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Wolfgang Rothe: „Bibelstellen heranzuziehen, um Hass gegenüber Homosexuellen zu betreiben, ist ein Missbrauch der Bibel“

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Von: Lutz Büge

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Die katholische Kirche öffnet sich nur sehr langsam - doch queere Geistliche gibt es genug. imago images
Die katholische Kirche öffnet sich nur sehr langsam - doch queere Geistliche gibt es genug. © IMAGO/Wolfgang Maria Weber

Der katholische Geistliche Wolfgang Rothe über die Diskriminierung queerer Menschen in der Kirche, Geschlechterkonstrukte – und warum er trotz allem gerne Priester ist

Herr Rothe, Sie haben das Buch „Gewollt, Geliebt. Gesegnet“ herausgegeben, in dem Sie Stimmen von katholischen Menschen versammeln, die „aufgrund ihrer sexuellen Identität oder Orientierung nicht so leben, wie es ihnen die Kirche glaubt, vorschreiben zu können“. So heißt es im Klappentext des Buches. Was hat Sie dazu bewogen, dieses Buch zu machen?

Das Buch hat ein Vorbild: Im Frühjahr 2021 veröffentlichte die Benediktinerin Philippa Rath ein Buch, in dem Frauen über ihre Berufung zur katholischen Priesterin berichteten. Da dachte ich mir: Diese Frauen sind nicht die einzigen, die in der katholischen Kirche ihre Berufung nicht leben können. Was ist zum Beispiel mit Frauen, die sich zur Ehe mit einer Frau berufen fühlen? Oder mit schwulen Männern, die sich zum katholischen Priester berufen fühlen? Ihnen und allen queeren Menschen, die in der katholischen Kirche marginalisiert werden, wollte ich eine Stimme geben.

Sehen Sie sexuelle Orientierung als Berufung?

Die sexuelle Orientierung ist etwas, das einem Menschen vorgegeben ist – genauso wie vieles andere: Vorlieben, Aussehen, intellektuelle Fähigkeiten. Aber ich denke, dass es über all das hinaus auch noch eine Art Bestimmung gibt, einen Lebensentwurf, der Menschen vorgegeben ist, ohne ihn zu präjudizieren. Zu einer Berufung kann man auch Nein sagen. Zur sexuellen Orientierung nicht.

Wolfgang Rothe engagiert sich trotz aller Kritik gerne in der katholischen Kirche.
Wolfgang Rothe engagiert sich trotz aller Kritik gerne in der katholischen Kirche. © Christian Kaufmann

Die sexuelle Orientierung ist also ein Wesensmerkmal von Menschen, etwas, das Identität stiftet. Also muss sie zwangsläufig gelebt werden (dürfen)?

Ihre Frage enthält eigentlich zwei Fragen: Muss die sexuelle Orientierung gelebt werden? Und: Muss die sexuelle Orientierung gelebt werden dürfen? Ich würde die erste Frage mit einem Nein beantworten, die zweite mit einem Ja: Wie ein Mensch seine Sexualität lebt oder nicht lebt, sollte seine freie Entscheidung sein. Genauso sollte jeder Mensch aber auch das Recht haben, seine Sexualität und damit auch seine sexuelle Orientierung frei zu leben, solange dabei nicht die Rechte anderer eingeschränkt werden.

Müssen und Dürfen. Ihr Buch vereinigt Stimmen von Menschen, die gern wollen (würden). Schon wieder zwei Fragen in einer, sorry. Bleiben wir beim Dürfen? Wenn ich mich nicht verzählt habe, enthält Ihr Buch 68 solcher Stimmen, aber die von Männern überwiegen. Warum ist das so?

Das stimmt. Ich wollte eigentlich für ein ausgeglichenes Verhältnis von Frauen und Männern sorgen. Es stellte sich aber sehr schnell heraus, dass queere Frauen sehr viel weniger bereit waren, ihre Geschichten zu erzählen. Ich befürchte, dass sie einfach zu viel Angst haben, erneut verletzt zu werden, wenn sie ihre Geschichte erzählen.

Liegt es vielleicht daran, dass die katholische Kirche von Männern dominiert ist? Frauen, die diskursprägend wirken, muss man mit der Lupe suchen.

