Einer von Putins größten politischen Fehlern holt ihn nun wieder ein

Die Korruption war jahrelang Putins treuer Begleiter, doch im Ukraine-Krieg sorgen Datenlecks aufgrund der Bestechlichkeit von Moskauer Polizeibeamten nun für Ärger.
Moskau – Nach außen hin gibt sich der russische Präsident Wladimir Putin bescheiden, tatsächlich zählt er aber zu den reichsten Menschen der Welt. Die Korruption in Russland war in den vergangenen Jahrzehnten sein treuer Begleiter. Der Kremlchef nutzte die Bestechlichkeit im Land, um sein umfangreiches Vermögen anzuhäufen, um Vertraute in Machtpositionen zu bringen – und Gegner ins Gefängnis. Im Ukraine-Krieg könnte das Korruptionsnetzwerk jetzt außer Kontrolle geraten sein.
Außer Kontrolle? Korruptionsnetzwerk in Russland im Visier des Inlandsgeheimdienstes
Russland lag laut Transparency International im Jahr 2022 im globalen Korruptionsindex auf Platz 137 von insgesamt 180 untersuchten Ländern. „Gerade das russische Regime versucht auch strategische Korruption einzusetzen, um Demokratien zu unterwandern, zu unterlaufen und Einfluss zu nehmen auf politische Entscheidungen“, hieß es vonseiten der stellvertretenden Vorsitzenden von Transparency International, Margarete Bause.
Die Korruption in Russland zieht sich durch alle Ebenen der Gesellschaft, was Putin jahrelang zu seinem Vorteil nutzte. Doch nun scheint das System nicht mehr zu funktionieren. In der vergangenen Woche berichtete die russische Nachrichtenagentur Tass von Razzien in Moskauer Polizeibehörden. Mehrere Beamte sollen russischen Medienberichten zufolge vom Inlandsgeheimdienst FSB festgenommen worden sein. Es bestehe der Verdacht, die Beamten hätten persönliche Daten über russische Sicherheitskräfte an externe Personen weitergegeben, einige von ihnen ukrainische Staatsbürger.
Zuvor waren prominente nationalistische Kriegsbefürworter wie der Blogger Wladlen Tatarski oder Daria Dugina, die Tochter des Kreml-Philosophen Alexander Dugin, bei gezielten Anschlägen getötet worden. Die Ukraine hatte sich nicht offiziell zu den Attentaten bekannt. Der Kreml entferne nun Polizisten, „die nach den Attentaten auf Tatarski und Dugina Adressen von bestimmten Beamten an ukrainische Bürger verkaufen“, sagte Anton Geraschenko, ein Berater des ukrainischen Innenministeriums, im Gespräch mit Daily Beast. „Sie haben Angst vor Attentaten.“
Ukraine-Krieg: Putin will Schwarzmarkt gestohlener Daten austrocknen
Seit Jahren existiert in Russland ein Schwarzmarkt gestohlener Daten – darunter Handynummern, Adressen, Aufenthaltsorte, Textnachrichten oder Bankdaten. Die Preise variieren je nach Aufwand der Beschaffung, die gestohlene Datensammlung wird auch „probiv“ genannt, wie die Moskau-Korrespondentin von Daily Beast berichtete. Sowohl eifersüchtige Ehepartner, Anwälte, Journalisten als auch kriminelle Netze nutzen demnach die gestohlenen privaten Informationen. Dass die Korruption der russischen Polizei nun auch auf Putins Radar landete, liegt schlicht am Ukraine-Krieg. Denn das angegriffene Land könnte die russischen Datenlecks zu seinem Vorteil nutzen.
Der Kreml beschuldigte die festgenommenen Polizisten öffentlich, Informationen an die Ukraine weitergegeben zu haben. Die Nachrichtenagentur Tass wird im Hinblick auf das Datenleck bei der Polizei konkreter: „Ukrainer nutzten dies aus und bestellten Informationen über Sicherheitskräfte, Richter und andere Spezialdienste“, hieß es. Diese Angaben ließen sich nicht unabhängig verifizieren. Lücken in seinem eigenen Korruptionssystem sollen Putin allerdings seit 2018 bekannt sein, als im Zusammenhang mit dem Nervengift-Anschlag auf den Ex-Spion Sergei Skripal und seine Tochter, zwei russische Staatsbürger von der Polizei in London verhaftet wurden. Deren Identität hatte ein Recherche-Netzwerk offenbar mithilfe von probiv-Daten enthüllt.
Die Razzien der vergangenen Woche seien auch vor dem Hintergrund von Verhaftungen und Entlassungen prominenter Mitglieder in der Führung der russischen Nationalgarde zu sehen, hieß es dazu in einer Analyse der US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW). Putin wolle womöglich den inneren Sicherheitsapparat überholen, „um Beamte, die in der Gunst des Kremls gefallen sind, zu entlassen und die Kontrolle über die inneren Sicherheitsorgane weiter zu festigen“, so das ISW. „Jede Regierung muss in der Lage sein, Informationen zu schützen, vor allem eine mit solch autokratischen Tendenzen“, meint der ehemalige KGB-Offizier und frühere Duma-Abgeordnete Gennadi Gudkow zu Daily Beast. Doch in einem korrupten Land könne man keine Informationen geheim halten.
Diesen Einfluss hat die russische Korruption im Ukraine-Krieg – und in Deutschland
Während die strategische Korruption im Ausland Putins Macht festigen könnte, ist die systemische Korruption in seinem eigenen Land wohl zum Problem geworden. Beobachter bezweifeln, dass ein paar festgenommene Polizisten das Korruptionssystem erschüttern können, das sich über Jahrzehnte etabliert hat. Allerdings trägt auch der Ukraine-Krieg zur Bereicherung von Putins-Gefolgsleuten bei. So hat der Chef der Wagner-Söldnertruppe, Jewgeni Prigoschin, einer Recherche unabhängiger Journalisten zufolge durch Verträge mit dem Verteidigungsministerium in Moskau im Jahr 2022 am Krieg rund 52 Millionen Euro verdient, deutlich mehr als noch im Vorjahr.
Die Auswüchse der strategischen russischen Korruption reichen offenbar auch bis nach Deutschland: Mithilfe massiver finanzieller Mittel habe Russland über viele Jahre hinweg sein Einflussnetzwerk auf der Bundes- und Landesebene in Deutschland ausgebaut. Geld sei etwa in die Unterstützung von AfD-Politikern, die Finanzierung der landeseigenen „Stiftung Klima- und Umweltschutz MV“ und Desinformationskampagnen geflossen – oder in lukrative Posten wie etwa für den ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD). So habe Russland seine geopolitische Position stärken können (bme).