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Wenn Preise die Klima-Wahrheit sagen

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Von: Joachim Wille

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Ein Protestbanner an einem Erdgaskraftwerk in Erlangen. Die Bundesregierung verfolgt ihre eigenen Klima-Pläne nicht.
Ein Protestbanner an einem Erdgaskraftwerk in Erlangen. Die Bundesregierung verfolgt ihre eigenen Klima-Pläne nicht. © dpa

Wie die Einnahmen aus dem CO2-Preis sowohl für Klimaschutz als auch den sozialen Ausgleich genutzt werden können

In ihrem Koalitionsvertrag hat die „Ampel“ ein „Klimageld“ angekündigt. Das soll jährlich einmal an alle Bürger:innen überwiesen werden, um die Einnahmen des Staates aus der CO2-Bepreisung von Sprit und Heizenergie zumindest zum Teil an sie zurückzugeben. Die Idee dahinter: Alle zahlen zunächst an der Tankstelle und bei den Heizkosten mehr, doch wer wenig fossile Energie verbraucht, hat am Ende dank der Überweisung sogar mehr auf dem Konto. Wer hingegen viel verbraucht, legt drauf. Besonders ärmere Haushalte würden davon profitieren, denn ihr CO2-Ausstoß ist üblicherweise gering, weil sie meist in kleinen Wohnungen leben und gar kein oder nur ein kleines Auto fahren.

Doch bisher ist aus dieser Ankündigung nichts geworden. Die Ampel-Regierung hat das von den Grünen im Wahlkampf stark gepushte Projekt (da hieß es „Energiegeld“) zumindest verschoben. Der Krieg gegen die Ukraine und die davon ausgelösten Turbulenzen auf den Energiemärkten erforderten andere Prioritäten. Stichwort: Strom- und Gaspreisbremse. Auch bei der jüngstenAmpel-Marathonsitzung spielt es keine Rolle. Doch das Projekt hat Fürsprecher bekommen. Das vom Bundesforschungsministerium geförderte Kopernikus-Projekt zur Energiewende, „Ariadne“ genannt, macht sich dafür stark. Die Mittel aus der CO2-Bepreisung sollten genutzt werden, um sowohl den Klimaschutz als auch den sozialen Ausgleich im Land voranzubringen, schreiben Expert:innen von sechs Forschungsinstituten in einem aktuellen Positionspapier.

Im letzten Sommer hatte Finanzminister Christian Lindner (FDP) wissen lassen, mit einer Einführung des Klimageldes könne frühestens im Jahr 2024 gerechnet werden. Und das auch nur, falls dann überhaupt im „Klima- und Transformationsfonds“ des Bundes, in den die CO2-Einnahmen bisher fließen, Geld übrig ist.

Seither ist Funkstille bei dem Thema. Wegen der Energiekrise setzte die Ampel-Koalition sogar die Erhöhungsstufe beim CO2-Preis aus, die für Anfang 2023 fest eingeplant war. Dieser Wert im Verkehrs- und Wärmebereich war 2021 eingeführt worden, aktuell beträgt er 30 Euro pro Tonne des Treibhausgases. Der Klima-Aufschlag macht damit zum Beispiel bei Benzin 8,4 Cent pro Liter aus, bei Diesel 9,4 Cent. Ursprünglich, noch von der Merkel-Groko, war festgelegt worden, dass der CO2-Preis bis zum Jahr 2025 auf 55 Euro ansteigt. Danach sollte er sich zwischen 55 und 65 Euro bewegen.