Die Dominanz der Männer ist in den diskursprägenden Kreisen zweifellos gegeben, ansonsten aber eher nicht. Das Gemeindeleben wird zum Beispiel in der Regel von weitaus mehr Frauen als Männern getragen. Dort, an der Basis, habe ich nach Menschen Ausschau gehalten, die zur Mitarbeit an meinem Buch in Frage kamen. Begonnen habe ich mit queeren Menschen, die mir persönlich bekannt sind, und dann habe ich den Radius mit deren Hilfe immer größer gezogen. Auch Organisationen von queeren Menschen innerhalb der katholischen Kirche habe ich um Hilfe gebeten. In den Schaltstellen der kirchlichen Macht habe ich hingegen nicht angefragt. Es hat sich ja auch schon ein bisschen was bewegt. Die sexuelle Orientierung und der Familienstand sind mittlerweile kein Kriterium mehr, um die Mitarbeiter:innen katholischer Einrichtungen und Organisationen zu gängeln, zu unterdrücken oder gar zu entlassen.

Haben Sie für diese Entwicklung einen Kipppunkt ausgemacht?

Es ist eher eine langsame Entwicklung: Papst Franziskus hat immer wieder verbale Hoffnungszeichen gegeben, ohne allerdings die lehramtliche Doktrin zu ändern. Das Diskursklima innerhalb der katholischen Kirche hat sich merklich verbessert. Man kann – selbst als Kleriker – heutzutage Positionen vertreten und äußern, für die man vor zehn oder fünfzehn Jahren noch sanktioniert worden wäre. Wenn dann wieder mal aus dem Vatikan ein gegenteiliges Signal kommt – wie das 2021 ausgesprochene Verbot der Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften – gibt es inzwischen regelmäßig Widerspruch. Und nicht nur Widerspruch, sondern auch entsprechendes Handeln. So wurden im Mai 2021 über 100 öffentliche Gottesdienste von katholischen Seelsorger:innen gefeiert, in denen gleichgeschlechtlichen Paaren Gottes Segen zugesprochen wurde. Einige von ihnen wurden zwar gemahnt und verwarnt, aber sanktioniert wurde meines Wissens niemand.

Viele der Beiträge in Ihrem Buch sind anonymisiert, etwa ein Viertel. Warum wollen diese Menschen nicht mit ihren Klarnamen zu ihren Positionen stehen?

Ich war derjenige, der queere Menschen gebeten hat, ihre Geschichten öffentlich zu erzählen. Insofern empfand ich es nur als gerecht, diesen Menschen die Möglichkeit zu eröffnen, dies auch anonym zu tun – aus welchen Gründen auch immer. Die Gründe habe ich im Einzelfall nicht erfragt. Aber ich bin gewiss: Sie werden ihre Gründe haben.

In Ihrem Buch kommt ein trans Mann zu Wort, dessen Wortwahl man anmerkt, wie intensiv er sein Leben reflektiert hat. Darum erschließt sich der Text nicht ganz so unmittelbar wie andere. Er spricht vom enormen Verletzungspotenzial der Institution Kirche, schreibt aber auch davon, dass diese Kirche noch eine Menge lernen kann.

Binäre Geschlechter sind ein Konstrukt, das die Realität in ein angeblich vorgegebenes Schema pressen will – vorgegeben von der Natur und damit letztlich von Gott. Nur lässt sich die Natur eben nicht in ein Schema pressen. Und Gott schon gar nicht. Wer behauptet, Gott hätte bestimmte Gegebenheiten gewollt und andere nicht, will Gott und seiner Schöpfung Grenzen setzen und macht sich damit selbst zu Gott. Aus naturwissenschaftlicher Perspektive sind solche Bemühungen, der Natur vorschreiben zu wollen, wie sie zu sein hat, einfach nur lächerlich.

Wie lange haben Sie gebraucht, um die Beiträge für Ihr Buch zusammenzutragen?

Nicht einmal ein halbes Jahr. Es war zugleich ein seelsorgerisches Projekt: Vielen Beiträgen gingen lange Gespräche voraus, sei es am Telefon, sei es face to face. Einige der Autorinnen und Autoren haben sogar eine lange Reise auf sich genommen.

