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Zeppeline: Mit besserem Gewissen abheben

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Von: Joachim Wille

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Sieht aus wie ein Wal, kann aber fliegen: Ein „Airlander 10“-Luftschiff vor einem Probeflug im britischen Bedfordshire.
Sieht aus wie ein Wal, kann aber fliegen: Ein „Airlander 10“-Luftschiff vor einem Probeflug im britischen Bedfordshire. © Chris Radburn/dpa

Zeppeline mit Solarantrieb stoßen kaum CO2 aus / Entwicklung läuft wieder an.

Zeppeline wurden in den ersten vier Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zur Personenbeförderung und militärisch eingesetzt. Das verheerende Unglück des Zeppelins LZ 129 „Hindenburg“ markiert das Ende dieser Ära. Die Hindenburg, die mit Wasserstoff als Hebegas gefüllt war, brannte 1937 bei der Landung auf dem Flug von Frankfurt nach Lakehurst bei New York ab, 36 Menschen starben. Doch es könnte eine neue Zeppelin-Ära geben. Solarbetriebene Zeppeline wären als klimafreundliche Alternative zu herkömmlichen Flugzeugen auch auf Interkontinentalrouten denkbar. Flugpassagiere müssten allerdings längere Reisezeiten akzeptieren.

Ein deutsches Forschungsteam hat jetzt den möglichen Einsatz eines Luftschiffs mit hocheffizienten Solarzellen und extrem leichten Batterien an Bord auf der Route zwischen London und New York untersucht. Es zeigte sich, dass nur für das Aufladen der Batterie vor dem Start des Solarzeppelins noch Energie aus dem Stromnetz benötigt würde. Unterwegs könne genug Solarstrom geladen werden, so dass die gespeicherte Energie auch für den Betrieb in der Nacht reicht. Beim Transport von Frachten auf der Langstrecke würde weniger als ein Prozent der CO2-Menge frei, die bei normalen Flugzeugen durch das Verbrennen von Kerosin entsteht, und bei einem Mittelstreckenflug knapp 1,4 Prozent. Bei der (schnelleren) Personenbeförderung sind es knapp fünf Prozent.

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Das Team von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und der TU München untersuchte, welche Route ein Solarzeppelin nehmen müsste, um möglichst schnell und klimafreundlich von London nach New York und zurück zu fliegen. Studierende der FAU Erlangen simulierten in Bachelor- und Masterarbeiten, wo geflogen werden müsste, um (Rücken-)Wind und Sonnenstände ideal auszunutzen. Ergänzt wurde die Studie durch eine Bachelorarbeit, die sich mit der Ladeoptimierung der Batterie befasste. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift „International Journal of Sustainable Energy“ veröffentlicht.

FAU-Professor Christoph Pflaum erläutert: „Wenn wir auf solarbetriebene Luftschiffe setzen, können wir die Luftfahrt ziemlich schnell und ökonomisch sinnvoll klimafreundlicher machen.“ Die Berechnungen hätten gezeigt, dass der Einsatz von Solarzeppelinen nicht nur den CO2-Ausstoß, sondern auch die Transportkosten der Luftfahrt deutlich senken kann. Solarzeppeline seien absolut klimafreundlich, weil sie mit extrem leichten und hocheffizienten Dünnschichtsolarzellen sowie Lithium-Ionen-Batterien bestückt sind, die während des Flugs immer wieder neu aufgeladen werden. „Dadurch entstehen beim Fliegen keinerlei verbrennungsbedingte Emissionen“, sagt der Informatik-Professor.

Auch Transportkosten könnten sinken

Die Technologie kann Pflaum zufolge schnell realisiert werden, sei aber in den vergangenen Jahrzehnten stark vernachlässigt worden – eine Nachwirkung der Hindenburg-Katastrophe. Nun würden die Luftschiffe mit Solarzellen an Bord und natürlich unbrennbarer Füllung ganz neu gedacht, und diese könnten ein „echter Gamechanger“ für die Luftfahrt werden, meint Pflaum.

Kleinere, mit Verbrennungsmotoren angetriebene Luftschiffe werden heute unter anderem für wissenschaftliche Langzeitbeobachtungen, touristische Rundfahrten oder für Werbung eingesetzt. Einen Zeppelin als Schwerlasttransporter hatte in den 1990er-Jahren die in Brandenburg ansässige Firma „Cargolifter“ entwickelt, die aber 2002 Insolvenz anmelden musste.

Als vielversprechend gelten derzeit die „Pathfinder“-Luftschiffe des US-Unternehmens LTA Research, die mit Batterien und Solarzellen ausgestattet werden sollen; LTA steht für „Lighter Than Air“ (leichter als Luft). Die Firma, 2015 in Kalifornien gegründet, wird von Google-Mitbegründer Sergey Brin mitfinanziert. „Pathfinder 1“ ist 120 Meter lang, soll Tempo 110 schaffen, eine Reichweite von mehr als 4500 Kilometern haben und bis zu fünf Tonnen Zuladung ermöglichen. Als Hebegas dient nicht-brennbares Helium. Die LTA-Luftschiffe sollen sowohl Fracht als auch Passagiere befördern und für humanitäre Hilfe bei Katastrophen eingesetzt werden.

Pflaum sieht in dieser Entwicklung einen großen Fortschritt: „Die Firma nimmt gerade richtig viel Geld in die Hand und entwickelt zum ersten Mal seit 90 Jahren wieder ein großes, vollstarres Luftschiff, das viel Platz bietet und gut geschützt ist bei Wind und Wetter.“ Weitere Zeppelin-Entwickler sind das britische Unternehmen Hybrid Air Vehicles (HAV) und die französische Firma Flying Whales.

Ein Luftschiff ist langsamer als ein Flugzeug

Der „Airlander 10“ von HAV ist auf die Beförderung von je 100 Passagieren ausgelegt und soll auf Kurzstrecken zwischen europäischen Städten eingesetzt werden. Die Nutzlast beträgt zehn Tonnen, die Reichweite 7400 Kilometer. Zuerst ist ein Dieselantrieb geplant, später auch Elektro. Das Flying-Whales-Luftschiff „LCA60T“ soll 60 Tonnen Zuladung transportieren können.

Solarzeppeline könnten eine Alternative zu konventionellen Flugzeugen sein, meinen Pflaum und seine Kollegin Agnes Jocher von der TU München. „Nur bei der Flugzeit müssen wir Abstriche machen, denn natürlich fliegt ein Luftschiff deutlich langsamer als ein Flugzeug.“ Ein Flug über den Atlantik zwischen London und New York dauert je nach Flugrichtung bei optimierter Linienführung zwei Tage und eine Nacht beziehungsweise drei Tage und zwei Nächte. Solche Zeiten seien für die meisten Frachttransporte akzeptabel, meint Pflaum.

Doch auch für die Personenbeförderung sieht der FAU-Professor eine Chance. „Schließlich ist das Reisen in einem Luftschiff wesentlich komfortabler als in einem herkömmlichen Flugzeug.“ Da sei Platz für einen Speisesaal und einen Aufenthaltsraum und für schicke Zweibettzimmer für Passagiere.

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