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Wladimir Putin als „komplexbeladener Liliputaner“ beschimpft

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Von: Stefan Scholl

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Seine Herrschaft scheint nicht bedroht: Wladimir Putin.
Seine Herrschaft scheint nicht bedroht: Wladimir Putin. © dpa

Ein geleakter Mitschnitt eines Gesprächs prominenter russischer Magnaten ist voller Hasstiraden auf den Präsidenten. Sofern das Audio authentisch ist, offenbart es eine miserable Stimmung in Moskaus High Society.

Auch reiche Männer fluchen gerne. So, allem Anschein nach, auch Russlands berühmtester Schlagerproduzent Jossif Prigoschin und der Wirtschaftsmagnaten Farchad Achmedow. Im Internet tauchte jüngst ein Mitschnitt eines Telefonats der beiden auf. „Die Situation haben sie verschissen. Das Land haben sie verschissen. Alles habe sie verschissen“, schimpft darin Achmedow, „Sie haben das Land durchgefickt“, ist Prigoschin zu hören.

Er hat damit seinen berühmt-berüchtigten Namensvetter, den Söldnerchef Jewgenij Prigoschin, zeitweilig aus den Schlagzeilen verdrängt. In dem 35 Minuten langen Mitschnitt beschimpfen die beiden Männer Wladimir Putin. Ist dieses Band echt und gibt die Stimmung der russischen Elite nach 13 Monaten „Kriegsspezialoperation“ in der Ukraine wieder?

Zumindest Prigoschin bestreitet das, er sagte am Sonntag auf Instagram, das Audio sei ein Fake. Aber dem Portal „Fontanka“ gestand er, „gewisse Momente“ des Gesprächs seien real. Achmedow schweigt dazu.

Kritik an Wladimir Putin: „Wenn er durchknallt, gibt es keine Zukunft mehr“

Auch mehrere kremlnahe Telegramkanäle reden von einem Fake, wohl um den Inhalt des Mitschnitts zu entwerten. Andere Beobachter:innen bezweifeln, dass sich ein halbstündiges Gespräch so perfekt fälschen ließe. Und wenn ukrainische Propagandist:innen wirklich dazu fähig wären, hätten sie das genutzt, um viel mächtigere Putin-Mannen zu diskreditieren, etwa Verteidigungsminister Sergej Schoigu oder Nikolai Patruschew, den Sekretär des Sicherheitsrates. Auch das Portal „Waschnije Istorii“ berichtet, die Aufnahme sei echt, und beruft sich dafür auf eine russische Geheimdienstquelle. Die FSB-Führung habe befohlen, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.

In dem Tonmitschnitt erzählt Prigoschin, Igor Setschin, Chef des Staatskonzerns Rosneft, Sergej Tschemesow, Generaldirektor von Rostech, und Viktor Solotow, Kommandeur der Nationalgarde, hätten sich zusammengetan, um Schoigu zu entmachten. Der solle zum Sündenbock gemacht werden.

Und auch Wladimir Putin selbst, den beide nur „er“ nennen, wird von dem Milliardär und dem Starproduzenten scharf angegangen: „Wenn er durchknallt und auf den Knopf drückt, gibt es für die ganze Nation keine Scheißzukunft mehr.“ Achmedow nennt Putin „komplexbeladener Liliputaner“ und „Satan“.

Miserable Stimmung in der High Society Moskaus

Beide Gesprächspartner klagen über gesperrte Konten und beschlagnahmte Yachten, wegen der Sanktionen müssten sie jetzt in die Wüste, nach Dubai, fahren, um Wohnungen zu kaufen. Vor allem Achmedow macht Putin und sein Regime dafür verantwortlich. Er prophezeit Russland zudem einen blutigen Bürgerkrieg zwischen Kadyrow-Tschetschenen und Wagner-Söldnern. Und er schimpft auch über Putins „Kriegsspezialoperation“: „Wie viel kostet dieser Krieg jeden Tag, wie viele unschuldige Menschen sterben? Ein Brudermordkrieg, Scheiße.“

Die einzige Lösung sei, dass Putin in der Ukraine gewinne, antwortet Prigoschin. „Wenn er auch noch verliert, landet alles voll in der Scheiße“, so Prigoschin, der als Putin-Fan gilt und 2014 einen kollektiven Brief unterzeichnete, der die Annexion der Krim unterstützte. Bei den jüngsten Präsidentschaftswahlen 2018 gehörte er zu Putins Vertrauensleuten. Auch Achmedow, der von 2004 bis 2009 als Senator im russischen Föderationsrat saß, kritisierte Putin nie öffentlich.

Sofern das Audio wirklich authentisch ist, offenbart es also eine miserable Stimmung in Moskaus High Society. Aber der Frust, der dabei herauszuhören ist, zeugt auch von Ohnmacht. Noch scheint Putins Herrschaft nicht unmittelbar bedroht. Prigoschin und Achmedow aber müssen sich persönlich auf neue Probleme einstellen.

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