Trotzdem haben sich einige getraut, sogar mit Klarnamen. Welche Reaktionen haben sie erfahren?

Solche Menschen sind wie Prophetinnen und Propheten. Sie sind ihrer Zeit voraus, müssen Widerspruch, Anfeindungen und Repressalien ertragen, bewirken aber Veränderung. Dazu gehört oft viel Geduld. Auch die Autorinnen und Autoren meines Buchs – gerade solche, die mit Klarnamen auftreten – sind solche Prophetinnen und Propheten. Auch sie tragen zur Veränderung bei. Mir ist kein einziger Fall bekannt, dass eine Autorin oder ein Autor meines Buchs negative Erfahrungen machen musste, weil sie oder er daran mitgewirkt hat. Das heißt aber nicht, dass ihre Angst unbegründet war, sondern dass ihr Tun Veränderung bewirkt hat.

Und gab es positives Feedback?

Positiv war zuallererst, dass etliche Autorinnen und Autoren das Schreiben ihres Beitrags als Befreiungsschlag empfunden haben: Erstmals haben sie ihre Geschichte erzählt, erstmals das Schweigen durchbrochen, erstmals dem Leid etwas entgegengesetzt. Insgesamt gab es viele positive Reaktionen auf das Buch. Mir ist keine einzige negative bekannt.

Angst muss man also nicht mehr haben, jedenfalls nicht in der deutschen katholischen Kirche. Wie schätzen Sie die Situation in anderen Ländern ein?

Das Angstpotenzial ist hierzulande in letzter Zeit zumindest deutlich geringer geworden. Allerdings gibt es Unterschiede: Queere Kleriker haben – und zwar mit gutem Grund – nach wie vor noch sehr häufig Angst. Das ist aber mit der Situation in vielen anderen Ländern nicht zu vergleichen. Nach wie vor gibt es Länder, in denen queere Menschen, wenn sie ihrer Natur entsprechend leben, mit Strafen bis hin zur Todesstrafe rechnen müssen. Die christlichen Kirchen sind dabei nicht selten treibende Kraft: In Afrika beschweren sich regelmäßig Bischöfe, dass der Staat nicht energisch genug gegen queere Menschen vorgeht. Ihnen hat Papst Franziskus eine klare Botschaft geschickt: Homosexualität ist kein Verbrechen! Das ist aus europäischer Perspektive ein Gemeinplatz, für manche afrikanische Länder hingegen eine geradezu revolutionäre Botschaft.

Ist es nicht naheliegend, dass Menschen, denen mit solcher Ablehnung begegnet wird, Ängste entwickeln?

Diese Ängste sind nicht einfach so da, sondern entstehen aus Erfahrung: aus Diskriminierung, Ächtung, Unterdrückung, Verfolgung. Auf der anderen Seite ist es für mich eine wunderbare Erfahrung, dass hierzulande gerade eine junge Generation queerer Menschen heranwächst, die diese Ängste nicht mehr hat – nicht mehr haben muss, weil ihre Rechte geschützt werden und ihr Anderssein von der Gesellschaft respektiert wird. Davon ist die katholische Kirche noch weit entfernt. Als Seelsorger muss ich aber sagen: Da will ich hin! Auch in der katholischen Kirche – gerade in der katholischen Kirche – sollten Menschen frei leben und aufwachsen dürfen. Es ist eben nicht so, dass jeder Mensch so angenommen wird, wie er nun mal ist. Das Anderssein setzt ein Maß, eine Norm, voraus, die es aber gar nicht gibt. Sobald man eine bestimmte geschlechtliche Identität oder sexuelle Orientierung als normal deklariert, schafft man automatisch das Unnormale, Schlechte(re). Wer sich als unnormal oder schlecht(er) empfindet, bekommt es mit der Angst zu tun. Mein Anliegen als Seelsorger ist es, queeren Menschen zu sagen: So wie du bist, bist du gut. So wie du bist, bist du von Gott gewollt. So wie du bist, darfst du sein.

Aus sich heraus zu sich Ja zu sagen, ist mitunter gar nicht so einfach.

