bündnis vor, die Fähigkeit verloren zu haben, den „Willen des Volkes“ zu widerspiegeln. Die Iyi-Partei hingegen habe der Bevölkerung genau das versprochen.

Um der Unklarheit endlich ein Ende zu setzen, hatten sich die sechs Oppositionsparteien in der Türkei am Donnerstag (2. März) in der Zentrale des Bündnis-Partners Saadet-Partei versammelt. Zuvor hieß es, man werde nun den Kandidaten festlegen, eventuell aber noch nicht verkünden. Aksener erklärte auf der Pressekonferenz ein Tag nach diesen Beratungen, sie habe dort Yavas und Imamoglu vorgeschlagen. Allerdings sei dies nicht akzeptiert worden und die - jetzt ehemaligen - Partner hätten sich auf Kilicdaroglu festgelegt.

Aksener kritisierte, das Oppositionsbündnis habe sich für „persönliche Ambitionen“ statt eines Wahlsieges entschieden. „Leider hat es nicht funktioniert“, so die Iyi-Parteichefin. „Wir werden entweder Geschichte schreiben oder wir sind Geschichte“, betonte Aksener und ergänzte am Ende ihrer Rede vor Parteimitgliedern sowie Journalisten: „Ich denke, dass wir gemeinsam Geschichte schreiben werden.“

Türkei-Wahl 2023: Anti-Erdogan-Allianz hält angespanntes Treffen

Das Treffen des Sechser-Tisches am Donnerstag hatte mehrere Stunden gedauert, wonach eine schriftliche Erklärung veröffentlicht wurde. Man habe sich mit Blick auf den Kandidaten und den Übergangsprozess auf ein „gemeinsames Verständnis“ geeinigt, hieß es. Für den Montag (6. März) wurde ein weiteres Treffen angekündigt, wo man die Ergebnisse der Öffentlichkeit mitteilen werde. So wie es aussieht, wird Aksener diesmal aber nicht dran teilnehmen. Unter der Erklärung war zwar auch ihre Unterschrift zu sehen. Doch das Papier wurde auf der Internetseite von Akseners Partei nicht veröffentlicht.

Wenige Stunden vor dem Treffen hatte der Meinungsforscher Mehmet Ali Kulat im Sender Halk TV, der der CHP nahesteht, von einer „angespannten Lage“ zwischen den Parteien berichtet. „Denn wir befinden uns an einem kritischen Punkt und nicht alle Probleme sind gelöst“, so Kulat. Spätestens nach der gemeinsamen schriftlichen Erklärung nahm der Krach in der Opposition an Fahrt auf. Die Zeichen standen auf Spaltung im Bündnis - und so ist es schließlich auch gekommen.

Türkei-Wahl 2023: Oppositionsparteien streiten sich um Kandidat gegen Erdogan

In den sozialen Medien war nach dem Treffen am Donnerstag die Hölle losgebrochen. Das Kilicdaroglu-Lager mit CHP-Vertretern und dem Parteichef nahestehenden Journalisten ließ das Ergebnis des Treffens durchsickern. Der CHP-Parteichef Kilicdaroglu werde als Oppositionskandidat in die Wahl gehen, gaben sie bekannt. Übereinstimmenden Berichten zufolge gratulierten schon mehrere CHP-Abgeordnete dem Parteichef. „Der 13. Präsident der Türkischen Republik“, twitterte etwa Irfan Degirmenci, der siegessichere Moderator des Senders Halk TV, mit einem Foto von Kilicdaroglu. Der CHP-Abgeordnete Eren Erdem, der ebenfalls für seine Nähe zu Kilicdaroglu bekannt ist, zeigte sich erfreut nach dem Treffen des Sechser-Tisches.

Auf der anderen Seite twitterten Iyi-Partei-Politiker, man werde sich nach dem Wunsch des Volkes orientieren. „Das Volk ist größer als fünf“, twitterte der Abgeordnete Ümit Dikbayir. Damit bezog er sich auf die fünf Parteien, die Kilicdaroglu als Kandidat sehen wollen. Nach den Beratungen des Bündnisses der Nation traf Aksener für ein internes Iyi-Treffen in der Parteizentrale ein und wurde dort mit Parolen wie „Meral Aksener ist die Hoffnung des Volkes“ begrüßt. Nach mehreren Stunden Gesprächen mit Parteifunktionären verließ sie ohne ein Statement das Gebäude. Mit ihren Aussagen am Freitag setzte sie der Partnerschaft im Bündnis ein Ende.

Türkei-Wahl 2023: Imamoglu will nicht antreten – Oppositionspartei verlässt Bündnis

Im oppositionsnahen Sender Tele 1 hieß es, sollte Aksener die als Kandidat vorgesehenen Personen nicht überreden können, werde sie selbst antreten. Der Istanbuler Bürgermeister Imamoglu scheint jedenfalls unwahrscheinlich. Trotz seiner Beliebtheit will er nicht kandidieren. Bereits zuvor hatte er unterstrichen, dass auch er Kilicdaroglu als Kandidaten sehen will. Nun wiederholte er dies im Sender Halk TV. Wie jeder CHP-Wähler, so Imamoglu, wünsche auch er, dass Kilicdaroglu gegen Erdogan antritt: „Meine Kandidatur kommt nicht infrage.“

Erdogan dürfte vom Streit in der Opposition und besonders von Kilicdaroglus Kandidatur profitieren. Denn Kilicdaroglu gilt als der Name, mit dem ein Sieg der Opposition am unwahrscheinlichsten gilt. Schließlich konnte ihn Erdogan bislang bei acht verschiedenen Wahlen und Volksentscheiden besiegen. Ein neuer Triumph Erdogans könnte zur Realität werden. Der CHP-Parteichef jedenfalls lässt sich von den Entwicklungen wohl nicht stören. Er hat Vorbereitungen für die Wahl wohl schon eingeleitet. Es wurden sogar Fotos für Wahlposter geschossen. (bb)

Auch interessant

Kommentare