Welche Rolle spielen die USA im Ukraine-Krieg?

Um einen Atomkrieg in Europa zu verhindern, müssen die USA ihre Strategie ändern, fordert Friedensaktivist Rolf Bader.
Die Ukraine setzt sich mit allen zur Verfügung stehenden militärischen Mitteln gegen den völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg zur Wehr, um die Souveränität ihres Territoriums wieder herzustellen. Der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, sieht Russland und die USA als Hauptakteure im Ukraine-Krieg. „Die Ukraine kämpft auch für die geopolitischen Interessen der USA“, sagt er. Denn deren erklärtes Ziel sei es, Russland politisch, wirtschaftlich und militärisch zu schwächen.
Die USA und im Besonderen Präsident Joe Biden wären in der Lage, die bedrohliche Situation zu entschärfen. Natürlich könnte das auch der russische Präsident Wladimir Putin. Das ist aber derzeit unrealistisch – bei der Verhärtung der Fronten.
Ukraine-Krieg: Risiko für die USA bislang gering
Die Strategie der USA in diesem Konflikt ist bisher allerdings, was ihre eigenen Interessen betrifft, sehr erfolgreich: Die Nato ist wieder geeint im Kampf gegen Russland. Die Wirtschaft und die Rüstungsindustrie der USA boomen. Die Auftragsbücher sind voll mit Anforderungen und Bestellungen der Nato-Staaten. Nord-Stream 2 wurde gekappt und die Lieferungen amerikanischen Fracking-Gases laufen auf Hochtouren.
Das Risiko für die USA in diesem regionalen Krieg zwischen der Ukraine und Russland ist gering. Falls Russland atomar eskalieren sollte, wären die USA nicht territorial betroffen. Der Einsatz taktischer Atomwaffen ließe sich auf Europa begrenzen. Unmittelbar betroffen wären durch die Explosion und den radioaktiven Niederschlag die Menschen in der Ukraine, in den angrenzenden Staaten und auch der Aggressor selbst.
Friedensfragen zum Ukraine-Krieg: USA muss Strategie grundlegend ändern
Notwendig wäre es, das bestehende Kräfteverhältnis und die erdrückende militärische Überlegenheit Russlands anzuerkennen und daraus die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen: Die Ukraine kann den Krieg gegen die Atommacht Russland nicht gewinnen, zumal Russland in diesem Krieg die Eskalationsdominanz besitzt!
Wladimir Putins Strategie, die Ukraine in wenigen Wochen besiegen und besetzen zu können, ist fehlgeschlagen. Öffentlich proklamiert er den „vaterländischen Krieg gegen den Westen und die Nato“. Tatsächlich aber ist er als Feldherr in die Enge getrieben. Aus der russischen Eskalationsdominanz droht im schlimmsten aller denkbaren Szenarien ein Einsatz von Atomwaffen.
Um einen drohenden Atomkrieg in Europa zu verhindern, müssen die USA ihre Strategie grundlegend ändern. Das beinhaltet vor allem die Bereitschaft, Russland als gleichwertigen Global Player mit geostrategischen Interessen anzuerkennen. Nur so ließe sich eine drohende unkalkulierbare Eskalation verhindern.
Verhandlungen im Ukraine-Krieg: Biden könnte Türöffner sein
Ex-Außenminister Kissinger schlug auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos vor, „die Front entlang der Vorkriegslinien einzufrieren“. Die Ukraine müsse von der EU und der Nato weiterhin militärisch unterstützt werden, bis der Status quo vor Kriegsbeginn erreicht sei. Auf der Basis könne man dann einen Waffenstillstand erreichen und mit Russland anschließend über die Lösung des Ukraine-Konflikts verhandeln.
Autor und Serie
Der Autor: Rolf Bader, ehemaliger Offizier der Luftwaffe, engagiert sich bei der Deutschen Sektion der Internationalen Ärzt:innen für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzt:innen in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW). Er war von 1990 bis 1993 Geschäftsführer der Organisation.
Die Serie: Welche Wege führen zum Frieden? Was müssen wir hinterfragen, was angesichts von Waffengewalt nicht opfern? Fachleute geben Antworten in der FR-Serie „Friedensfragen“.
Es muss dringend eine Tür für Verhandlungen geöffnet werden. Biden könnte der „Türöffner“ sein, wenn er denn wollte. Er müsste Russland Verhandlungsoptionen anbieten, die den Weg für ein Treffen und für weitere Gespräche freimachen könnten. Das setzt weiterhin voraus, Kiew von der Notwendigkeit von Verhandlungen zu überzeugen, ohne vorab den bedingungslosen Rückzug der russischen Truppen zu fordern. Biden ist der einzige Staatschef der Nato mit Gewicht und Einfluss, den Präsident Putin als Verhandlungspartner auf Augenhöhe wahrscheinlich akzeptieren würde.
Auch wenn es derzeit als schwierig realisierbar erscheint, lautet das Gebot der Stunde: Jeden möglichen Versuch zu wagen, über Diplomatie Verhandlungen anzubahnen, um einen Waffenstillstand zu erreichen. Es gilt, das Leben Hunderttausender Soldaten auf beiden Seiten und der Zivilbevölkerung in der Ukraine zu retten! (Rolf Bader)