Ja, vor allem wenn einem eingeredet wird, dass etwas mit einem nicht stimmt. Das geschieht oft ganz subtil. So steht zum Beispiel im Katechismus der katholischen Kirche der lapidare Satz, dass die „psychische Entstehung“ von Homosexualität „noch weitgehend ungeklärt“ sei. Das klingt harmlos, suggeriert aber, dass Homosexualität im Unterschied zu Heterosexualität eine Ursache haben muss, eine psychische noch dazu. Wer so etwas liest, muss automatisch denken, dass mit ihr oder ihm etwas nicht stimmt. Diskriminierung hat viele Gesichter. Und manche davon lächeln mitleidvoll.

Im dritten Buch Mose (3. Mose 18, 22) steht: „Du sollst nicht mit einem Mann schlafen, wie man mit einer Frau schläft; ein Gräuel ist das.“ Ein Klassiker. Kurz darauf wird noch schärfer formuliert: „Wenn ein Mann mit einem Mann schläft wie mit einer Frau – ein Gräuel haben beide verübt, sterben, ja sterben sollen sie, ihr Blut über sie!“ (20, 13). Todesstrafe für Homosexuelle – wir sind im Iran?

Tatsächlich führt uns Ihr Hinweis auf Levitikus 18,22 und 20,13 zum Ursprung der christlichen Homophobie und Queerfeindlichkeit – oder auch nicht, denn diese Stellen wurden erst relativ spät herangezogen, um eine moralische Doktrin zu begründen. In diesen Zusammenhang gehört übrigens auch die Erzählung von Sodom und Gomorra. Verurteilt wird der sexuelle Missbrauch von Männern durch Männer – was im betreffenden Kulturkreis eine durchaus übliche Praxis war. Auf diese Weise erfolgte mitunter die maximale Demütigung und Unterwerfung von Kriegsgefangenen. Das wird in der Bibel verurteilt – nicht der einvernehmliche Sex zweier homosexueller Menschen. Solche Bibelstellen heranzuziehen, um Hass und Hetze gegenüber Homosexuellen zu betreiben, ist nichts anderes als ein Missbrauch der Bibel. Im Übrigen war Homosexualität als integraler Bestandteil der Persönlichkeit mancher Menschen zu biblischer Zeit noch gar nicht bekannt.

Also alles ein riesiges Missverständnis?

Missverständnis bei denen, die es nicht besser wissen, Missbrauch bei denen, die es besser wissen (müssten).

Bleibt die Frage, woher die Homophobie der Amtskirche kommt.

Sie speist sich ganz wesentlich aus ihrem Machtanspruch, der durch einen Wahrheitsanspruch zu legitimieren versucht wird. In der Vergangenheit waren sich Staat, Gesellschaft und Kirche darin einig, dass Homosexualität unmoralisch ist. Staat und Gesellschaft haben – zumindest hierzulande – eingesehen, dass sie sich geirrt haben. Das aber kann und will die Kirche nicht zugeben, weil sie damit ihren Wahrheitsanspruch preisgeben würde. Darum versucht sie – nun gegen Staat und Gesellschaft – zu begründen, warum ihre vormals eher beiläufige, weil allgemein geteilte Homophobie richtig war. Zu diesem Zweck werden besagte Bibelstellen herangezerrt und in Stellung gebracht, allen exegetischen Erkenntnissen zum Trotz.

Nehmen wir die „Ehe für alle“. Staaten wie Spanien oder Irland hatten gesetzliche Regelungen lange vor Deutschland, obwohl sie stark von der katholischen Kirche geprägt sind. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Kirche – nicht nur bei diesem Thema – ins Hintertreffen gerät. Verschlafen die „alten weißen Männer“ im Vatikan den Wandel?

Absolut. Meinem Eindruck nach ist die Amtskirche längst ins Hintertreffen geraten.

Ich hätte erwartet, dass Sie mich watschen, wegen der „alten weißen Männer“. Denn zu denen gehören wir beide ja ebenfalls, und wenn man im Glashaus sitzt …

Ich werde oft gefragt, warum ich überhaupt noch in der katholischen Kirche und sogar für die katholische Kirche tätig bin, da es doch so viel in der katholischen Kirche gibt, mit dem ich nicht einverstanden bin. Der wichtigste Grund: Ich kann mir keine schönere Arbeit vorstellen! Ich bin – trotz allem – wirklich gerne Priester und Seelsorger.

