Professor wird mit Verschwörungstheorien zum Fall für den Verfassungsschutz

Der Münchner Kommunikationswissenschaftler Michael Meyen soll ein rechtspopulistisches Organ herausgeben – und wird damit zum Fall für den bayrischen Verfassungsschutz.
In dem kurzen Video sind drei sehr gut gelaunte Männer zu sehen. Der Künstler Anselm Lenz, der in Berlin an der Spitze der „Querdenker“- und Verschwörungsgläubigen-Szene steht. Daneben der mit ihm verbündete Dramaturg Hendrik Sodenkamp. Zu einem Zugeschalteten sagt Lenz: „Herr Professor Meyen, wir begrüßen Sie in der Herausgeberschaft der Wochenzeitung ‚Demokratischer Widerstand‘.“
Da wird der Verfassungsschutz aktiv. Denn Michael Meyen, Kommunikationswissenschaftler an der Ludwig-Maximilians-Universität in München sagt, er freue sich „sehr auf die Zusammenarbeit“. Am 20. März wurde die Aufnahme ins Netz gestellt.
Mit der Übernahme der Herausgeberschaft erreicht die Eskalation um den „Querdenker“-Gelehrten Meyen eine neue Stufe. Der bayerische Inlandsgeheimdienst prüft auf Anfrage der Universitätsleitung, ob Meyen ein Extremist ist, der sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung stellt. Ist dem so, dann könnte ihn das gemäß des Beamtenrechts den Job kosten.
Zentralorgan der Coronaleugner-Szene
Der wöchentlich erscheinende „Demokratische Widerstand“ ist eine Art Zentralorgan der Coronaleugner-Szene, die das Virus als Erfindung böser Mächte ansieht und den Ukraine-Krieg deutet das Blatt als Angriff des von den USA gesteuerten Westens auf Russland. Den etablierten Medien werden allesamt Manipulation und Lüge unterstellt.
Meyen ist weiterhin Mitglied des Münchner Instituts für Kommunikationswissenschaft (IfKW) – aber er hat mit der Institution längst gebrochen. Und sie mit ihm. Über Meyens Aussagen und Ausrichtung sagt der Institutsdirektor Thomas Hanitzsch: „Wir als Institut distanzieren uns auf allen Ebenen davon und grenzen uns inhaltlich davon ab.“
Was meint Meyen selbst, was bloggt und was lehrt er in München? Auf Anfragen reagiert er nicht. Der Student Simon Prommersberger hatte im Wintersemester 2020/21 eine wegen der Pandemie online abgehaltene Vorlesung von Meyen besucht. „Ich und eine Reihe weiterer Studierender empfanden seine Äußerungen bezüglich Corona immer wieder als verharmlosend“, erzählt Prommersberger. „Er meinte, man solle das nicht so ernst nehmen und auch den Zahlen, etwa den Inzidenzwerten, nicht so trauen.“
Verschwörungsideologische Aussagen in Vorlesungen
Der Student erinnert sich auch an eine Meyen-Aussage, wonach bei den veröffentlichten Inzidenzwerten Belgien schon „ausgestorben“ sein müsste. Die Äußerungen zur Pandemie wurden demnach als „respektlos und anmaßend“ angesehen. Vor allem auch von Studierenden, „die etwa Verwandte in der Hochrisikogruppe hatten“ oder wegen Vorerkrankungen selbst betroffen waren.
In seinen Online-Veröffentlichungen behauptet Meyen immer wieder, dass hierzulande ein „Wahrheitsregime“ herrsche. So schreibt er in dem sich selbst als „alternativ“ darstellenden Online-Magazin „Multipolar“ 2021: „Journalismus und Politik können inzwischen auf ein ganzes Arsenal an Waffen zurückgreifen, wenn ihr Wahrheitsregime angegriffen wird (…) Die Bundesregierung und ihre Propagandisten sorgen sich allerdings nicht um uns oder um unsere Liebsten, sondern um ihr Wahrheitsregime.“
Herausgegeben wird „Multipolar“ unter anderem von Stefan Korinth, Journalist und Gegner der Corona-Schutzregelungen. Das Magazin haut in dieselben Kerben wie der „Demokratische Widerstand“, will aber etwas intellektueller sein. In diesem Umfeld tummeln sich auch populistische Aktivist:innen und Rechtsradikale jedweder Couleur.
Kontakte zur rechtsextremen Szene
Ein Beispiel: Meyens Herausgeber-Kollege Anselm Lenz war 2022 zum Sommerfest des rechtsextremen Magazins „Compact“ mit seinem Chefredakteur Jürgen Elsässer eingeladen. Laut dem Magazin „Gegenmedien“, soll Elsässer bei diesem Fest geworben haben, dass der Anti-Corona-Protest wirkungsvoller wäre, wenn sich etwa der AfD-Rechtsaußen Björn Höcke mit „linken Kräften“ wie Sarah Wagenknecht und Anselm Lenz verbünden würden.
Meyen wiederum betreibt weiterhin seinen Blog, der auf der Uni-Homepage verlinkt ist. Da schreibt er dann etwa über das „Zensurregime“. Ist das eine private Initiative, wie immer wieder gesagt wurde? Meyen selbst sieht das nicht so, er kommentiert: „Das mit den ‚privaten Initiativen‘ von Professoren ist lustig. Ich bin immer im Dienst.“ Aus dem IfKW sagt jemand, der nicht genannt werden will: „Wir sind sehr unglücklich über diese Entwicklung.“ Wütend ist man dort auch, denn Meyen „wird aus öffentlichen Mitteln alimentiert“. Die fortschreitende Radikalisierung des Kollegen haben viele gesehen.
Dass nun der Verfassungsschutz sich der Sache annimmt, ist dem bayerischen Wissenschaftsminister Markus Blume zu verdanken. Der hatte sich sehr eindeutig geäußert: „Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung“, so der CSU-Mann. „An bayerischen Hochschulen ist kein Platz für extremistisches Gedankengut.“
Hetze gegen Grüne
Welche Blüten solches Gedankengut treiben kann, sieht man am „Demokratischen Widerstand“ und seinen beiden Mitherausgebern. Vom „Coronaregime“ wird darin geschrieben, von der „Kontinuität des Faschismus“, denn: „Angela Merkel schuf eine neue Form des Führerkults“. In Deutschland herrsche eine „Meinungsdiktatur“.
Die Grünen Robert Habeck und Annalena Baerbock werden auf einer Titelseite im Konterfei gezeigt; darunter steht: „Kriegstreiber, Lügnerinnen, Spritzenmörder.“ Anselm Lenz meint, die Grünen hätten „den Injektionsgenozid gefördert“. Und Hendrik Sodenkamp sagte 2021 in Berlin, man nehme die „beschissene Pandemielüge nicht mehr ernst“. Damit werde ein „Gesellschaftsumbau gemacht“. Den Münchner Professor Michael Meyen heißen die beiden „herzlich willkommen“. Der bedankt sich.