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„Wir brauchen Freunde“

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Von: Martin Benninghoff

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Alles andere als ein Kriegsschauplatz: die Meerenge zwischen der chinesischen Insel Dadeng (hinten) und Taiwans Kinmen-Inseln (vorne). Sam Yeh/AFP
Alles andere als ein Kriegsschauplatz: die Meerenge zwischen der chinesischen Insel Dadeng (hinten) und Taiwans Kinmen-Inseln (vorne). Sam Yeh/AFP © afp

Taiwans Generalkonsul in Frankfurt spricht im FR-Interview über Chinas Großmachtpolitik, ausbaufähige Kommunikationskanäle und Besuch von der FDP.

Herr Huang, politisch stehen die Zeichen auf Konfrontation. China droht, sich Taiwan als „abtrünnige Insel“ einzuverleiben. Was glauben Sie, wie groß ist die unmittelbare Gefahr, dass China in den nächsten Jahren Fakten schafft?

Sie ist groß, aber nicht so, dass wir mit einem Angriff in den nächsten zwei, drei Jahren rechnen. Aber wenn sich die Wirtschaftslage in China weiter so verschlechtert und auch der Lebensstandard sinkt, wird sich die Wut der Menschen zunehmend auf die Regierung in Peking richten. Und dann könnte ein Krieg gegen Taiwan dazu genutzt werden, den Fokus von der eigenen Misere nach außen zu lenken. Darin liegt die Gefahr für uns. Daneben könnten die militärischen Manöver, die China die ganze Zeit rund um Taiwan durchführt, wegen unerwarteter Unfälle oder Zufälle zu einem richtigen Konflikt führen.

Andererseits würde die chinesische Expansion wirtschaftliche Sanktionen und Strafmaßnahmen der internationalen Gemeinschaft nach sich ziehen – damit wäre das Wohlstandsniveau in China gefährdet. Glauben Sie, dass sich Staatspräsident Xi Jinping darauf einlässt?

Die Gefahr besteht jedenfalls. Xi Jinping zeigt sich aggressiv. Wir brauchen Freunde – mehr Freunde auf der Welt.

Taiwan muss sich aber vor allem auch selbst helfen können...

… wir müssen die Verteidigung ausbauen. U-Boote produzieren wir selbst, andere Gerätschaften kaufen wir woanders. Wir müssen für den Krieg vorbereitet sein, aber wir werden ihn nicht beginnen.

Während früher deutsche Minister nach Taipeh gereist sind, macht die Politik einen Bogen um Taiwan. Allerdings scheint sich das zu ändern – zuletzt war beispielsweise Frau Strack-Zimmermann (FDP) zu Besuch. Warum sind solche Besuche für Sie wichtig?

Sie sind ein Zeichen der Solidarität für unsere Landsleute. Taiwan ist ein demokratischer Staat, wir brauchen die Unterstützung. Traditionell hat Taiwan gute Beziehungen zu den USA, mittlerweile auch zu Japan und Südkorea. Aber zu den EU-Ländern sind sie noch ausbaufähig, da spielt Deutschland eine wichtige Rolle. Nur, mit der deutschen Regierung gibt es eigentlich unzulängliche offizielle Kommunikationskanäle wegen der strikten „Ein-China-Politik“. Wir brauchen aber alle Arten von Unterstützung und werden immer noch Freunde zum Besuch einladen.

Bislang sind das „nur“ Abgeordnete. Bildungsministerin Stark-Watzinger soll im Frühjahr nach Taiwan reisen, als erste Ministerin der Bundesregierung seit Jahrzehnten. Hat Ihre Regierung eigentlich einen besonderen heißen Draht zur FDP?

Eigentlich versuchen wir gute Kommunikationen mit allen Parteien zu halten, um die bilateralen Beziehungen zwischen unseren Ländern zu stärken. Natürlich wegen der Kernwerte ist die FDP da vielleicht offener als andere Parteien, es mag an den guten Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Taiwan liegen, und auch daran, dass deutsche Unternehmen Einfluss bei der FDP nehmen, vor allem der Mittelstand. Die früh bekanntgewordene Information über den eventuellen Besuch der Ministerin könnte ein Testballon sein, um zu sehen, wie China reagiert.

Die Frage ist, ob Sie da ähnlich viel Glück bei der SPD hätten, die laut ihrem neuen Strategieentwurf zwar verstärkt mit Demokratien in Beziehung kommen, aber mit China weiterhin im Geschäft bleiben will.

Ja, aber ich glaube, das funktioniert beides parallel. Taiwan betreibt starken Handel mit China, rund 40 Prozent des Exports geht ans Festland nach China. Wir wissen, was es bedeutet, China als wichtigen Partner zu haben. Aber sowohl Chinas Verhalten im Ukraine-Krieg als auch das Missmanagement in der Corona-Pandemie zeigen, dass China eben nicht der bessere Partner als Taiwan ist. Zumal man gesehen hat, wie China den Handel benutzt als Waffen gegen Taiwan oder Australien oder Litauen. Diese Sichtweise setzt sich durch, nachdem jahrzehntelang vor allem China im Fokus der deutschen Interessen stand.

Das heißt, Sie sehen die Chance für Taiwan gekommen, jetzt – da viele im Westen von China abrücken – daran zu erinnern, dass Taiwan als demokratisches China ein guter Partner wäre?

Ja, die Volksrepublik China ist eine Diktatur. Die wichtigen Nachrichten und Informationen werden dort unterdrückt. Natürlich muss man auch weiterhin mit autoritären Regimen reden, aber Regime wie China nutzen den Außenhandel auch für ihre strategisch-propagandistischen Ziele, da muss man aufpassen. Das Verhältnis mit Taiwan ist unkomplizierter. Dazu kann Taiwan bei Stärkung der deutschen Chinakompetenz helfen. Es ist Zeit, auf den Mythos von „Entweder-Taiwan oder China“ zu verzichten, damit alle durch diese Zusammenarbeit und den Austausch gewinnen.

Interview: Martin Benninghoff

Jui-Kun Huang (63) ist seit Januar 2023 im Amt und war zuvor Diplomat in Bratislava, Wien und Berlin.
Jui-Kun Huang (63) ist seit Januar 2023 im Amt und war zuvor Diplomat in Bratislava, Wien und Berlin. privat © privat

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