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Wie Putin der Ukraine den Krieg erklärte

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Von: Tatjana Coerschulte

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Wladimir Putin verfügt, wo’s langgeht.
Wladimir Putin verfügt, wo’s langgeht. © afp

Ein Jahr nach Russlands Überfall auf die Ukraine blickt die FR auf Zitate, die bleiben werden. So auch auf Putins Worte: „Wir werden versuchen, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren“.

Der Satz des russischen Präsidenten könnte Eingang finden in gleich zwei Lehrbücher: Die erste Hälfte von Wladimir Putins Ankündigung gehört in ein Brevier der großen historischen Irrtümer, die zweite Hälfte in eine Fibel für infame Geschichtsklitterung.

Wir werden versuchen, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren

Wladimir Putin

Der Satz fällt in der Ansprache des Autokraten in der Nacht vom 23. auf den 24. Februar 2022, in der er den Angriff auf die Ukraine begründet. Dabei greift Putin mit „entnazifizieren“ zu einer Verdrehung von Fakten, die der sowjetischen Propaganda entstammt und unter Stalin in die Welt gesetzt wurde: Dessen Zwangskollektivierung der Landwirtschaft hatte in der Ukraine Anfang der 1930er-Jahre eine furchtbare Hungersnot ausgelöst, hinzu kamen politische Säuberungen und Repressionen, die zur Verelendung des Landes führten. Nicht wenige Ukrainer:innen begrüßten daher die Nazi-Truppen Anfang der 1940er-Jahre als vermeintliche Befreier. Ein grausamer Trugschluss, den Stalin der Ukraine aber nie verzieh. Dieses Etikett holt Putin nun aus der Mottenkiste und klebt es einem Staat auf, der sich eine demokratische Verfassung gegeben hat und Anschluss an die liberalen Demokratien des Westens sucht.

Ein Schwarzer Tag

Am 24. Februar 2023 blickt die FR mit einer Themenausgabe zurück auf das Jahr der Zeitenwende und Russlands Überfall auf die gesamte Ukraine. FR

Viel schwerwiegendere Folgen haben sich für Putin aber aus dem ersten Teil seines Satzes ergeben. Ein Jahr nach dem russischen Angriff ist die Ukraine mitnichten „entmilitarisiert“, im Gegenteil: Durch die Lieferungen der Nato-Staaten verfügt das Land über modernere Waffen denn je. Gleichzeitig steht die Nato so eng zusammen wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Der Mann im Kreml, der sich in der Tradition Stalins sieht, ist einer Fehleinschätzung historischen Ausmaßes aufgesessen.

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