Wolfang Rothe im FR-Blogtalk

Wolfgang F. Rothe wurde 1967 geboren und 1996 zum katholischen Priester geweiht. Er ist Doktor der Theologie und des Kirchenrechts und setzt sich gegen Diskriminierung in der katholischen Kirche ein. Er hat das Buch „Gewollt. Geliebt. Gesegnet“ herausgegeben. Von ihm stammt auch das Buch „Missbrauchte Kirche: Eine Abrechnung mit der katholischen Sexualmoral und ihren Verfechtern“.

Unter dem Begriff „queer“ versammeln sich international verschiedene sexuelle Orientierungen und Identitäten. Das Wort ist in Deutschland seit langem gebräuchlich. Es dient zur begrifflichen Abgrenzung vom hetero-normativen Sprachgebrauch und versucht, Orientierungen zu beschreiben, die anders sind. Direkt übersetzt heißt „queer“ so viel wie „seltsam“.

In den meisten Religionen haben es Menschen schwer, die hinsichtlich ihrer sexuellen Orientierung von religiösen Dogmen abweichen. In der katholischen Kirche geht es im Zuge des „Synodalen Wegs“ zurzeit auch um dieses Thema: Dürfen Menschen und ihre Beziehungen, die nicht der Norm entsprechen, dennoch gesegnet werden? Was haben Priester zu befürchten, die solchen Menschen Segen spenden? Diskriminiert die Kirche, grenzt sie aus? Erzeugt sie Angst?

Das hier präsentierte Interview ist ein Extrakt aus einem Blogtalk, der vom 27. Februar bis zum 7. März lief. Das komplette Gespräch ist jederzeit nachlesbar auf www.frblog.de/blogtalk-rothe

Ist es nicht frustrierend zu erleben, dass sich diese Kirche praktisch nicht bewegt? Es gibt seit langem HuK e.V. (Homosexuelle und Kirche), es gibt den Eckigen Tisch, den Synodalen Weg und Maria 2.0. Also eine Menge Basis- und Graswurzelbewegung mit dem Ziel „Erneuerung“. Aber die katholischen Bischöfe haben mit ihrer Sperrminorität verhindert, dass im Zuge des Synodalen Weges für eine erneuerte Sexualethik eingetreten wird. Demokratie geht anders, oder?

Mittlerweile hat auch eine deutliche Mehrheit der Bischöfe erkannt, dass Reformen nötig sind. Ein Grundsatztext zur Sexualmoral fand zwar in der Tat nicht die nötige Mehrheit unter den Bischöfen, alle danach zur Abstimmung gestellten Texte hingegen schon. Ja, es ist frustrierend, dass es zu langsam vorangeht. Aber immerhin geht es voran. Noch vor einem Jahrzehnt hätte ich mich an diesem Blogtalk nicht beteiligen können, ohne mit Sanktionen bis hin zum Jobverlust rechnen zu müssen.

An einigen Stellen Ihres Buch musste ich schmunzeln, etwa wenn Eingeweihte spöttisch über Kardinal Joachim Meisner lachen, der ernsthaft behauptete, niemals habe er Homosexuellen die Hände zur Weihe aufgelegt. Oder ich schlucke, wenn ein Priester Homosexualität gar als Waffe definiert. Als Mittel zur Ausgrenzung innerhalb der Amtskirche?

Manches kann man wirklich nur mit Humor nehmen – etwa wenn sich Leute, die als besonders homophob aufgefallen sind, plötzlich als schwul erweisen. Aber im Grunde handelt es sich um ein ernstes, ja trauriges Thema. Denn dass Homosexualität als Waffe verwendet wird, ist real: Menschen werden dadurch in ihrer Existenz bedroht, manipuliert, ausgenutzt, ihrer Freiheit beraubt.

Buchcover: Wolfgang F. Rothe (Hrsg.):„Gewollt. Geliebt. Gesegnet.“ Herder Verlag Freiburg 2022, 160 Seiten, 18 Euro.
Wolfgang F. Rothe (Hrsg.): © Herder Verlag

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