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Wie die Ukraine Taiwan hilft

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Von: Felix Lill

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Oppositionelle Kuomintang demonstrieren in Taipeh (Taiwan) für eine stärkere Anbindung an China.
Kuomintang demonstrieren in Taipeh für China. © AFP

Die G7 und ihre Partner senden Signale an das expansive Peking. Dessen Invasionspläne für Taiwan sollen mit allen Mitteln unmöglich gemacht werden – bevor es zum Krieg kommt.

Beim G7-Gipfel spielt die Befürchtung, dass nach Russlands Invasion der Ukraine bald China Taiwan überfallen wird, eine zentrale Rolle. Es gibt signifikante Parallelen zwischen den beiden Konflikten, aber auch bedeutsame Unterschiede.

Russland wie China sind auf Expansion ausgerichtete, autoritär und nationalistisch regierte Staaten, während die Ukraine und Taiwan wesentlich kleiner sind und jeweils eine lange Konfliktgeschichte mit ihren größeren Nachbarn haben. Und schon durch die Tatsache, dass es sich bei der Ukraine und Taiwan um Demokratien handelt, die existenziellen Wert auf ihre Eigenständigkeit legen, wirken sie gegenüber Russland und China allein durch ihr bloßes Dasein als Provokation.

Aber zu erwarten, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis China es Russland mit einer Invasion der Insel an der Formosastraße (portugiesische „Entdecker“ nannten die Insel Formosa; nach ihrer Urbevölkerung heißt sie korrekter Taiwan) gleichtut, wäre wohl voreilig. Xi Jinping hat zwar wiederholt angekündigt, er würde auch vor Zwang nicht zurückschrecken, wenn es darum geht, dass Taiwan von Festlandchina regiert wird. Allerdings ist er nicht das erste chinesische Regierungsoberhaupt, das diese Ambition geäußert hat. Und während US-Offizielle mal 2025, mal 2027 als mögliche Zeitpunkte für eine chinesische Invasion vermuten, deutet zugleich viel darauf hin, dass Chinas Regierung kaum solche Eile hat.

Das liegt unter anderem daran, dass China von einem selbstständig funktionierenden Taiwan eigentlich profitiert. Die Insel südlich der chinesischen Festlandküste ist der weltweit mit Abstand wichtigste Produzent von Mikrochips, die für praktisch alle anspruchsvollen Elektroprodukte benötigt werden. Auch Chinas Industrie ist von den Halbleitern aus Taiwan abhängig. Im Fall eines Angriffs würde es kaum ausbleiben, dass die entsprechenden Fabriken beschädigt werden. Dies würde wohl eine weltweite Wirtschaftskrise bedeuten.

Am liebsten wäre China die Einverleibung Taiwans ohne Kampfhandlungen: durch bloße Drohungen, die weitere diplomatische Isolation Taiwans und ökonomische Sanktionen oder Anreize. Denn durch Taiwans Insellage wäre eine Invasion auch schwieriger als die rein landgestützte der Ukraine. Zwar könnte China Taiwan gerade wegen dessen Insellage durch Seeblockaden in große Bedrängnis bringen. Andererseits haben westliche Staaten in der Region aufgerüstet, zuletzt in Gestalt eines neuen Pakts zwischen den USA und den Philippinen.

Außerdem dürfte die entschlossene Reaktion westlicher Staaten auf Russlands Angriffskrieg auch China beeindruckt haben. Würde die Ukraine nicht so deutlich durch die USA, die EU und Japan unterstützt, hätte das osteuropäische Land vermutlich schnell kapitulieren müssen. Auch die harten Wirtschaftssanktionen gegen Russland funktionieren indirekt als Warnsignal an China. Die USA und Japan haben bereits angedeutet, dass sie im Falle eines Angriffs Chinas auf Taiwan der Inselrepublik zur Seite stehen werden.

Allerdings ist unklar, ob alle westlichen Staaten auch auf die gleiche Weise reagieren würden. Von der chinesischen Volkswirtschaft – der zweitgrößten der Welt – sind sie deutlich stärker abhängig als von der russischen. Wohl auch deshalb halten sich insbesondere europäische Staaten mit allzu deutlichen Ansagen gegenüber China zurück. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron warnte Ende vergangenen Monats, die EU müsse es vermeiden, in einen Konflikt zwischen den USA und China gezogen zu werden. In Europa wirkte dies wie ein Satz, der China befrieden sollte – und wurde deshalb reihum kritisiert. Auch von Regierungen, die das hätten ebenso gut sagen können – der Franzose war nur schneller.

Dass aus Sicht der westlichen Regierungen aber die Gemeinsamkeiten zwischen den zwei Konflikten wichtig sind und die Unterschiede womöglich gar überwiegen, zeigt sich in deren handelspolitischen Neuausrichtungen. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine haben diverse westliche Staaten ihre Bemühungen verstärkt, dass heimische Unternehmen China als Produktionsstandort für die globale Wertschöpfungskette verlassen und stattdessen etwa in Südostasien investieren.

Je mehr dies von Unternehmen befolgt wird, desto eher sähen sich die EU, die USA, Japan und weitere westlich orientierte Staaten im Fall eines chinesischen Angriffs auf Taiwan imstande, entschiedene Sanktionen gegenüber China zu vereinbaren. Denn umso weniger würden die eigenen Volkswirtschaften dann unter solchen Beschlüssen leiden. Nicht zuletzt deshalb hat der G7-Gastgeber Japan für dieses Treffen auch Südkorea, Indien, Indonesien, Australien, Brasilien, Vietnam, die Komoren und die Cookinseln eingeladen.

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