Wie geht klimafreundlich essen?

Eine Studie betont das Potenzial fleischarmer Ernährung für die Umwelt. Dafür ist es gar nicht nötig, komplett auf Fleisch zu verzichten.
Wer an den Klimawandel denkt, hat qualmende Kraftwerke und Autos vor dem inneren Auge. Daran ist durchaus nichts auszusetzen, außer dass es eben nur ein Teil der Wahrheit ist. Der weltweite Nahrungsmittelverbrauch allein könnte bis Ende dieses Jahrhunderts bei gleichbleibenden Ernährungsmustern zu einer zusätzlichen Erwärmung von beinahe einem Grad Celsius führen.
Das belegt eine kürzlich im Fachjournal „Nature Climate Change“ erschienene Studie. Seit der Industrialisierung hat sich die Erde um 1,1 Grad erwärmt. Das Forschungsteam um Catherine Ivanovich von der Columbia University zeigt mit diesen Ergebnissen, dass unser Lebensmittelverbrauch ausreicht, um die Temperaturziele des Pariser Klimaabkommens zu verfehlen.
Etwa 15 Prozent der bisherigen Erderwärmung gehen auf die Kappe der Landwirtschaft. Und das, obwohl nur drei Prozent der CO2-Emissionen auf den Sektor zurückzuführen sind. Schuld sind zwei andere Treibhausgase: Methan und Lachgas.
Etwa die Hälfte der weltweiten Methan-Emissionen und sogar zwei Drittel der Lachgas-Emissionen gehen auf die Lebensmittelproduktion zurück. Beide Gase treten in wesentlich geringeren Konzentrationen in der Atmosphäre auf als CO2, sind aber ungleich klimaschädlicher. Methan kann 100-mal mehr Wärmestrahlung zurückhalten als dieselbe Menge CO2, hat allerdings nur eine durchschnittliche Verweildauer in der Atmosphäre von zehn Jahren. Lachgas mit einer Lebensdauer von 100 Jahren ist sogar 250-mal so potent wie CO2.
Die Klimawirkung der Landwirtschaft basiert also vor allem auf diesen beiden Treibhausgasen, wobei Methan durch deutlich höhere Emissionen die Nase vorn hat. Und das bringt uns wieder zum Fleisch. Die Tierhaltung ist eine der größten Methanquellen weltweit. Mehr als die Hälfte der prognostizierten Erderwärmung durch Lebensmittel geht auf den Konsum von Fleisch- und Milchprodukten zurück. Aber auch beim Reisanbau entstehen große Mengen Methan.
Für knapp 100 Lebensmittel recherchierte das Forschungsteam den Treibhausgas-Fußabdruck, aufgeteilt in CO2, Methan und Lachgas. Die Aufspaltung in einzelne Gase ermöglichte es dem Team, ein Klimamodell mit diesen Daten zu füttern.
Klimafreundlich und Gesund
Die „Harvard Medical School“ hat das Buch „Eat, Drink, and Be Healthy“ veröffentlicht. Darin empfiehlt sie zum Beispiel, dass rotes Fleisch nur einmal die Woche und Geflügel, Fisch oder Ei insgesamt höchstens zweimal am Tag verzehrt werden sollten.
Die „Planetary Health Diet“ geht in eine ähnliche Richtung, sie wurde von Klimaforschern und Ernährungswissenschaftlerinnen entwickelt. Der Speiseplan vereint Gesundheit und Klimaschutz: Wer besser isst, ist gesünder – so die zentrale These.
Dieser Speiseplan sieht noch nicht einmal vor, dass alle vegetarisch oder vegan leben müssen.
Damit Menschen und Planet gesund bleiben, müsste der Konsum von Obst und Gemüse, Hülsenfrüchten und Nüssen ungefähr verdoppelt werden und dafür der Verzehr von Fleisch und Zucker halbiert.
Außerdem lohnt es sich , auf besonders Methan-intensive Lebensmittel zu verzichten. Dazu zählen Reis, Milchprodukte und eben Fleisch. FR
Frühere Studien fassten die verschiedenen Treibhausgase häufig in CO2-Äquivalenten zusammen. Damit könne das Erwärmungspotenzial über einen Zeitverlauf allerdings nicht realistisch abgebildet werden, argumentieren die Autor:innen um Ivanovich. „Klimamodellierung ist die beste Methode, um die Auswirkungen der Treibhausgasemissionen auf die Temperatur im Laufe der Zeit zu bewerten.“
Unter der Annahme, dass weltweite Ernährungs- und Produktionsweisen unverändert bleiben – einige Studien gehen von einem drastischen Anstieg des Fleischkonsums aus –, prognostizierten die Wissenschaftler:innen die Klimawirkung bis zum Ende des Jahrhunderts. Dazu betrachteten sie unterschiedliche Szenarien des Bevölkerungswachstums.
Selbst wenn die Weltbevölkerung konstant auf dem Stand von 2020 bleiben würde – eine unrealistische Annahme –, würde der Nahrungsverbrauch zu einer Erwärmung um 0,7 Grad führen. Und damit geringstenfalls das 1,5-Grad-Ziel sprengen.
Wie so oft beim Klimawandel muss sich die Menschheit auch hier nicht hilflos ihrem Schicksal ergeben. Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, mit denen über die Hälfte der Erwärmung vermieden werden könnte: Änderung der Produktionsverfahren, Verringerung der Lebensmittelabfälle, Wechsel zu einer gesünderen Ernährung.
Überraschend wenig Unterschied lässt sich durch die Vermeidung von Abfällen erreichen. Dabei betrachtet die Studie nur Abfälle, die im Einzelhandel und den Haushalten anfallen. Schon bevor die Lebensmittel im Laden landen, gehen allerdings noch mal etwa genauso viele Nahrungsmittel bei der Ernte oder Produktion verloren. Dazu gebe es nur ungenaue Daten, erklärt Leitautorin Ivanovich auf Nachfrage der FR. „Weitere Studien zu Lebensmittelabfällen weltweit werden Modelle wie unsere in Zukunft verbessern.“ Sehr effizient hingegen ist die Umstellung auf gesunde Ernährung. Dabei beziehen sich die Forscher:innen auf eine Anleitung der Havard Medical School (siehe Infobox). Schon dadurch ließe sich die globale Erwärmung um rund 0,2 Grad senken.
Noch mehr ist durch die Optimierung landwirtschaftlicher Verfahren zu holen. Dabei liegt der Fokus darauf, den Methanausstoß der Tierhaltung über veränderte Fütterung zu drücken. Auch bei Reisanbau und Düngemitteln gibt es großes Potenzial für Emissionssenkungen. Und schließlich strahlt auch ein dekarbonisiertes Energiesystem positiv auf die Nahrungsproduktion aus. Alles zusammen summiert sich auf ein Vermeidungspotenzial von 0,5 Grad. Ivanovich betont: „Eingriffe auf Nachfrage- und Angebotsseite sind notwendig, um die künftige Erwärmung zu bekämpfen, und haben das Potenzial, die Emissionen deutlich zu senken.“