Beruf und Familie wirklich vereinbaren

Ich selbst habe mich, wie so viele andere auch, für Kinder entschieden, obwohl die gesellschaftlichen Bedingungen nicht stimmten.
Wenn eine Frau keine Kinder haben möchte, spielen die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für diese Entscheidung praktisch keine Rolle – so steht es in einer aktuellen Studie. Ausschlaggebend seien das persönliche Bedürfnis nach Freiheit oder auch die Angst vor zu viel Verantwortung.
Das stellt so ziemlich alles auf den Kopf, wovon ich bisher fest überzeugt war: Dass Staat und Gesellschaft für passende Infrastruktur sorgen und Prioritäten setzen müssen, damit sich mehr Menschen ein Leben mit Kindern vorstellen können. Als leuchtendes Beispiel gilt mir seit jeher Frankreich, wo die staatlich organisierte Außer-Haus-Betreuung schon der Allerkleinsten normal und die Geburtenrate seit vielen Jahren deutlich höher ist als in Deutschland.
Doch wahr ist auch: Ich selbst habe mich ja, wie so viele andere auch, für Kinder entschieden, obwohl die gesellschaftlichen Bedingungen nicht stimmten. Es gab damals, Anfang der 2000er Jahre, weder bezahlte Elternzeit (stattdessen „Erziehungsurlaub“ für die, die ihn sich leisten konnten) noch ausreichende Kitaplätze. Väter, die sich für die Familie eine Auszeit nahmen, wurden als Exoten bestaunt – und diskriminiert. Dass wir mit zwei Kindern stets Vollzeit oder in „vollzeitnaher Teilzeit“ gearbeitet haben, ging nur, weil wir Babysitter bezahlen konnten. Unseren komplizierten Alltag zu organisieren, war selbstverständlich Privatsache; dabei galt es, bei der Arbeit nur ja geräuschlos weiter so zu funktionieren, als gäbe es die Kinder nicht.
Seither hat sich viel verändert – und auch wieder nicht. Und je mehr ich darüber nachdenke, desto weniger sehe ich einen Widerspruch zu oben zitierter Studie: Wenn Staat und Gesellschaft Frauen bzw. Familien entsprechend entlasten, ist das für die ein Zugewinn an Freiheit und verringert die Last ihrer Verantwortung. Dafür kämpft der Feminismus, und dafür muss er weiter kämpfen. Und natürlich auch dafür, dass jede Frau, die ungewollt schwanger ist, sicher und problemlos abtreiben kann, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen.
Sabine Hamacher, 58, Ressort Magazin/FR7