Die Ariadne-Expert:innen monieren, die aktuellen Debatten um nötige Klimaschutzmaßnahmen kreisten vor allem um Instrumente wie Tempolimit und E-Fuels. „Dabei gerät der CO2-Preis mit seinen Potenzialen für hohe Einnahmen und Verteilungsgerechtigkeit aus dem Blickfeld.“ Tatsächlich geht es hier um hohe Milliardensummen. Für die Zeit von 2021 bis 2030 könnten Deutschlands Einkünfte aus dem nationalen Emissionshandel für Verkehr- und Gebäudeenergie sowie dem europäischen Gegenstück, der für Industrie, Kraftwerke und Airlines gilt, bis zu 227 Milliarden Euro betragen, so die Ariadne-Kalkulation. Beteiligt an dem Projekt sind die Universitäten Potsdam und Stuttgart, das Fraunhofer-Institut ISI in Karlsruhe, das Essener Wirtschaftsforschungsinstitut RWI, das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung sowie das Klimainstitut MCC Berlin.

Diese 227 Milliarden Euro entsprächen knapp einen halben Jahres-Bundesetat, es handelt sich also um einen gewaltigen politischen Hebel. Und die Bundesregierung muss entscheiden, was vorrangig mit den Mitteln geschehen soll. Die Alternativen: Sie könnte mit einer jährlichen „Klimageld“-Überweisung die gesellschaftliche Akzeptanz für den CO2-Preis stärken, die Kosten für einkommensschwache Haushalte würden direkt abgefedert, die Einkommenssteuern könnten sinken oder aber Klimaschutz-Investitionen erhöht werden. In dem Ariadne-Papier werden die jeweiligen Folgen für Klimaschutz, Wirtschaftsentwicklung und Verwaltung dargestellt.

Das Team hat fünf konkrete Optionen zur Verwendung der Mittel analysiert, wie MCC-Professor Matthias Kalkuhl erläutert: Klimageld, Strompreissenkung, Verringerung der Einkommenssteuer, Härtefall-Kompensationen und Klima-Förderprogramme. Jede Maßnahme hat laut dem Papier ihre Vor- und Nachteile. Viel spricht jedoch offenbar für das Klimageld. Wichtig sei es „in erster Linie, in der Bevölkerung Vertrauen durch eine transparente und sichtbare Verwendung der Einnahmen vom CO2-Preis zu schaffen“, sagt Co-Autorin Mareike Blum, ebenfalls vom MCC. Das Klimageld sei wegen der transparenten Rückerstattung der CO2-Einnahmen besonders gut geeignet, außerdem helfe es den ärmeren Haushalten. Alternative Möglichkeiten zur Rückgabe der Gelder, wie die Absenkung der Strom- oder der Einkommenssteuer, kommen in der Bilanz schlechter weg. Sie hätten zwar auch ökonomische oder verteilungspolitische Vorteile. Aber die seien für die Menschen kaum sichtbar. Das heißt: Die Entlastung wird nicht wahrgenommen.

Dass auch Förderprogramme notwendig sind, um die Energiewende zu schaffen, daran lassen die Ariadne-Expert:innen keine Zweifel. Sie betonen aber: Deren Finanzierung solle „grundsätzlich in dem Rahmen erfolgen, wie sie notwendig und sinnvoll ist, und sich nicht nach dem Umfang der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung richten“. Sonst erhöhe sich das Risiko, dass die Programme zu knapp oder sogar zu üppig ausgestattet werden. Mit anderen Worten: Es ist vor allem Finanzminister Lindners Job, mit seinem Etat dafür zu sorgen, dass genügend Geld für solche Projekte da ist.

Würde die Ampel-Bundesregierung den Vorschlägen folgen, könnten sich die Bürger:innen auf einen jährlichen Scheck oder eine Überweisung freuen. Ähnlich wie in der Schweiz, wo bereits seit 2008 eine CO2-Abgabe auf fossile Brennstoffe erhoben wird und zwei Drittel der Einnahmen aus dem privaten Verbrauch als Pro-Kopf-Betrag zurückgezahlt werden; ähnlich geschieht das bei der Wirtschaft. Das restliche Drittel dient dort der Anschubfinanzierung für Energie- und Klimainvestitionen.

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