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10 Jahre AfD: Elefanten im Raum

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Von: Martin Benninghoff, Yağmur Ekim Çay

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Bundessprecher Tino Chrupalla und Bundessprecherin Alice Weidel.
Bundessprecher Tino Chrupalla und Bundessprecherin Alice Weidel. © Michael Schick

Die AfD feiert sich - will aber lieber nicht an die ausgetretenen Gründer erinnert werden. Ein zehnjähriges Jubiläum, begleitet von Protesten.

Der große Kreisverkehr im hessischen Königstein ist so etwas wie die Einflugschneise der Stadt. Wer sich hier einfädelt, lenkt die Aufmerksamkeit vor lauter Spurwechseln und Abbiegemanövern auf die Straße. Doch am späten Montagnachmittag gab es abseits des schnöden Asphalts viel zu sehen: Menschen, die sich an der Hand hielten, Plakate in die Luft stemmten, Bändchen verteilten.

Wer sich als Reporterin oder Reporter zu Fuß näherte, wurde erst einmal kritisch beäugt, auf welcher Seite man steht. Auf der Seite der rechtspopulistischen AfD, die hier in Königstein ihren zehnten Geburtstag feierte, oder der zivilgesellschaftlichen Gruppen, darunter der Landesausländerbeirat und die Arbeiterwohlfahrt, die zur Gegendemonstration geladen hatten.

„Wir dulden die AfD hier in Königstein nicht“, sagte Tina Blome, Vorsitzende der örtlichen SPD. „Wir wollen, dass die AfD hier keinen Fuß mehr reinsetzen kann.“ Vor dem „Haus der Begegnung“ in der Bischof-Kaller-Straße hatten sich in der Zwischenzeit Hunderte Protestierende versammelt, mit Schildern in der Hand, von denen manche den rechtsextremistischen thüringischen Fraktionsvorsitzenden der AfD, Björn Höcke, zeigten: „Keine Bühne der AfD“, stand darauf. Auf einem Laster wurden Absperrgitter gebracht und aufgestellt, die Polizei war sichtlich aufmerksam oder auch nervös.

Protest
Die Jubiläumsfeier der AfD wurde von lautstarkem Protesten begleitet. © Boris Roessler/dpa

„Ich habe die Nazis satt“, sagte ein 86 Jahre alter Demonstrant aus der Umgebung. „ Ich habe sie gesehen und weiß, was es bedeutet.“ Dann rief er „Nazis raus“. Die AfD sei „hochgradig rassistisch“, meinte Miriam Dahlke, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Wiesbadener Landtag. „Und dagegen stellen wir uns.“

Die AfD Feier: Königstein statt Oberursel

Zwei Frauen, die hinter einer Polizeiabsperrung auf die Ankunft der AfD-Parteiprominenz warteten, zeigten sich entgeistert, dass Königstein Gastgeber der Jubiläumsfeier geworden war. Vor zehn Jahren, am 6. Februar 2013, war die Partei im nur wenige Kilometer entfernten Oberursel gegründet worden. Die AfD hatte dort ursprünglich auch für dieses Jahr angefragt, nach Angaben der Stadtwerke war die Stadthalle allerdings an dem Tag bereits gebucht gewesen. Die Pressesprecherin von Königstein, Stefanie Wagenknecht, selbst Teilnehmerin der Demo, machte deutlich, dass die AfD in ihrer Stadt nicht willkommen sei.

Wer sich an den Protestierenden vorbei bis zum Eingang der Versammlungshalle vorgearbeitet hatte, trat in eine andere Welt ein. Vor den Türen standen mehrere AfD-Funktionäre und rauchten Zigaretten, eine Frau im Pelzmantel rief den Demonstrantinnen und Demonstranten zu, sie sollten gefälligst „arbeiten gehen“. Der Frankfurter AfD-Stadtverordnete Markus Fuchs schob die aufgebrachte Frau in Richtung Tür. Drinnen war zu dem Zeitpunkt so recht noch keine Feierlaune aufgekommen, etliche Stühle blieben leer. Während der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland der FAZ-Kollegin ein Interview gab, traf mit Alice Weidel und Tino Chrupalla die aktuelle Parteispitze ein, die gleich fast alle Aufmerksamkeit auf sich zog.

„Die AfD ist eine Erfolgsgeschichte, wie es sie noch nie gegeben hat, seit die Bundesrepublik Deutschland besteht“, sagte Weidel, die am Montag ihren 44. Geburtstag feierte. Die Aufgabe sei, die Hegemonie der Linken aufzubrechen. „Um stabil und handlungsfähig zu sein, muss sich eine Nation ihrer Identität bewusst sein.“ Ihr Ko-Sprecher Chrupalla nannte die Partei ein „kritisches Korrektiv, das die Regierungspolitik hinterfragt“. Die Migration bleibe das Kernthema der AfD, das Bürgergeld der Ampel-Regierung sei ein „Anreiz für neue Armutsmigration“, auch viele Menschen aus der Ukraine seien in die Sozialsysteme eingewandert. Zudem sprach er „gezielte Messerattacken“ in Zügen an: „Wir wollen und dürfen uns niemals daran gewöhnen.“

Auffällig war, wer alles nicht da war. Von den 18 Männern, die die Partei einst in Oberursel gegründet hatten, war Martin Renner aus Nordrhein-Westfalen nach Königstein gekommen. Mehrere Redner kritisierten Ex-AfDler, die sich in der Presse negativ über die Partei geäußert hatten, „wegen verletzter Eitelkeit“, wie Hessens Landesvorsitzender Robert Lambrou behauptete. Dabei standen die Parteigründer im Fokus, von denen die meisten mittlerweile aus Enttäuschung ausgetreten sind.

10 Jahre AfD: „Unfähiger“ Bernd Lucke

Doch die Ehemaligen wie Parteigründer Bernd Lucke oder der Publizist Konrad Adam standen buchstäblich wie die Elefanten im Raum, ohne an diesem Abend dabei zu sein. Der frühere Frankfurter CDU-Stadtkämmerer und Bundestagsabgeordnete Albrecht Glaser beschied Lucke, unfähig zu sein, „eine soziale Gruppe zu managen“. Glaser sollte 2017 Bundestags-Vizepräsident werden, war aber in allen Wahlgängen durchgefallen. Einer der wenigen verbliebenen Gründungsmitglieder in der ersten Reihe ist der Ehrenvorsitzende Alexander Gauland. Obwohl einige nach drei Reden in Richtung des Caterings drängten, kam bei der Rede Gaulands so etwas wie Feierlichkeit auf, wenn man sie denn so nennen will.

Der 81 Jahre alte Ex-CDU-Politiker wusste auch an diesem Abend, welche Knöpfe er bei den anwesenden AfD-Sympathisantinnen und -Sympathisanten drücken muss. Ohne die AfD gäbe es „keine Meinungsfreiheit mehr in Deutschland“, sagte er. Die Partei sei die „Stimme der Normalen“, die nicht glaubten, dass „weiße Deutsche an allem Elend der Welt schuld sind“.

Fast stürmischen Applaus erntete die Bemerkung, dass es „nur zwei Geschlechter“ gebe, alle anderslautenden Behauptungen seien „Gedöns“. Zur Ukraine fiel ihm eine Sache ein: „Ein Krieg, der uns nichts angeht, der Deutschland nicht betrifft.“ Gauland weiter: „Wir verteidigen unsere Art zu leben“. Später zog es viele zum Büfett mit Kartoffelsalat und Würstchen.

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